Syrien vor historischem Schritt: Beitritt zu den Abraham-Abkommen rückt näher

Syrien vor historischem Schritt: Beitritt zu den Abraham-Abkommen rückt näher


Das Assad-Regime ist Vergangenheit, der neue syrische Präsident denkt anders – und signalisiert Bereitschaft zur Normalisierung mit Israel

Syrien vor historischem Schritt: Beitritt zu den Abraham-Abkommen rückt näher

Eine Nachricht, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schien, nimmt nun konkrete Form an: Syrien steht offenbar kurz davor, den Abraham-Abkommen beizutreten. Das bestätigte US-Regierungssprecherin Karoline Leavitt am Donnerstag in Washington. Präsident Trump, so Leavitt, habe dies bereits beim Treffen mit dem neuen syrischen Staatschef Ahmed al-Sharaa eingefordert. Auch aus Jerusalem und aus Expertenkreisen in Israel wird das Signal ernst genommen – nicht zuletzt, weil al-Sharaa sich bei der jüngsten Israel-Operation gegen Iran auffallend neutral verhalten hat.

Damit könnte ein geopolitischer Damm brechen: Jahrzehntelange Feindschaft, Kriege und gegenseitige Drohgebärden zwischen Syrien und Israel könnten einer vorsichtigen Annäherung weichen. Noch ist nichts unterzeichnet – aber die Zeichen mehren sich, dass sich Damaskus außenpolitisch völlig neu ausrichtet. Und dass Israel davon konkret profitieren könnte.

Ein Syrien nach Assad: Neue Interessen, neue Allianzen

Ahmed al-Sharaa ist nicht Bashar al-Assad – das wird in Israel seit Wochen intensiv analysiert. Der neue Präsident, der nach dem Ende des Assad-Regimes an die Macht kam, verfolgt nach Ansicht des Nahost-Experten Amatzia Baram eine pragmatischere, weniger ideologisch motivierte Linie. Die Nähe zu Iran, einst das Rückgrat des Assad-Regimes, scheint für al-Sharaa kein strategischer Vorteil mehr zu sein – im Gegenteil: Teheran sei „der größte Gegner“ seiner neuen Regierung, so Baram.

Diese neue Realität zeigt sich nicht nur in Worten, sondern im Handeln: Während Israel vor einigen Wochen einen groß angelegten Luftschlag gegen iranische Atomanlagen durchführte, ließ Damaskus die israelischen Jets unbehelligt passieren – ganze zwölf Tage lang, wie Sicherheitskreise berichten. Kein Radar wurde hochgefahren, keine Luftabwehr aktiviert. Für israelische Entscheidungsträger war das ein klares Zeichen: Syrien wollte die Operation nicht stören. Und mehr noch – laut Baram war man in Damaskus sogar insgeheim dankbar, dass Israel den Druck auf Teheran erhöht hat.

Trump drängt auf historische Erweiterung

Aus Sicht der US-Regierung ist das Momentum günstig. Die Abraham-Abkommen, 2020 unter Donald Trump ins Leben gerufen, gelten in Washington als einer der größten außenpolitischen Erfolge der letzten Jahrzehnte im Nahen Osten. Bislang haben vier Länder – die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan – ihre Beziehungen zu Israel normalisiert. Mit Syrien könnte nun ein Land hinzukommen, das jahrzehntelang als einer der Hauptgegner Israels galt.

Trumps Berater Steve Witkoff kündigte in einem Interview mit CNBC „baldige große Ankündigungen“ an. Ziel sei es, das Abkommen „auf Länder auszudehnen, bei denen man es nie für möglich gehalten hätte“. Und genau das scheint jetzt zu passieren: Syrien, der einstige Baath-Staat, will den Schritt in Richtung Westen und Israel wagen.

Leavitt betonte: „Der Präsident ist zuversichtlich, dass weitere Länder in der Region den Abraham-Abkommen beitreten werden. Und Syrien gehört ganz klar zu diesen Kandidaten.“

Warum sich Syrien neu positioniert

Die Gründe für diesen Kurswechsel sind vielfältig – und auch machtpolitisch nachvollziehbar. Der Iran, einst Verbündeter Assads, betrachtet al-Sharaa als Gefahr für seine Einflusszone. Die religiös-schiitischen Milizen in Syrien, die durch Teheran unterstützt werden, sind für die neue Regierung mehr Bedrohung als Rückhalt. Ein Schulterschluss mit Israel – selbst wenn er nicht öffentlich als Allianz gewertet wird – könnte Damaskus helfen, sich gegen diese Kräfte zu behaupten.

Al-Sharaa hatte bereits im April gegenüber dem US-Abgeordneten Cory Mills erklärt, dass Syrien unter den „richtigen Bedingungen“ bereit sei, dem Abkommen beizutreten. Seither hat sich vieles verändert: Die israelische Operation gegen Iran hat sowohl militärisch als auch strategisch Wirkung gezeigt – und offenbar das Vertrauen al-Sharaas in Israel als Machtfaktor gestärkt.

Baram bringt es auf den Punkt: „Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich meinem Volk sagen: Selbst wenn wir es könnten, wir hätten kein Interesse, es der israelischen Luftwaffe schwer zu machen. Jeder Schlag gegen den Iran nutzt unserer Stabilität.“

Kein Frieden, aber Stabilität?

Ein offizieller Friedensvertrag zwischen Israel und Syrien steht nicht unmittelbar bevor. Zu tief sind die historischen Wunden, zu komplex die offenen Territorialfragen – etwa um die Golanhöhen. Und dennoch: Eine syrische Beteiligung an den Abraham-Abkommen wäre ein gravierender Bruch mit der bisherigen Nahost-Logik. Sie würde das Kräfteverhältnis nachhaltig verschieben – zu Gunsten Israels, aber auch zugunsten einer neuen politischen Ordnung in der Region, in der der Iran zunehmend isoliert wäre.

Vor allem aber wäre es ein Signal an die Bevölkerung in Syrien: Der Wiederaufbau nach Jahren des Kriegs ist nur mit wirtschaftlicher Öffnung und internationaler Partnerschaft möglich – und genau das bieten die Abraham-Abkommen. Handel, Technologie, Sicherheit, diplomatische Zusammenarbeit: All das ist denkbar, wenn Vertrauen wächst.

Noch ist nichts beschlossen. Aber die diplomatischen Fäden werden längst gezogen – in Washington, in Jerusalem, in Amman und wohl auch in Riad. Und wenn Syrien tatsächlich den Schritt wagt, wäre es nicht nur eine diplomatische Sensation. Es wäre ein Neuanfang für einen Staat, der lange im Schatten seiner eigenen Geschichte stand.


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: By White House - Karoline Leavitt in X, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=165214079


Freitag, 27 Juni 2025

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