Irans Cyber-Offensive verpufft – Warum der große Gegenschlag ausbliebIrans Cyber-Offensive verpufft – Warum der große Gegenschlag ausblieb
Trotz Warnungen blieb die digitale Vergeltung aus Teheran aus – und offenbart damit eine schmerzhafte Schwäche des Regimes.
Während Raketen fielen und Satellitenbilder Explosionen über iranischen Atomanlagen zeigten, hielt die Welt den Atem an: Wann schlägt der Iran digital zurück? Wann wird die unsichtbare Waffe, auf die das Regime so stolz ist, eingesetzt – gegen israelische Infrastruktur, westliche Medien, militärische Kommandozentralen? Doch was dann geschah, war vor allem eins: wenig.
Trotz scharfer Warnungen aus Israel und den USA blieb die befürchtete Cyber-Gegenoffensive weitgehend aus. Statt ausgeklügelter Sabotageakte oder digitaler Schockwellen gab es vereinzelte, eher primitive Angriffe – so simpel, dass selbst erfahrene Analysten überrascht waren. „Die Techniken waren weder raffiniert noch neuartig“, sagt etwa Nicole Fischbein, Sicherheitsexpertin des israelischen Cyber-Unternehmens Intezer. Das wirft eine Frage auf, die in Jerusalem, Washington und Doha gleichermaßen interessiert: Warum blieb der große Schlag aus?
Iran gilt seit Jahren als ernstzunehmender Akteur im Cyberspace. Immer wieder war von „asymmetrischer Kriegsführung“ die Rede, von Hackerarmeen, die israelische Wasserwerke stören, US-Wahlkämpfe manipulieren oder saudische Raffinerien lahmlegen könnten. Und ja, es gab Vorfälle – gezielte, punktuelle Angriffe. Doch in der Stunde der Wahrheit, mitten im offenen Konflikt mit Israel, verpuffte diese Drohkulisse nahezu lautlos.
Zwar reklamierten Gruppen wie Handala Hack, die laut westlichen Geheimdiensten dem iranischen Geheimdienst unterstehen, Erfolge für sich. Doch deren Behauptungen – etwa der Diebstahl brisanter Daten – konnten bislang nicht verifiziert werden. Forscher wie der Brite Raff Pilling (Sophos) sprechen sogar von übertriebener Selbstdarstellung: „Ein paar Server wurden kompromittiert, vielleicht wurden kleinere Datensätze kopiert – aber strategisch hat das keine Relevanz.“
Einzig auffällig war eine Zunahme gezielter Phishing-Kampagnen, wie Check Point berichtet: E-Mails an Journalisten, Akademiker und andere öffentliche Personen in Israel, vermutlich aus dem Umfeld der Revolutionsgarden. Auch Angriffe auf chinesische Überwachungskameras in israelischen Städten wurden registriert – offenbar, um Einschläge zu dokumentieren oder Schadensanalysen durchzuführen. Kein direkter Schaden, aber ein Ausspähen auf leisen Sohlen.
„Die meisten Angriffe zielten nicht auf Zerstörung, sondern auf Informationen“, erklärt Sergey Shykevich von Check Point. „Es wirkt eher wie ein verzweifelter Versuch, Kontrolle zu behalten – nicht wie ein Akt digitaler Kriegsführung.“
Auch auf israelischer Seite blieben viele Maßnahmen im Schatten. Bekannte Hackergruppen, die sich mit dem Staat solidarisch erklären, reklamierten Angriffe auf iranische Banken, Börsen und Krypto-Wallets. Eine besonders markante Aktion: Die mutmaßliche Löschung von 90 Millionen Dollar in digitalen Vermögenswerten – angeblich im Besitz iranischer Sicherheitsbehörden. Ob das stimmt, ist schwer zu überprüfen. Doch der Symbolwert ist nicht zu unterschätzen: Während der Iran kaum etwas zu zeigen hatte, sendete Israel zumindest digital Machtbotschaften.
Dass der Iran keine signifikanten Cyber-Erfolge vorweisen kann, ist mehr als ein technisches Detail. Es ist ein politisches Problem. Denn das Regime hat seit Jahren investiert, geprahlt, Drohungen formuliert – und nun, in der Phase maximaler Eskalation, kaum etwas geliefert. Die Leerstelle ist deutlich. Für ein Regime, das seine Stärke aus Angst und Unberechenbarkeit zieht, ist das ein Risiko.
Hinzu kommt: Während Teheran digital weitgehend schweigt, professionalisieren andere ihre Fähigkeiten. Israel arbeitet mit internationalen Partnern wie den USA, Großbritannien und den Emiraten zusammen. Sicherheitsstandards werden harmonisiert, Reaktionszeiten verkürzt. Der Cyberraum wird – zumindest auf westlicher Seite – zur Hightech-Bastion. Und Iran? Verliert an Glaubwürdigkeit, sogar bei den eigenen Unterstützern.
Cyberkrieg ist nicht nur ein technisches Ringen, sondern ein Kampf um Narrative. Iran hat ihn in diesem Fall verloren. Weder konnte das Regime Verunsicherung stiften, noch eigenen Schaden rächen – und steht nun als digitaler Papiertiger da. Das wird Konsequenzen haben: für die strategische Bewertung des Landes, für seine Rolle in künftigen Konflikten – und für das Vertrauen der eigenen Bevölkerung in die behauptete Stärke des Systems.
Die gute Nachricht: Die Katastrophe im Netz blieb aus. Die befürchteten Blackouts, das Chaos auf Flughäfen, Attacken auf Kliniken – sie kamen nicht. Doch die eigentliche Botschaft liegt tiefer: Teherans digitale Kraft ist begrenzt, ihr Mythos bröckelt. Und die Region hat das registriert.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild
Sonntag, 29 Juni 2025