Gaza nach dem Krieg: Drei Szenarien – und kein leichter WegGaza nach dem Krieg: Drei Szenarien – und kein leichter Weg
Die israelische Armee hat in Gaza fast alle militärischen Ziele erreicht. Doch was kommt danach? Generalstabschef Eyal Zamir präsentiert drei denkbare Wege – jeder von ihnen voller Risiken, moralischer Dilemmata und strategischer Konsequenzen.
Die Bodenoperation der IDF im Gazastreifen nähert sich dem militärischen Zielpunkt. „Gideons Streitwagen“, wie die aktuelle Operation heißt, hat weite Teile des Gebiets unter Kontrolle gebracht, terroristische Strukturen zerschlagen und einen Großteil der Hamas-Kader eliminiert. Doch so paradox es klingt: Der schwierigste Teil beginnt jetzt.
IDF-Generalstabschef Eyal Zamir legte in dieser Woche drei strategische Optionen für die Zeit nach der militärischen Phase vor. Keine davon ist ideal – aber alle sind notwendig, um Israels Sicherheit langfristig zu sichern. Zugleich offenbaren sie die ganze Tragweite dessen, was ein Krieg gegen einen Feind bedeutet, der sich in zivilen Strukturen, zwischen Geiseln und unter Schulen verschanzt.
Option 1: Die vollständige Besetzung
Die erste Variante, die als am wenigsten wünschenswert gilt – sowohl aus militärischer als auch aus politischer Sicht – wäre eine vollständige Einnahme des gesamten Gazastreifens inklusive Einrichtung einer militärischen Übergangsverwaltung. Das würde bedeuten, dass israelische Streitkräfte dauerhaft vor Ort bleiben, die Verwaltung übernehmen und gleichzeitig gegen Terrorstrukturen im urbanen Raum kämpfen.
Die IDF warnt vor dieser Option. Denn sie wäre nicht nur extrem ressourcenintensiv – auch strategisch ist sie heikel. Zum einen erhöht sich das Risiko für die noch in Gaza festgehaltenen israelischen Geiseln drastisch, da die Hamas sie als menschliche Schutzschilde nutzt. Zum anderen würde eine dauerhafte militärische Präsenz bei einer Zivilbevölkerung von über anderthalb Millionen Menschen langfristig das israelische Militär überfordern. Israels Reservisten wurden bereits massiv beansprucht, die logistische Belastung ist enorm – und das bei weiterhin akuter Bedrohung an anderen Fronten.
Option 2: Einkreisung und Zermürbung
Deutlich bevorzugter scheint die zweite Möglichkeit: Gaza-Stadt und die umliegenden zentralen Flüchtlingslager werden isoliert, während die IDF zu einem strategischen Modus der „Zermürbung“ übergeht. Luftangriffe, punktuelle Bodenoperationen, gezielte Kommandoeinsätze – so soll die verbliebene Hamas-Führung weiter geschwächt und zur Kapitulation gezwungen werden.
Dieser Ansatz ist nicht neu – aber er könnte in der aktuellen Phase besonders effektiv sein. Denn israelischen Geheimdienstquellen zufolge sind viele Hamas-Kommandeure erschöpft, dezimiert und zunehmend isoliert. Die unterirdischen Tunnelsysteme wurden massiv zerstört, viele Terroristen sind gezwungen, sich oberirdisch zu bewegen – wo sie leichter angreifbar sind. Es wäre ein Abnutzungskrieg, ja – aber mit einem kalkulierten Ziel: Zeit gewinnen, Geiseln schützen, Hamas-Führer ausschalten.
Option 3: Deal für die Geiseln – Waffenstillstand inklusive
Das dritte Szenario setzt auf eine politische Öffnung: Ein umfassender Geisel-Deal inklusive Waffenstillstand. So könnte die IDF ihre Truppen regenerieren, Kräfte bündeln und sich auf mögliche Eskalationen vorbereiten.
Diese Variante hat aus militärischer Sicht einige Vorteile. Doch sie birgt ein Dilemma: Ein zu großzügiger Deal könnte die Hamas als Sieger dastehen lassen. Die Entscheidung liegt letztlich bei der politischen Führung. Sollte Hamas den Deal ablehnen oder das Kabinett den Vorschlag verwerfen, rückt wieder Option zwei oder eins in den Vordergrund – mit allen bekannten Folgen.
Hamas unter Druck, aber nicht vernichtet
Seit Beginn der Operation wurden über 1.200 Terroristen gezielt getötet, darunter mehrere hochrangige Kommandeure, ein Nukhba-Offizier vom 7. Oktober sowie ein maritimer Hamas-Führer. Auch wenn es vereinzelt zivile Kollateralschäden gab – die Luftangriffe der letzten Tage trafen präzise. Hamas ist schwer getroffen, aber noch existent.
Zamirs Plan stellt klar: Israel steht an einem strategischen Scheideweg. Ein vollständiger Rückzug wäre gefährlich und kurzsichtig. Eine vollständige Besetzung – kaum tragbar. Also bleibt der Mittelweg: gezielte Stärke, flexible Kontrolle, militärischer Druck bei politischer Offenheit.
Der Gazakrieg ist militärisch weitgehend gewonnen – aber ohne kluge Entscheidungen im nächsten Schritt wird der Sieg nicht nachhaltig. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob es gelingt, aus militärischem Erfolg eine strategische Stabilität zu formen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF
Samstag, 05 Juli 2025