Hisbollah marschiert bewaffnet durch Beirut

Hisbollah marschiert bewaffnet durch Beirut


Mitten in Beirut marschiert eine bewaffnete Miliz – nicht heimlich, sondern als Demonstration der Macht. Die Hisbollah zeigt, wem der Libanon gehört. Und die libanesische Gesellschaft reagiert entsetzt – mit Recht.

Hisbollah marschiert bewaffnet durch Beirut

Ein bewaffneter Aufmarsch in der Hauptstadt – organisiert nicht vom Staat, sondern von der Hisbollah. Was sich dieser Tage im zentralen al-Hamra-Viertel von Beirut abspielte, ist keine Fußnote libanesischer Innenpolitik, sondern ein Fanal: Dutzende Kämpfer der vom Iran gesteuerten Terrororganisation zogen mit militärischer Disziplin, Uniformen und schweren Waffen durch ein belebtes Wohn- und Geschäftsviertel. Videos und Fotos dieses Aufmarsches verbreiteten sich rasch in sozialen Netzwerken – und lösten im In- und Ausland scharfe Reaktionen aus.

Denn wer glaubt, die Hisbollah zeige ihre Waffen nur an der Grenze zu Israel oder in militärischen Trainingslagern, der wurde in diesen Tagen eines Besseren belehrt. Die Botschaft: Wir sind überall. Wir machen keine Anstalten, uns zu verstecken. Und niemand im Libanon hat die Macht, uns aufzuhalten.

Machtinszenierung statt Rückzug

Laut arabischen Medienberichten findet der martialische Auftritt vor dem Hintergrund interner Diskussionen innerhalb der Hisbollah statt. Die Organisation prüfe demnach, ob ihre über Jahre angehäuften schweren Waffen – darunter Raketenarsenale und Panzerabwehrsysteme – zunehmend zur politischen Last werden. In Erwägung gezogen werde, diese symbolisch zu reduzieren, um den Anschein eines Entgegenkommens zu wahren. Tatsächlich wolle man aber das taktische Repertoire behalten: Leichte Raketen, Granatwerfer, Minen, Anti-Tank-Waffen – alles, was den „Widerstand“ glaubwürdig hält, ohne internationale Sanktionen weiter zu provozieren.

Doch der Aufmarsch in Beirut zeigt: Von einer tatsächlichen Entwaffnung ist die Hisbollah weit entfernt. Im Gegenteil – sie wählt gezielt die Orte ihrer Auftritte. Die symbolträchtige al-Hamra-Straße, jahrzehntelang ein Zentrum für Intellektuelle, Künstler, Oppositionelle – ist heute Bühne für eine schiitische Miliz, die sich längst nicht mehr als Schattenmacht versteht, sondern als faktische Autorität über Leben, Sicherheit und Angst im Libanon.

Druck von außen, Ohnmacht von innen

Gleichzeitig wächst der internationale Druck. Der US-Sondergesandte für Syrien, Thomas Barak, soll laut Berichten bei mehreren Treffen mit libanesischen Vertretern klargestellt haben: Nur der Staat dürfe das Gewaltmonopol tragen. Milizen wie die Hisbollah müssten vollständig entwaffnet werden, wenn Libanon je wieder volle Souveränität und internationale Unterstützung erlangen wolle. Diese Forderung, seit Jahren bekannt, wurde in jüngsten Gesprächen erneut bekräftigt – und soll im Juli nochmals im Fokus stehen.

Doch innerhalb des Libanon fehlt es an politischer Durchsetzungskraft. Die Hisbollah ist längst Teil des politischen Systems. Ihre Verbündeten kontrollieren Ministerien, Parlamentssitze – und mit Einschüchterung und Loyalitätsnetzwerken auch ganze Städte und Regionen. Die Folge: ein Staat, der auf dem Papier existiert, aber auf der Straße machtlos ist. Und eine Gesellschaft, die zwischen Wut, Angst und Resignation schwankt.

Eine Nation in Geiselhaft

Die Wucht der Reaktionen auf den Aufmarsch war dennoch deutlich. Viele Libanesen erinnerten sich an die dunklen Kapitel des Bürgerkriegs, an Phasen militanter Gewalt, an die Besetzung Westbeiruts durch Hisbollah-Kräfte im Jahr 2008. Der bewaffnete Marsch löst keine Bewunderung aus – sondern Erinnerungen. Und Albträume. Die Vorstellung, dass Bewaffnete wieder offen durch Beirut marschieren, ist für viele Libanesen kein Zeichen von Stärke, sondern von Staatsversagen.

Der Aufmarsch mag eine Reaktion auf den jüngsten Waffenstillstand zwischen Israel und Iran gewesen sein, den viele Hisbollah-Anhänger öffentlich als „iranischen Sieg“ feierten. Doch was in Teheran als Triumph inszeniert wurde, offenbart im Libanon die tiefe Krise: Eine Gesellschaft, die politisch gelähmt ist, wirtschaftlich am Abgrund steht, und sich mit einer Miliz arrangieren muss, die längst mehr Macht besitzt als jede staatliche Institution.

Was bleibt, ist ein bitterer Eindruck: Die Hisbollah führt nicht nur einen militärischen Parallelstaat – sie triumphiert damit sogar auf offener Straße. Der Marsch in Hamra war keine Provokation gegen Israel. Es war eine Warnung an die eigene Bevölkerung: Wir sind hier. Wir gehen nicht. Und niemand hält uns auf.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild: By Khamenei.ir, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65505314


Samstag, 05 Juli 2025

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