Vier Tote, kein Zufall – Die Schweiz im Fadenkreuz des Mullah-Regimes

Vier Tote, kein Zufall – Die Schweiz im Fadenkreuz des Mullah-Regimes


Ein neuer SRF-Bericht offenbart: Mehrere mysteriöse Todesfälle von Schweizer Diplomaten in Iran deuten auf systematische Einschüchterung hin. Die Rolle der Schweiz als diplomatischer Vertreter der USA in Teheran macht sie zum Feindbild der Revolutionsgarden – mit tödlichen Konsequenzen.

Vier Tote, kein Zufall – Die Schweiz im Fadenkreuz des Mullah-Regimes

Was geschieht hinter verschlossenen Türen des iranischen Machtapparats, wenn selbst neutrale Staaten wie die Schweiz unter Verdacht geraten, ein Arm des Westens zu sein? Eine neue, brisante Untersuchung des Schweizer Rundfunks (SRF) wirft ein düsteres Licht auf eine beunruhigende Serie von Todesfällen, Übergriffen und Einschüchterungen, von denen Schweizer Diplomaten und Bürger in Iran betroffen sind. Im Zentrum steht dabei die Schweizer Botschaft in Teheran, die seit Jahren als offizieller Vertreter der US-amerikanischen Interessen fungiert – eine Rolle, die sie offenbar zum Ziel des paranoiden Regimes macht.

Mindestens vier Vorfälle mit Todesfolge oder schweren Verletzungen werfen dieselbe verstörende Frage auf: Handelt es sich um zufällige Einzelfälle – oder um eine gezielte Strategie des iranischen Regimes, das die Schweiz für ihre Vermittlungsrolle bestrafen will?

Im Mai 2021 stirbt Sylvie Brunner, Vizechefin der Schweizer Botschaft in Teheran, bei einem angeblichen Sturz aus dem 17. Stock eines Hochhauses. Was zunächst wie ein tragisches Unglück erscheint, wird schnell zur geheimdienstlichen Nebelwand: Ein iranischer Sprecher, der öffentlich Selbstmord ausschloss, wird kurzerhand entlassen. Das Verfahren wird in Iran zügig eingestellt.

Die Schweiz hingegen leitete ein Tötungsdeliktverfahren ein – gab es aber im November 2024 ergebnislos auf. Zu viele Lücken, zu viele Hindernisse. Die Familie Brunners berichtet von Einschüchterungen durch iranische Agenten, die offenbar gezielt in ihre Wohnung eindrangen und Spuren hinterließen. Ein angeblicher Abschiedsbrief – ohne Unterschrift – bleibt das einzige „Beweismittel“. Die Obduktion ergibt: Tod durch Sturz, ja – aber keine inneren Organe, keine Flüssigkeiten, kein Zugang zum Tatort. Ein unabhängiger Experte kommt zu dem Schluss: Suizid sei möglich, ein Verbrechen aber keinesfalls ausgeschlossen.

SRF gelingt ein Coup: In Deutschland spürt das Team einen Ex-Agenten des iranischen Geheimdienstes auf. Was er zu berichten hat, könnte aus einem Spionageroman stammen – doch seine Aussagen decken sich mit einem Muster, das bereits andere Iran-Beobachter beschreiben. „Es war Mord. Eine Operation, die schiefgelaufen ist,“ sagt der ehemalige Offizier. Er beschuldigt direkt die Revolutionsgarden, die Schweizer Botschaft als verdeckten CIA-Stützpunkt zu betrachten.

Dokumente hat der Informant nicht. Doch seine Schilderungen reihen sich in ein beunruhigendes Gesamtbild ein: In Teheran wird jede Nähe zum Westen mit Spionage gleichgesetzt. Und wer diese Nähe repräsentiert, lebt gefährlich – auch mit Schweizer Pass.

Im Jahr 2023 stirbt ein Schweizer Militärattaché, ein ranghoher Oberst mit nachrichtendienstlicher Erfahrung, nach einem angeblichen Zusammenbruch in einem Teheraner Hotel. Der Iran spricht von einem „Schwächeanfall“, von Kopf- und Bauchverletzungen – schweigt sich ansonsten aus. Der Mann wird nach Hause gebracht, stirbt dort wenig später.

 

Ein weiterer Fall: Ein Botschaftsangestellter wird auf dem Weg zur Arbeit brutal niedergestochen. Die iranischen Behörden erklären den Angriff lapidar zum „zufälligen Raubüberfall“. Experten winken ab: solche Straßenkriminalität ist in Teheran nahezu unbekannt, vor allem in der Nähe diplomatischer Einrichtungen, die rund um die Uhr überwacht werden.

 

Noch tragischer endet der Fall eines Schweizer Touristen, der bei einer Rundreise verhaftet wird, weil er ein militärisches Gelände fotografierte – und angeblich Bodenproben entnahm. Iran beschuldigt ihn der Spionage, lässt ihn zwei Monate ohne Kontakt zur Schweizer Botschaft einsitzen – und meldet dann seinen „Suizid in Haft“. Die Leiche wird unter strengster Überwachung in die Schweiz überstellt, eine Autopsie läuft noch.

Ein „Zufall“? Ein weiteres tragisches Missverständnis? Oder die Konsequenz einer paranoiden Staatsdoktrin, die jeden westlichen Kontakt als feindlichen Akt wertet?

Alle Opfer hatten eines gemeinsam: Sie standen in direkter Verbindung zur Schweizer Botschaft in Teheran, die seit Jahrzehnten in ihrer einzigartigen Rolle als diplomatischer Stellvertreter der USA fungiert. Diese Funktion – gerade in Zeiten wachsender Spannungen mit Washington – macht die Schweiz zu einem sichtbaren, verwundbaren Ziel.

Monika Schmutz Kirgöz, die Nahost-Direktorin im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), erkennt die Gefahr zwar an, vermeidet aber klare Worte: „Natürlich bringt uns die Vertretung der USA Sichtbarkeit. Doch ich würde nicht sagen, dass die Vorfälle damit in direktem Zusammenhang stehen.“

SRF kommt zu einem anderen Schluss: In den Augen des iranischen Sicherheitsapparats ist die Schweiz längst keine neutrale Mittlerin mehr – sondern ein trojanisches Pferd der USA. Und als solches wird sie bekämpft – nicht mit diplomatischen Protestnoten, sondern mit Einschüchterung, Überwachung, Gewalt.

Die Erkenntnisse aus dem SRF-Bericht sind erschütternd. Vier Menschen tot oder schwer verletzt. Keine offenen Verfahren. Keine Kooperation aus Teheran. Keine Antworten – nur ein lähmendes Schweigen auf diplomatischen Kanälen.

In einer Welt, in der die Schweiz als Inbegriff der Neutralität galt, ist sie im Iran zur Symbolfigur westlicher Einflussnahme geworden – und damit zur Zielscheibe einer autoritären Staatsdoktrin, die nicht nur eigene Bürger unterdrückt, sondern auch vor gezielter Gewalt gegen Ausländer nicht zurückschreckt.

Wenn schon Diplomaten ermordet werden, ohne dass die internationale Gemeinschaft reagiert – was bedeutet das für all jene, die keine offizielle Funktion haben? Für Journalisten, Entwicklungshelfer, Forscher?

Der Fall Brunner, der tote Attaché, der erstochene Mitarbeiter, der verschwundene Tourist – sie sind keine Einzelfälle. Sie sind ein Symptom eines Systems, das seine Gegner nicht debattiert, sondern eliminieren will. Und das tut es – mit kalter Systematik.

Was bleibt, ist die Einsicht: Neutralität schützt nicht vor Verfolgung, wenn sie als Feindbild konstruiert wird. Die Schweiz mag ihre Worte noch diplomatisch wählen. Doch die Realität in Teheran ist nicht mehr neutral. Sie ist tödlich.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild Pixabay


Samstag, 05 Juli 2025

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