Raus aus Ramallah – ein Scheich fordert Israels HandRaus aus Ramallah – ein Scheich fordert Israels Hand
Sheikh Wadee’ Jaabari will die Palästinensische Autonomiebehörde aus Hebron vertreiben und mit Israel Frieden schließen. Was wie ein Märchen klingt, ist der härteste Angriff auf die PA seit Jahrzehnten – und ein möglicher Neubeginn.
Im Süden Hebrons, dort, wo die Hügel scheinbar ewig stillstehen, weht ein neuer, fast revolutionärer Wind. In einer roten Zeremonienzelthalle, umgeben von Sand, Früchten und drei herumtollenden Kindern, sprach einer der einflussreichsten Männer der Region Worte aus, die in Ramallah wie ein Donnerschlag klingen müssen: Die Zeit der Palästinensischen Autonomiebehörde ist vorbei.
Sheikh Wadee’ al-Jaabari, 48 Jahre alt, Oberhaupt eines der ältesten und mächtigsten arabischen Clans in Hebron, will einen Separatfrieden mit Israel. Er strebt an, was er die „Emirate von Hebron“ nennt – ein Modell nach Art der Abraham-Abkommen, ohne Terror, ohne PA, ohne Rückkehrrecht. Stattdessen: Anerkennung Israels als jüdischer Staat, wirtschaftliche Kooperation, Ruhe durch Clan-Gesetze.
Ein Machtwort aus dem Süden
Der „Post“-Reporter traf Jaabari, bekannt als Abu Sanad, in dessen traditionellem Empfangszelt – mit goldverziertem Gewand, zeremoniellen Ringen und einem Blick, der klarmacht: Dieser Mann meint es ernst. Er behauptet, rund 78 % der Bevölkerung im Großraum Hebron hinter sich zu haben – fast 700.000 Menschen. Und das nicht erst seit gestern: Der Jaabari-Clan hatte bereits 2007 ein PA-Polizeirevier angezündet und 34 Beamte als Geiseln genommen – aus Rache für die Tötung eines Clanmitglieds. Seitdem duldet man in Hebron die PA nur noch am Rande.
Nun will Jaabari endgültig einen Schlussstrich ziehen. Mit Israels Hilfe. Und er stellt Bedingungen: Rückkehr von Arbeitserlaubnissen, wirtschaftliche Sonderzonen, und – besonders brisant – Anteile an Gebieten der Zone C, die derzeit unter israelischer Kontrolle stehen. Es ist ein politisches Tauschgeschäft mit gewaltigem Sprengstoff.
Ein Bruch, der alles verändern könnte
Der Plan ist Teil einer größeren Vision. Nicht nur Hebron, auch Nablus, Bethlehem, Jericho, Qalqilya, Tulkarem, Jenin – ja sogar Ramallah – sollen in eine Art föderale „Emirate“ umgewandelt werden. Eine Struktur, die sich an die Vereinigten Arabischen Emirate anlehnt – alte Clans statt korrupter Behörden. Für Jaabari ist die PA ein Fremdkörper: ein aus Tunesien importiertes System, das sich wie ein Parasit auf jahrhundertealte Stammesstrukturen gelegt habe.
Im israelischen Establishment ist die Initiative hochumstritten. Premierminister Netanyahu hält sich bewusst bedeckt. Der Shin Bet lehnt die Idee kategorisch ab. Zu groß sei das Risiko einer unkontrollierbaren Zersplitterung, einer palästinensischen Machtspirale mit ungewissem Ende. Auch die IDF verlässt sich lieber auf die bekannte – wenn auch oft dysfunktionale – Zusammenarbeit mit der PA. Die Furcht vor einem neuen Bürgerkrieg in der Westbank ist real.
Doch Jaabari winkt ab. Er könne die PA in Hebron „innerhalb von Stunden“ beseitigen – und zwar mit „minimalem Blutvergießen“. Viele der dort stationierten PA-Offiziere seien ohnehin Teil seines Clans. Ruhe, so sagt er, garantiere nicht die Behörde – sondern die Ehre.
Eine neue Realität nach dem 7. Oktober
Was diese Initiative so radikal macht: Sie ist ein Kind der Zeit nach dem Massaker vom 7. Oktober. Jaabari hat erkannt, dass das Projekt eines unabhängigen Palästinenserstaats spätestens seit dem Hamas-Terror keinen Rückhalt mehr in Israel hat. Für ihn ist klar: Die Zwei-Staaten-Lösung ist tot – und mit ihr die Legitimität der PA.
Sein Vorschlag mag wie eine Utopie klingen – doch er trifft einen wunden Punkt. Während Europa und weite Teile der Welt noch an Oslo und die 1967er-Grenzen glauben, haben viele Palästinenser vor Ort längst das Vertrauen in die PA verloren. Die Hamas ist ihnen zu brutal, die PA zu schwach und korrupt. Was bleibt? Lokale Führer, die funktionieren, weil sie vor Ort verwurzelt sind – nicht in Genfer Konferenzsälen.
Wagen oder warten?
Ob Jaabaris Angebot ein ehrlicher Friedensplan oder ein geschickter Machtzug ist, wird sich zeigen. Dass Israel sich mit Clans anstelle von Bürokraten einlässt, birgt Risiken. Aber auch Chancen. Wer den Status quo für untragbar hält, muss neue Wege denken – auch wenn sie unbequem sind.
Vielleicht ist es Zeit, genau das zu tun: dem alten Denken über Ramallah und Gaza, Oslo und Genf Lebewohl zu sagen – und mit jenen zu reden, die realen Einfluss auf dem Boden haben.
Denn in einem Landstrich, in dem seit Jahrzehnten Friedenspläne scheitern, ist ein neues Angebot nicht naiv. Es ist überfällig.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Sonntag, 06 Juli 2025