Zwölf türkische Soldaten sterben bei Gasunfall – und Erdogan spricht mit Kurdenpartei über FriedenZwölf türkische Soldaten sterben bei Gasunfall – und Erdogan spricht mit Kurdenpartei über Frieden
Ein tragischer Zwischenfall bei der Suche nach einem toten Kameraden erschüttert die Türkei – zeitgleich wird über ein historisches Friedensangebot verhandelt.
Es sollte eine stille Mission des Gedenkens sein – doch sie endete in einer Katastrophe. Bei einer Operation zur Bergung der sterblichen Überreste eines gefallenen Soldaten im Nordirak sind am Sonntag zwölf türkische Soldaten ums Leben gekommen. Der Grund: Methangas, das sich in einem unterirdischen Höhlensystem angestaut hatte. Mehrere weitere Soldaten wurden verletzt und befinden sich in medizinischer Behandlung. Die Höhle liegt in einer Region, in der die Türkei regelmäßig Operationen gegen die PKK durchführt.
Der Vorfall, den das türkische Verteidigungsministerium am Montag bestätigte, wirft ein grelles Licht auf den jahrzehntelangen, verlustreichen Konflikt zwischen der Türkei und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und er fällt zusammen mit einem politischen Moment, der kaum symbolträchtiger sein könnte.
Ein „historisches“ Treffen in Ankara – Friedensgespräche mit der PKK?
Wenige Stunden nach Bekanntwerden der tödlichen Tragödie trifft sich Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Ankara mit Vertretern der pro-kurdischen Partei DEM – dem politischen Arm jener Kräfte, die eine friedliche Lösung des kurdischen Konflikts anstreben. Die Partei, drittstärkste Kraft im Parlament, spielt eine zentrale Rolle im Prozess der möglichen Entwaffnung der PKK.
Der Hintergrund: Die PKK hatte im Mai 2025 überraschend ihre Bereitschaft zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes erklärt. Bereits im Februar hatte ihr inhaftierter Anführer Abdullah Öcalan zu einer politischen Lösung aufgerufen. Am Sonntag nun besuchte eine DEM-Delegation Öcalan im Gefängnis – und erhielt seine ausdrückliche Unterstützung für das Treffen mit Erdoğan. Er nannte es laut Parteiaussage „historisch“.
Hoffnung auf ein Ende von vier Jahrzehnten Gewalt
Seit 1984 führt die PKK einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat – ursprünglich mit dem Ziel eines unabhängigen Kurdistans. Über 40.000 Menschen verloren in diesem Krieg ihr Leben. Hunderttausende wurden vertrieben, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden sind kaum zu beziffern.
Schon früher gab es Anläufe zu einem Friedensprozess – insbesondere zwischen 2013 und 2015 –, doch sie scheiterten am Misstrauen beider Seiten und an neuen Wellen der Gewalt. Nun scheint sich das Blatt zu wenden: Laut Insiderquellen bereitet die PKK tatsächlich konkrete Schritte zur Entwaffnung vor. Erste Waffenlager könnten in den kommenden Tagen übergeben werden. Die DEM-Partei übernimmt in diesem hochsensiblen Prozess die Vermittlerrolle zwischen der Regierung und der PKK.
Erdoğans Treffen mit DEM wird von beiden Seiten als Schlüsselmoment gewertet. Es ist das erste direkte Gespräch auf dieser Ebene seit Jahren – und es könnte über Erfolg oder Scheitern des gesamten Friedensprozesses entscheiden.
Der doppelte Schmerz: Militärische Opfer und politischer Aufbruch
Der Tod der zwölf Soldaten überschattet diesen Moment. Es handelt sich nicht um Kampfopfer im engeren Sinn – sie starben bei dem Versuch, einem gefallenen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen. Doch genau dieser tragische Kontext offenbart die Absurdität und Erschöpfung des jahrzehntelangen Konflikts. Die Gefahren lauern längst nicht mehr nur in Feuergefechten – sondern auch in den vergessenen, verminten Höhlen einer zermürbten Region.
Erdoğan steht nun zwischen zwei Fronten: der Trauer um die toten Soldaten, die in der konservativen Öffentlichkeit einen hohen Stellenwert haben – und der Chance, das seit Jahren offene Kapitel des kurdischen Aufstands endlich zu schließen. Wie die türkische Regierung diesen Spagat meistert, wird sich schon in den kommenden Tagen zeigen.
Ein Frieden mit vielen Fragezeichen
Trotz der optimistischen Töne ist die Lage fragil. Die PKK ist keine zentralisierte Organisation, und nicht alle Kommandeure im Gebirge dürften bereit sein, ihre Waffen niederzulegen. Der Einfluss Irans, Syriens und irakischer Kurdenmilizen auf die PKK ist schwer kalkulierbar. Auch im Inneren der Türkei gibt es starke Kräfte – insbesondere aus dem nationalistischen Lager – die jede Annäherung an die PKK strikt ablehnen.
Zugleich steht DEM unter Druck: Die Partei muss beweisen, dass sie nicht nur Sprachrohr der kurdischen Anliegen ist, sondern auch glaubwürdig vermitteln kann – ohne sich der Regierung anzubiedern oder die Forderungen der eigenen Wählerschaft zu verraten.
Zwischen Schmerz und Hoffnung
Der Gasunfall im Nordirak hat eine Lücke in viele Familien gerissen – und er zeigt, wie lebensgefährlich selbst scheinbar harmlose Einsätze in einem Jahrzehnte alten Kriegsgebiet noch immer sind. Doch vielleicht – so bitter es klingt – kann gerade dieser Vorfall den Weg ebnen für einen neuen Nachdenkprozess. Die Frage, die sich viele stellen: Muss noch mehr Blut vergossen werden, um zu erkennen, dass dieser Konflikt keine militärische Lösung kennt?
Erdogan und die DEM-Partei haben jetzt die Chance, Geschichte zu schreiben – nicht mit neuen Schlagzeilen über Tote, sondern mit einem mutigen Schritt in Richtung Versöhnung. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die Türkei bereit ist, diesen Schritt zu gehen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Montag, 07 Juli 2025