Umfrage in Israel: Bennett auf dem Vormarsch – Netanjahu verliert an RückhaltUmfrage in Israel: Bennett auf dem Vormarsch – Netanjahu verliert an Rückhalt
Während Premierminister Netanjahu und der Likud weiter verlieren, drängt Ex-Premier Naftali Bennett mit seiner neuen Partei „Bennett 2026“ an die Spitze der Opposition. Eine klare Mehrheit wünscht sich einen Wechsel.
Inmitten politischer Unsicherheit, stockender Geiselverhandlungen und wachsender Frustration über die Regierung Netanjahu bringt eine neue Umfrage der „Lazar Research Group“ im Auftrag von Maariv die politische Landschaft Israels ins Wanken. Demnach verliert Netanjahus Likud gleich drei Sitze – auf nur noch 24 Mandate. Zeitgleich klettert Bennetts neue politische Formation auf bemerkenswerte 25 Sitze. Damit wird aus einer Personalfrage eine Machtfrage.
Der Preis der Stagnation
Die Umfrage wurde unmittelbar nach Netanjahus umstrittener USA-Reise und den zwischenzeitlich optimistischen Berichten über einen möglichen Geisel-Deal durchgeführt. Doch aus der vermeintlichen diplomatischen Offensive wurde ein Bumerang: Die Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln aus Gaza stagnieren erneut – und der politische Kredit des Premierministers schmilzt.
Besonders bitter für Netanjahu: Selbst aus seinem eigenen Lager verliert er Stimmen an den ultranationalistischen Koalitionspartner Bezalel Smotrich. Dessen Partei „Religiöser Zionismus“, die bei früheren Umfragen noch an der Sperrklausel zu scheitern drohte, überschreitet diese nun knapp mit vier Sitzen – offenbar auf Kosten des Likud.
Bennetts Comeback: Kalkuliert und kraftvoll
Der große Gewinner der Stunde ist Naftali Bennett. Der ehemalige Premier, der sich 2022 zunächst aus der aktiven Politik zurückzog, feiert nun sein Comeback unter dem Projektnamen „Bennett 2026“. Seine Rückkehr ist offenbar wohl vorbereitet – und trifft einen Nerv in der Gesellschaft. Vor allem moderate Rechte, enttäuschte Mitte-Wähler und pragmatische Siedler zeigen sich ansprechbar für sein sicherheitsorientiertes, aber staatstragendes Profil.
Die Umfrage zeigt: Würde heute gewählt, käme ein von Bennett geführter Oppositionsblock auf 59 Sitze – also acht mehr als Netanjahus Koalition (51). Zwar reicht das nicht für eine eigene Regierungsbildung, aber es signalisiert den tiefgreifenden Wunsch nach politischem Wandel.
Politisches Vakuum: Wohin tendiert Eizenkot?
Eine offene Variable bleibt der populäre Ex-General Gadi Eizenkot. Etwa ein Drittel der Befragten äußerte Unsicherheit darüber, welcher politischen Kraft er sich anschließen sollte. 27 % wünschen sich ihn an Bennetts Seite, 9 % sehen ihn lieber bei Yair Lapid (Yesh Atid), ebenso viele bei Avigdor Lieberman. Ganze 21 % plädieren sogar dafür, dass Eizenkot eine eigene Partei gründet – ein beachtlicher Vertrauensvorschuss für einen Parteineuling.
Diese Zahlen offenbaren nicht nur eine Führungskrise innerhalb der bestehenden Parteien, sondern auch ein Vakuum an glaubwürdiger, sicherheitsorientierter Mitte.
Der Kampf um die Geiseln: Trump oder Netanjahu?
Ein weiterer interessanter Aspekt der Umfrage betrifft die Wahrnehmung des israelischen Umgangs mit den in Gaza verbliebenen Geiseln. Während knapp die Hälfte der Befragten vorsichtigen Optimismus äußert, sind 37 % pessimistisch, 16 % unentschlossen. Auffällig ist der parteipolitische Unterschied: Unter Koalitionswählern sind 61 % zuversichtlich, bei Oppositionsanhängern überwiegt hingegen der Zweifel.
Auch bei der Frage, wer sich stärker für die Rückkehr der Geiseln engagiere – Netanjahu oder Ex-US-Präsident Donald Trump – liegt der israelische Premier mit 51 % vorne. Trump kommt immerhin auf 34 %, was seine anhaltende Popularität in Teilen der israelischen Gesellschaft unterstreicht.
Zwischen Verfall und Veränderung
Diese Umfrage ist weit mehr als ein Stimmungstest – sie ist ein Warnsignal. Die Regierungskoalition wirkt erschöpft, ideologisch fragmentiert und zunehmend realitätsfern. Der Likud, jahrzehntelang die dominante Kraft in Israels Politik, wird erstmals sichtbar von einer neuen Kraft überholt, die ihre Wurzeln in der pragmatischen Rechten hat, aber nicht in sektiererischer Ideologie.
Der politische Moment scheint reif für eine Neudefinition von Führung in Israel. Eine Führung, die Sicherheit nicht als Selbstzweck begreift, sondern als Mittel zur Stabilität. Eine Führung, die nicht in Zynismus und Machterhalt versteinert, sondern auf den Willen der Bevölkerung hört – und die Geiseln nicht vergisst.
Die eigentliche Wahl ist längst im Gange: Die zwischen Verantwortung und Verweigerung. Zwischen Erneuerung und Stillstand. Und wie so oft in der Geschichte Israels – zwischen Hoffnung und Angst.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von צילום: איציק אדרי, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9405344
Freitag, 11 Juli 2025