Blutige Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen in Sweida

Blutige Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen in Sweida


Über 30 Tote, mehr als 100 Verletzte: In der syrischen Provinz Sweida ist ein neuer, erbarmungsloser Konflikt zwischen Minderheiten ausgebrochen. Was als Entführung begann, entwickelt sich nun zu einem Flächenbrand mit historischen, religiösen und politischen Sprengsätzen.

Blutige Kämpfe zwischen Drusen und Beduinen in Sweida

Die Stadt Sweida, einst ruhiges Zentrum der syrischen Drusen im Süden des Landes, ist am Montagmorgen in einen neuen Abgrund gestürzt. Über 30 Menschen wurden bei erbitterten Kämpfen zwischen bewaffneten Drusen und sunnitischen Beduinenkämpfern getötet, mehr als 100 weitere verletzt. Das syrische Innenministerium bestätigte die Zahlen, sprach von einem „gefährlichen Ausbruch sektiererischer Gewalt“ und kündigte eine direkte Intervention der Sicherheitskräfte an.

Was sich hier abspielt, ist weit mehr als ein lokaler Gewaltausbruch. Es ist ein dramatischer Beweis dafür, wie zerbrechlich das syrische Staatsgefüge nach dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 geworden ist – und wie tief das Land im Sog rivalisierender Identitäten, ungelöster Rechnungen und neuen Machtkämpfen steckt.

Entführungen als Auslöser – alte Rechnungen im Hintergrund

Den ersten Funken dieser Eskalation entzündete offenbar die Entführung eines drusischen Kaufmanns auf der Schnellstraße zwischen Damaskus und Sweida am Freitag. Innerhalb weniger Stunden entbrannte eine Welle von Racheakten, Vergeltungsangriffen und regelrechten Feuergefechten, die sich am Wochenende auf mehrere Viertel der Stadt ausweiteten. Besonders betroffen: das Maqwas-Viertel im Osten Sweidas – eine Gegend, die mehrheitlich von Beduinen bewohnt wird.

Bewaffnete Drusenmilizen umstellten das Viertel und übernahmen schließlich die Kontrolle. Im Gegenzug griffen Beduinenstämme drusische Dörfer im Westen und Norden der Stadt an. Ein Reporter der lokalen Nachrichtenseite Suwayda24 schildert die Lage als „außer Kontrolle“: „Dieser Kreislauf der Gewalt ist in einer furchtbaren Weise explodiert – wenn er nicht gestoppt wird, steuern wir auf ein Blutbad zu.“

Syriens neue Realität nach Assad – zerbrechlich und gefährlich

Seit der Sturz von Bashar al-Assad vor sieben Monaten ist Syrien nicht etwa zur Ruhe gekommen. Im Gegenteil: Der Rückzug des diktatorischen Machtzentrums hat ein Vakuum hinterlassen, das zunehmend von regionalen Milizen, religiösen Gruppierungen und Stammesführern gefüllt wird. Der neue Machtkampf ist weniger politisch als identitär – und er ist brutal.

Bereits im März wurden hunderte Alawiten, die einst als Rückgrat des Assad-Regimes galten, in Vergeltungsangriffen islamistischer Rebellen getötet. Im April kam es in Jaramana, östlich von Damaskus, zu heftigen Kämpfen zwischen sunnitischen Kämpfern und drusischen Anwohnern – Vorboten des jetzigen Infernos.

Sweida war lange Zeit von der schlimmsten Gewalt des syrischen Bürgerkriegs verschont geblieben. Die Stadt galt als autonom, aber friedlich. Das hat sich nun schlagartig geändert.

Drusen zwischen allen Fronten

Die Drusen, eine religiöse Minderheit mit starken Wurzeln im südlichen Syrien, sind in der neuen Nachkriegsordnung Syriens besonders exponiert. Unter Assad hatten sie einen prekären Schutzstatus – loyal, aber nicht zu mächtig. Jetzt sind sie auf sich allein gestellt, verteidigen ihre Gebiete bewaffnet und versuchen, einen Platz in einem Syrien zu finden, das sie zunehmend ausschließt.

Die jüngste Gewalt zeigt: Die religiöse und ethnische Fragmentierung Syriens schreitet voran – und wird immer tödlicher. Die Beduinen in der Region, oft marginalisiert und selbst misstrauisch gegenüber staatlicher Autorität, scheinen sich zunehmend mit islamistischen Kräften zu verbinden, um Einfluss zu sichern. In einem solchen Klima kann jede Entführung, jedes Gerücht und jeder Schusswechsel einen Flächenbrand entfachen.

Internationale Zurückhaltung – und israelisches Interesse

Die syrische Übergangsregierung in Damaskus zeigt sich bislang überfordert. Zwar kündigte das Innenministerium am Montagmorgen eine militärische Intervention in Sweida an, doch ob diese gelingt, ist fraglich. Viele lokale Milizen betrachten die neuen syrischen Sicherheitskräfte als schwach oder illegitim – einige sogar als feindlich.

Israel wiederum beobachtet die Eskalation mit Sorge – und mit Notwendigkeit. Die Drusen in Syrien haben über Jahrzehnte enge Kontakte zu ihren Glaubensgeschwistern in Israel gepflegt. In der Vergangenheit erhielten verwundete Drusen aus Syrien medizinische Hilfe von der IDF. Die Eskalation im Süden Syriens rückt diese humanitären Kanäle wieder ins Blickfeld – und stellt Jerusalem vor neue strategische Überlegungen.

Die Vorstellung, dass nach dem Sturz Assads automatisch Frieden einkehrt, hat sich einmal mehr als Illusion erwiesen. Was Syrien derzeit erlebt, ist kein klassischer Bürgerkrieg, sondern ein asymmetrisches Ringen um Identität, Ressourcen und Sicherheit. Die Kämpfe in Sweida sind ein düsteres Signal: Auch in scheinbar stabilen Regionen kann binnen Stunden die Gewalt explodieren.

Die internationale Gemeinschaft, die nach dem Ende des Assad-Regimes vor allem auf wirtschaftliche Wiederaufbauprojekte und diplomatische Anerkennung fokussiert war, wird sich nun wohl neu orientieren müssen. Syrien ist nicht auf dem Weg zur Stabilität – sondern zur Fragmentierung.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild By Elizabeth Arrott - A View of Syria, Under Government Crackdown. VOA News photo gallery, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18118377


Montag, 14 Juli 2025

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