Druzen durchbrechen Israels Grenze: Aufstand in As-Suwaida erreicht den NordenDruzen durchbrechen Israels Grenze: Aufstand in As-Suwaida erreicht den Norden
Nach der Tötung von Dutzenden Drusen in Syrien eskaliert die Lage: Hunderte drusische Israelis reißen den Grenzzaun nieder – und setzen ein Zeichen tiefer Verbundenheit. Israel steht vor einer sicherheitspolitischen Gratwanderung.
Die Ereignisse vom Morgen des 16. Juli markieren einen seltenen Moment innerdruzischer Mobilisierung über Staatsgrenzen hinweg – und konfrontieren Israel mit einer prekären Lage. Ausgelöst wurde die Eskalation durch einen massiven Angriff syrischer Sicherheitskräfte auf das Dorf Al-Qurayya nahe As-Suwaida. Lokale drusische Milizen dort hatten sich zuvor monatelang gegen das Assad-Regime aufgelehnt, das die Region wirtschaftlich, politisch und militärisch marginalisiert. Am Dienstag jedoch griffen syrische Streitkräfte überraschend an – laut Angaben lokaler Aktivisten starben dabei mehr als 20 Drusen.
Die Bilder der Toten verbreiteten sich rasch in drusischen Netzwerken. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Noch in der Nacht versammelten sich Hunderte Drusen in den Golanhöhen, einige mit israelischer Staatsbürgerschaft, andere mit Aufenthaltsstatus. Als die Proteste am Morgen an Fahrt aufnahmen, rissen Dutzende unter ihnen einen Teil des israelischen Grenzzauns nieder – und drangen auf syrisches Gebiet vor.
Israels Verteidigungsministerium bestätigte in einer ersten Stellungnahme das Eindringen drusischer Demonstranten in syrisches Territorium. Das Militär habe sie "zurückgedrängt", hieß es. Eine Konfrontation mit syrischen Kräften sei vermieden worden. Nach Angaben des israelischen Nachrichtensenders N12 verhielt sich die Armee vor Ort zunächst zurückhaltend, bevor sie größere Einheiten zur Eindämmung entsandte.
Gleichzeitig flog die israelische Luftwaffe in der Nacht zuvor offenbar gezielte Angriffe auf syrisches Territorium – unter anderem auf Militärposten, die mit der Hisbollah in Verbindung stehen sollen. Die Verbindung zwischen den Luftschlägen und der Situation in As-Suwaida ist nicht bestätigt, doch israelische Sicherheitskreise sehen die Destabilisierung der Region zunehmend auch als strategisches Risiko.
Was die Lage besonders sensibel macht: In As-Suwaida kämpfen Drusen nicht nur gegen das Assad-Regime, sondern zunehmend auch gegen pro-iranische Milizen, darunter Hisbollah-Einheiten, die in der Region aktiv sind. Für Israel bedeutet das eine doppelte Herausforderung. Einerseits gilt es, Ruhe entlang der Grenze zu bewahren – auch angesichts der explosiven innenpolitischen Stimmung unter den Drusen in Israel. Andererseits birgt jede Intervention das Risiko, in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt zu werden.
Die israelische Regierung beobachtet die Situation mit wachsender Sorge. Premierminister Netanjahu berief am Morgen ein Sicherheitsbriefing ein, Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach laut N12 von „einer hochsensiblen Lage, die politische Zurückhaltung und militärische Klarheit erfordert.“ Gleichzeitig betonte er, dass Israel kein Interesse daran habe, sich in den innerdruzischen Konflikt in Syrien einzumischen.
Doch viele Drusen in Israel empfinden das anders. Für sie ist der Angriff auf As-Suwaida nicht nur ein Angriff auf syrische Glaubensbrüder – sondern ein Angriff auf ihr kollektives Selbstverständnis. Der Ruf nach Solidarität, nach Handlung, nach Schutz wird laut. In sozialen Netzwerken kursieren Bilder der getöteten Kämpfer, begleitet von Aufrufen zur Reaktion.
Die drusische Gemeinschaft in Israel steht traditionell fest an der Seite des Staates. Viele dienen in der Armee, in Eliteeinheiten, in Führungspositionen. Doch wenn sie den Eindruck gewinnen, dass Israel ihre Verwandten in Syrien ignoriert, könnte sich dieses Verhältnis abkühlen – nicht ideologisch, sondern emotional.
Die Sicherheitslage bleibt angespannt. Am Nachmittag beruhigte sich die Situation an der Grenze zunächst. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Die Ereignisse in As-Suwaida haben eine emotionale Linie überschritten – und stellen Israel vor eine komplexe Entscheidung: Zuschauen oder eingreifen? Deeskalieren oder signalisieren?
Autor: Redaktion
Bild Quelle: N12
Mittwoch, 16 Juli 2025