Waffenstillstand in Syrien: Israels Warnung, amerikanischer Druck und das Ende eines gefährlichen MissverständnissesWaffenstillstand in Syrien: Israels Warnung, amerikanischer Druck und das Ende eines gefährlichen Missverständnisses
Nach Tagen blutiger Gefechte im Süden Syriens ist ein landesweiter Waffenstillstand verkündet worden. Über 300 Tote in der Region Sweida, darunter zahlreiche Zivilisten, waren die Folge einer dramatischen Eskalation innerhalb der drusischen Minderheit – ausgelöst durch Misstrauen, Desinformation und brutale Gegenschläge. Doch entschieden wurde dieser Waffenstillstand nicht allein in Damaskus: Israel intervenierte verdeckt, die USA warnten offen. Und plötzlich erinnerte sich auch die syrische Regierung an ihre Verantwortung.
Der Bürgerkrieg in Syrien galt in den letzten Jahren als eingefroren. Die großen Fronten erstarrt, die internationale Aufmerksamkeit längst abgewandert. Doch das, was in der vergangenen Woche in der Region Sweida geschah, stellte diese Illusion brutal in Frage: Mehr als 300 Menschen wurden getötet, viele davon drusische Kämpfer, die sich zuvor als neutral verstanden hatten – als Teil einer Gemeinschaft, die stets zwischen den Linien überlebt hatte.
Auslöser der Eskalation war eine Reihe von Missverständnissen, Gerüchten und gezielten Desinformationen, die sich wie ein Lauffeuer in der drusischen Bevölkerung verbreiteten. Lokale Milizen, die eigentlich der Wahrung der eigenen Sicherheit dienten, sahen sich plötzlich konfrontiert mit dem Vorwurf, sie seien Kollaborateure der Regierung – oder aber Ziel eines angeblichen Angriffs durch Assad-treue Kräfte. In diesem toxischen Klima begannen bewaffnete Auseinandersetzungen, bei denen sich staatliche und paramilitärische Kräfte auf brutale Weise durchsetzten.
Israel griff ein – im Verborgenen
Was das Regime offenbar unterschätzt hatte, war die emotionale, religiöse und sicherheitspolitische Relevanz der drusischen Frage für Israel. Seit Jahrzehnten bestehen enge familiäre, kulturelle und politische Verbindungen zwischen den Drusen in Galiläa und dem Golan auf der einen Seite und ihren Glaubensgeschwistern in Syrien und dem Libanon auf der anderen. Der israelische Geheimdienst verfolgte die Eskalation in Sweida mit großer Sorge – auch weil man wusste, wie schnell sich lokale Konflikte in großflächige Flächenbrände verwandeln können.
Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten setzte Jerusalem diplomatische Kanäle in Bewegung – und entsandte zugleich klare militärische Signale. Mehrere Kampfdrohnen, angeblich gegen iranische Konvois im Raum Damaskus eingesetzt, dürften auch als stille Warnung an das Assad-Regime verstanden worden sein: Die Lage in Sweida ist für Israel nicht nur „eine interne syrische Angelegenheit“.
Gleichzeitig verstärkten israelische Politiker in Hintergrundgesprächen mit amerikanischen und europäischen Partnern den Druck auf Damaskus – nicht aus Mitleid, sondern aus strategischer Kalkulation. Ein destabilisiertes Drusen-Gebiet könnte zu einer neuen Flüchtlingswelle führen, zu einem Machtvakuum für radikale Gruppen oder zu einer Ausweitung iranischer Milizpräsenz – alles Szenarien, die man in Jerusalem unbedingt verhindern will.
Washingtons Worte, Moskaus Schweigen
Während Israel handelte, intervenierte Washington verbal – aber unmissverständlich. Das US-Außenministerium erklärte, man sei „zutiefst besorgt über die Entwicklungen in Südsyrien“ und fordere „alle Parteien zur sofortigen Deeskalation“ auf. Die USA, die seit Jahren mit dem Drusenmilizführer Ahmad al-Julani einen faktischen Gesprächskanal unterhalten, machten deutlich, dass ein massives Vorgehen gegen die drusische Bevölkerung internationale Konsequenzen haben würde.
Derweil schwieg Moskau. Der Kreml, der lange als Schutzmacht Assads agierte, hat sich durch den Krieg in der Ukraine und innenpolitische Spannungen weitgehend aus der aktiven Syrienpolitik zurückgezogen. Genau dieses Vakuum füllen derzeit andere – darunter der Iran, aber eben auch Israel.
Die syrische Regierung, von eigenen Problemen zermürbt, verstand die Botschaft: In einer offiziellen Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Damaskus wurde am Freitagabend ein „umfassender, sofortiger und landesweiter Waffenstillstand“ verkündet. Gleichzeitig betonte man, dass die „legitimen Anliegen aller Bürger“ respektiert würden – eine bemerkenswerte Wortwahl für ein Regime, das selten Verständnis für lokale Proteste zeigte.
Die Drusen zwischen den Fronten
Für die drusische Bevölkerung Syriens ist dieser Waffenstillstand ein zögerlicher Hoffnungsschimmer – aber kein Grund zur Entwarnung. Das Vertrauen in Damaskus ist schwer beschädigt, die lokale Autonomie der Region Sweida durch die jüngsten Ereignisse infrage gestellt. Gleichzeitig wissen die drusischen Führer um ihre gefährliche Position: Sie sind zu klein, um unabhängig zu sein, aber zu stolz, um sich offen einer Seite zu unterwerfen.
Julani selbst, der lange als pragmatischer Vermittler zwischen dem Assad-Regime, Israel und lokalen Interessen galt, steht unter Druck. Ihm wird vorgeworfen, zu spät auf die Eskalation reagiert zu haben. Gleichzeitig wissen viele, dass seine Position als Vermittler gegenüber Israel und den USA in diesen Tagen womöglich den Unterschied zwischen einer Krise und einer Katastrophe ausmachte.
Zwischen Frieden und Vorbereitung auf das nächste Mal
Der nun verkündete Waffenstillstand ist ein diplomatischer Erfolg – aber auch eine Warnung. In Syrien genügt ein Funke, um ein lokales Feuer zu entfachen, das ganze Regionen verwüstet. Die internationale Gemeinschaft, insbesondere Israel und die USA, haben diesmal schnell reagiert. Doch die strukturellen Probleme bleiben: Ein schwaches Regime, regionale Spannungen, und eine tief verunsicherte Bevölkerung.
Was bleibt, ist eine Einsicht: Frieden entsteht nicht aus Schweigen, sondern aus Aufmerksamkeit. Und manchmal aus der Entschlossenheit außenstehender Akteure, das Schlimmste zu verhindern.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Presidency of the Syrian Arab Republic - Presidency of the Syrian Arab Republic, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=168234900
Samstag, 19 Juli 2025