Waffenruhe auf Zeit – Israel setzt in weiten Teilen Gazas militärische Angriffe ausWaffenruhe auf Zeit – Israel setzt in weiten Teilen Gazas militärische Angriffe aus
Die israelische Armee erklärt mehrere Gebiete im Gazastreifen zur täglich feuerfreien Zone – offiziell für humanitäre Hilfe, faktisch aber mit weitreichenden Konsequenzen für Israels Handlungsfreiheit. Hamas gibt dafür nichts auf.
Die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) haben am Sonntag bekannt gegeben, dass es ab sofort täglich zwischen 10:00 und 20:00 Uhr in mehreren Teilen des Gazastreifens lokale Waffenruhen geben wird – und zwar „bis auf Weiteres“. Die betroffenen Regionen umfassen zentrale und stark besiedelte Gebiete: das Küstenareal al-Muwasi im südlichen Zentralgaza, Deir al-Balah im Zentrum sowie Stadtgebiete im Norden von Gaza.
Die Mitteilung spricht von gezielten Pausen zur „Erweiterung der Lebensmittelversorgung für die Zivilbevölkerung“. Doch obwohl die Armee bemüht war, den Schritt als eng begrenzte Maßnahme darzustellen, lässt sich das tatsächliche Ausmaß kaum kleinreden: Zusammengenommen handelt es sich um ungefähr 25 % des gesamten Gazastreifens – jene Gebiete also, in denen sich fast die gesamte verbliebene Bevölkerung befindet. Und auch die Hamas ist dort massiv präsent.
Die Erklärung der IDF gibt keine klare Zeitbegrenzung an – die Formulierung „bis auf Weiteres“ öffnet die Tür für eine mögliche Dauer von Wochen oder sogar Monaten. Die Maßnahme stellt damit eine markante Zäsur dar, denn sie verengt die militärischen Handlungsoptionen Israels in einem Moment, in dem sich Hamas keinerlei Zugeständnisse abringen ließ.
Anders gesagt: Israel erklärt freiwillig große Teile des Gazastreifens zu Zonen, in denen kein Beschuss stattfindet – in einer Phase, in der Hamas keine Geiseln freilässt, keine Waffenruhe vereinbart hat und keinerlei Bereitschaft zu einem Kompromiss zeigt. Jeder Terrorist, der sich in eines dieser Gebiete begibt, kann sich dort faktisch sicher fühlen. Wer also von anderen Fronten dorthin verlegt wird, entzieht sich Israels Zugriff.
Die IDF hat gleichzeitig bestätigt, dass internationale Hilfsorganisationen ihre Zugänge zu diesen Gebieten erweitern dürfen. Um diese neuen Routen zu sichern, müssten ganze Areale als feuerfreie Zonen behandelt werden. Je nach Auslegung könnten somit 35 % bis 50 % des Gazastreifens unter eine tägliche Waffenruhe fallen – ein erheblicher Teil des Territoriums, wohlgemerkt ohne politische Gegenleistung.

Der Schritt folgt massiver internationaler Kritik an Israel, insbesondere von UN-Organisationen, westlichen Medien und Hilfsgruppen, die eine humanitäre Katastrophe anprangern. Die IDF hat diese Vorwürfe stets zurückgewiesen, aber eingeräumt, dass die Versorgungslage für Zivilisten sich zugespitzt hat. Dennoch zeigt sich in dieser Maßnahme eine Kehrtwende: Ähnlich wie in der Zeit von Januar bis März – als Geiselverhandlungen geführt und Hilfslieferungen verstärkt wurden – scheint Israel nun erneut in die Defensive zu geraten.
Die Frage bleibt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben – nicht nur taktisch, sondern auch strategisch. Hamas kontrolliert weiterhin große Teile Gazas, profitiert vom Schutz der Zivilbevölkerung, verhindert regelmäßig die Verteilung von Hilfsgütern und verstärkt gleichzeitig ihr Netzwerk. Eine Waffenruhe, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, könnte das Kräfteverhältnis verschieben – und Israels Fähigkeit, die Hamas entscheidend zu schwächen, erheblich einschränken.
Die israelische Führung steht nun vor einem bekannten Dilemma: Menschlichkeit gegenüber der eigenen Sicherheit, moralische Verantwortung gegenüber militärischer Notwendigkeit. Das Ziel, die Zivilbevölkerung zu schützen, ist ehrenwert – doch wenn dieser Schutz dem Feind sichere Rückzugsräume verschafft, droht daraus ein gefährlicher Präzedenzfall zu werden.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF
Sonntag, 27 Juli 2025