Ben Gvir stellt das Ultimatum – Smotrich droht mit Abgang: Israels Rechte gegen NetanyahuBen Gvir stellt das Ultimatum – Smotrich droht mit Abgang: Israels Rechte gegen Netanyahu
Die Entscheidung Netanyahus zur humanitären Pause in Gaza bringt Smotrich und Ben Gvir gegen ihn auf – droht nun das Ende der Regierung?
Finanzminister Bezalel Smotrich erwägt ernsthaft seinen Rücktritt aus der Regierung, sein Verbündeter Itamar Ben Gvir fordert ein Ultimatum gegen Premierminister Netanyahu. Der Grund: Eine Entscheidung zur Öffnung humanitärer Korridore nach Gaza, getroffen ohne Rücksprache mit den beiden extrem rechten Ministern. Doch dahinter verbirgt sich weit mehr als ein Streit über Lebensmitteltransporte: Es geht um das politische Überleben Netanyahus – und vielleicht um den Beginn eines neuen israelischen Wahlkampfs.
Eine Entscheidung – viele Fronten
Als Premierminister Netanyahu am Wochenende einer temporären humanitären Feuerpause in Gaza zustimmte, traf er diese Entscheidung im kleinen Kreis. Weder Smotrich noch Ben Gvir waren eingebunden. Aus Regierungskreisen heißt es, der Schritt sei unter erheblichem diplomatischen Druck erfolgt: Israels Außenminister Gideon Sa’ar und der Botschafter in Washington, Yehiel Leiter, hätten in einer internen Sitzung eindringlich vor einer außenpolitischen „Totalerosion“ gewarnt. Die Regierung stehe international mit dem Rücken zur Wand – insbesondere in Washington.
Diese Einschätzung überzeugte Netanyahu offenbar. Doch für seine Koalitionspartner vom religiös-nationalistischen Rand war die Maßnahme ein Affront – und ein Warnsignal. In ihren Augen könnte die Maßnahme das Einleiten eines strategischen Kurswechsels bedeuten: weg vom vollständigen Sieg über die Hamas, hin zu einem möglichen Waffenstillstand oder gar zu einem Gefangenenaustausch. Für Smotrich und Ben Gvir wäre das Verrat am Kriegsziel.
Smotrichs Schweigen – und was es bedeuten könnte
Öffentlich hat Bezalel Smotrich bislang geschwiegen. Doch hinter den Kulissen, so berichtet N12, erwägt er ernsthaft seinen Rücktritt – falls sich herausstellt, dass die Entscheidung Netanyahus Teil einer umfassenderen strategischen Kehrtwende ist. Sollte hingegen glaubhaft gemacht werden, dass weiterhin das Ziel der völligen Zerschlagung der Hamas verfolgt werde, wolle er im Amt bleiben.
Diese Differenzierung ist kein Zufall. Smotrich, der sich selbst als „ideologischen Realisten“ bezeichnet, will sich weder vorzeitig aus der Regierung verabschieden noch den Eindruck eines bloßen Störers vermitteln. Doch sein politisches Überleben hängt davon ab, dass er nicht als Komplize eines politischen Kompromisses wahrgenommen wird, den seine Wählerschaft als Kapitulation ansieht.
Ben Gvir drängt zum Bruch
Anders Itamar Ben Gvir. Der Sicherheitsminister, der ohnehin seit Wochen auf Krawall gebürstet ist, drängt offen auf einen gemeinsamen Block mit Smotrich, um Netanyahu ein Ultimatum zu stellen: Sollte auch nur die Möglichkeit eines Gefangenenaustauschs oder eines Waffenstillstands weiter auf dem Tisch bleiben, müsse man die Regierung verlassen.
Ben Gvir hat bereits Rabbiner eingeschaltet, um zusätzlichen religiösen Druck aufzubauen – eine Strategie, die Smotrich bislang ablehnt. Er bezeichnete die Idee eines Ultimatums als „unverantwortlich“ und sieht sie als politischen Affront. Doch Ben Gvir bleibt bei seiner Linie und stellt klar: Wer in dieser Regierung bleibt, macht sich mitverantwortlich für eine „strategische Kapitulation“.
Taktisches Kalkül oder Zerreißprobe?
Die Idee eines gemeinsamen Blockierens entstand ursprünglich aus dem Kalkül, dass ein einzelner Rücktritt nicht zum Sturz der Regierung führen würde. Doch nachdem zuletzt die ultraorthodoxen Parteien aufgrund des Wehrdienstgesetzes aus der Koalition ausschieden, könnte ein Austritt eines weiteren rechten Ministers zum Regierungsende führen. Das wissen alle Beteiligten – und genau darin liegt die politische Sprengkraft des Moments.
Ein führender Vertreter des rechten Lagers warnt bereits vor der Eskalation: „Dauerhafte Drohungen schwächen die Drohenden – aber vor allem die Regierung, die vor historischen Entscheidungen steht.“ Und weiter: „Wenn das so weitergeht, sollten wir lieber Neuwahlen ansetzen und die verbleibenden Monate nutzen, um in Gaza, bei der Geiselbefreiung und in der Frage der Normalisierung mit arabischen Staaten endlich das zu tun, was wirklich nötig ist.“
Die außenpolitische Dimension
Was außenpolitisch wie ein taktischer Schritt Netanyahus erscheint, offenbart die tiefe Abhängigkeit Israels vom Rückhalt der USA. Der Bericht von N12 zeigt: In der internen Sitzung mit Außenminister Sa’ar und dem Botschafter in Washington wurde klargemacht, dass Israel ohne glaubwürdiges humanitäres Signal kurz vor einer totalen diplomatischen Isolation steht. Die Beziehungen zu den USA, die gerade in der Phase sensibler Sicherheitskooperationen (Iran, Rotes Meer, Syrien) entscheidend sind, könnten irreparablen Schaden nehmen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Sonntag, 27 Juli 2025