Wie Schwarzmarkt, Gewalt und internationale Naivität den Hunger in Gaza verschärfen

Wie Schwarzmarkt, Gewalt und internationale Naivität den Hunger in Gaza verschärfen


Während arabische Staaten tonnenweise Hilfsgüter abwerfen, landen Zucker, Mehl und Öl nicht bei den Hungrigen, sondern auf den Schwarzmärkten.

Wie Schwarzmarkt, Gewalt und internationale Naivität den Hunger in Gaza verschärfen

Die internationale Gemeinschaft lässt täglich Flugzeuge über Gaza kreisen. Sie werfen Kisten mit Lebensmitteln ab: Mehl, Zucker, Öl, Kaffee, Konserven. Was nach Hilfe klingt, ist für viele Bewohner der Enklave längst zur Farce geworden. Denn kaum berühren die Hilfsgüter den Boden, schlagen bewaffnete Gruppen zu, entreißen die Ware den dafür vorgesehenen Verteilzentren und schleusen sie in ein Schattenreich des Elends: den Schwarzmarkt von Gaza. Dort werden die Hilfsgüter – gespendet, geflogen, bezahlt – in Gold aufgewogen. Wer arm ist, geht leer aus. Wer Einfluss oder Waffen hat, verdient.

Ein Liter Speiseöl kostet auf den Märkten bis zu 250 Schekel – rund 62,50 Euro. Ein Kilo Zucker 400 Schekel – 100 Euro. Eine einzelne Banane 17 Schekel – mehr als vier Euro. Und all das in einer Region, in der die meisten Menschen kaum noch über regelmäßiges Einkommen verfügen. Diese Preise sind nicht nur absurd. Sie sind eine direkte Folge der politischen Realität im Gazastreifen – und Ausdruck eines moralischen Versagens, das von vielen Regierungen, Medien und Hilfsorganisationen in erschütternder Gleichgültigkeit übersehen wird.

Einzelpreise auf dem Schwarzmarkt in Gaza

Produkt Preis in Schekel Preis in Euro (gerundet)
1 Liter Speiseöl 250 ILS ca. 62,50 €
1 kg Zucker 400 ILS ca. 100,00 €
1 Banane 17 ILS ca. 4,25 €
1 kg Zitrone 100 ILS ca. 25,00 €
1 kg Mango 200 ILS ca. 50,00 €
1 kg Datteln (gelb) 160 ILS ca. 40,00 €
1 kg Mehl 40 ILS ca. 10,00 €
1 kg Gurken 90 ILS ca. 22,50 €
1 kg Tomaten 100 ILS ca. 25,00 €
1 kg Auberginen 45 ILS ca. 11,25 €
1 kg Zwiebeln 80 ILS ca. 20,00 €
1 kg Trauben 120 ILS ca. 30,00 €
1 kg Feigen 120 ILS ca. 30,00 €
1 kg Linsen 30 ILS ca. 7,50 €
1 Päckchen Kaffee 500 ILS ca. 125,00 €
1 Dose Thunfisch 30 ILS ca. 7,50 €
1 kg Salz 10 ILS ca. 2,50 €

Wenn Hilfe zur Beute wird

Die Bilder sind eindeutig. In Videos, die in den sozialen Netzwerken kursieren, sieht man bewaffnete Männer auf LKWs springen, Hilfspakete herunterzerren, ganze Lastwagen mit Gewalt umlenken. Augenzeugen aus dem Norden Gazas berichten, dass selbst Mehl – eigentlich das Lebenselixier der notleidenden Bevölkerung – gezielt auf den Straßen ausgeschüttet wird. Warum? Weil Zucker, Öl und Konserven teurer sind. Mehl ist nur Ballast für die Plünderer.

Das Ergebnis ist grotesk: Während Flugzeuge aus Jordanien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten fast täglich Dutzende Tonnen an Nahrungsmitteln abwerfen – allein am Dienstag waren es 52 Hilfspakete von vier ägyptischen Transportmaschinen – steigt die Not der Menschen weiter. Die Hungernden stehen mit leeren Taschen da. Die Mächtigen bunkern die Ware in privaten Lagern. Verkauft wird sie nicht nach Bedürftigkeit, sondern nach Geldbeutel.

Die Armut der Vielen, der Reichtum der Wenigen

Wer sich auf den Märkten von Gaza umsieht, erkennt schnell das Muster: Die Preise sind willkürlich, die Unterschiede zwischen den Regionen enorm. In Khan Yunis, wo viele LKWs aus dem Süden ankommen, sind die Preise „moderat“. Ein Kilo Mehl kostet dort im Schnitt 25 Schekel (6,25 Euro), ein Liter Öl etwa 210 Schekel (52,50 Euro). Doch schon in der Stadt Gaza oder im Zentrum des Streifens explodieren die Preise. In Deir al-Balah kostet dasselbe Kilo Mehl 50 Schekel (12,50 Euro), Öl liegt bei 250 Schekel (62,50 Euro). Reis ist in Khan Yunis für 35 Schekel (8,75 Euro) zu haben – im Zentrum hingegen für 80 (20 Euro). Eine einzige Packung Kaffee erreicht Preise von 500 Schekel, also 125 Euro. Das ist mehr als ein durchschnittliches Monatsgehalt in Gaza.

Wer kauft solche Waren? Nur jene, die sich mit der Hamas arrangiert haben, über familiäre Strukturen an Verteilungszentren herankommen oder selbst Teil der bewaffneten Gruppierungen sind. Für die meisten anderen bleibt nur die Hoffnung, irgendwo ein abgelaufenes Päckchen Mehl zu ergattern oder am Straßenrand zu betteln.

Regionale Preisunterschiede

Mehl (1 kg):

  • Nord-Gaza und Gaza-Stadt: 35 ILS = 8,75 €

  • Zentrales Gaza (Deir al-Balah, Flüchtlingslager): 50 ILS = 12,50 €

  • Chan Yunis: 25 ILS = 6,25 €

Speiseöl (1 Liter):

  • Nord-Gaza und Gaza-Stadt: 230 ILS = 57,50 €

  • Zentrales Gaza: 250 ILS = 62,50 €

  • Chan Yunis: 210 ILS = 52,50 €

Reis (1 kg):

  • Nord-Gaza und Gaza-Stadt: 65 ILS = 16,25 €

  • Zentrales Gaza: 80 ILS = 20,00 €

  • Chan Yunis: 35 ILS = 8,75 €

Linsen (1 kg):

  • Nord-Gaza und Gaza-Stadt: 30 ILS = 7,50 €

  • Zentrales Gaza: 40 ILS = 10,00 €

  • Chan Yunis: 20 ILS = 5,00 €

Die Hamas schweigt – und profitiert

Die Hamas, die weiterhin den Gazastreifen mit harter Hand kontrolliert, unternimmt nichts, um diesen Schwarzmarkt zu unterbinden. Im Gegenteil: Sie profitiert direkt davon. Der Verkauf gestohlener Hilfsgüter sichert ihr Zugang zu dringend benötigter Devisen – und stärkt die loyalen Clans und Milizen, die das System am Laufen halten. Jeder gestohlene Sack Reis bedeutet mehr Kontrolle für die Terrororganisation. Jedes Kilogramm Zucker, das auf dem Schwarzmarkt auftaucht, ist ein weiterer Schritt zur systematischen Verhinderung echter Hilfe.

Ein funktionierender Mechanismus zur gerechten Verteilung existiert nicht. Keine Kontrolle, keine Listen, keine unabhängigen Organisationen mit Durchsetzungsvermögen. Wer sich in Gaza gegen die Plünderung wehrt, lebt gefährlich. Wer sie hinnimmt, hungert. Wer davon profitiert, schweigt.

Die Weltöffentlichkeit schaut weg – aus Feigheit oder Bequemlichkeit?

Was bleibt, ist ein moralisches Vakuum. Die westliche Öffentlichkeit beschäftigt sich lieber mit Begriffen wie „Kollektivstrafe“ und „humanitärer Korridor“, ohne sich die Mühe zu machen, nachzufragen, wo die Hilfsgüter wirklich landen. Die Empörung richtet sich oft reflexhaft gegen Israel – als ob Israel dafür verantwortlich wäre, dass arabische Flugzeuge Kisten über Gaza abwerfen, die dann von Hamas-nahen Milizen geplündert und für absurde Preise weiterverkauft werden.

Und die arabische Welt? Sie liefert zwar tonnenweise Hilfsgüter – aber ohne jede Nachverfolgung, ohne Schutzmechanismus, ohne Überprüfung. Es ist eine Geste, kein ernsthafter Versuch, Menschen zu retten. Symbolpolitik statt Verantwortung. PR statt Gerechtigkeit.

Eine Bevölkerung als Geisel der Gewalt und Gleichgültigkeit

Die Menschen in Gaza sind Opfer – aber nicht nur eines Krieges. Sie sind Opfer eines Systems, das humanitäre Hilfe in ein Geschäft verwandelt. Sie sind Opfer einer Führung, die statt Verantwortung nur Kontrolle kennt. Und sie sind Opfer einer Weltöffentlichkeit, die wegschaut, wenn keine Schlagzeile lockt oder das Narrativ zu kompliziert ist.

Es wird Zeit, das klar zu benennen. Hilfe, die nicht ankommt, ist keine Hilfe. Wer Lebensmittel liefert, aber nicht sicherstellt, dass sie bei den Bedürftigen landen, macht sich mitschuldig. Und wer über Gaza schreibt, ohne über den Schwarzmarkt, die Plünderungen und die Macht der Hamas zu sprechen, betreibt nicht Journalismus, sondern beschönigende Bequemlichkeitspropaganda.

Die Wahrheit ist unbequem – aber sie gehört ausgesprochen: Gaza verhungert nicht trotz internationaler Hilfe, sondern auch wegen ihres Missbrauchs. Und solange niemand den Mut hat, dieses System zu durchbrechen, wird die nächste Banane weiter 17 Schekel kosten. Und ein Kind weiter hungrig schlafen.


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: Symbolbild


Mittwoch, 30 Juli 2025

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