Die Farce vom Alleingang – wie Abbas die Oslo-Verträge beerdigen willDie Farce vom Alleingang – wie Abbas die Oslo-Verträge beerdigen will
Mahmoud Abbas will die Palästinensische Autonomiebehörde zur „Staatlichkeit“ erklären – im Alleingang, ohne Verhandlungen, ohne Legitimation. Doch was als strategischer Befreiungsschlag inszeniert wird, könnte in Wahrheit das letzte Zucken eines gescheiterten Projekts sein.
Im Hauptquartier der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah laufen dieser Tage fieberhafte Beratungen. Der 88-jährige Präsident Mahmoud Abbas, international als „Abu Mazen“ bekannt, erwägt einen radikalen Schritt: eine einseitige Ausrufung eines palästinensischen Staates – ohne israelisches Einverständnis, ohne bilaterale Vereinbarung, ohne substanzielle Kontrolle über das beanspruchte Territorium. Es wäre ein dramatischer Bruch mit dem Geist der Oslo-Verträge, auf denen die PA überhaupt erst gegründet wurde.
Der Plan: Pünktlich zur UN-Generalversammlung im September soll die Autonomiebehörde ihre bisherige Identität als rein verwaltungstechnisches Übergangskonstrukt ablegen und sich selbst zur „unabhängigen Staatlichkeit“ erheben – durch eine bloße Erklärung. Keine Wahlen. Keine Institutionen. Kein Gebiet mit souveräner Kontrolle. Kein Friedensvertrag. Nur eine symbolische Geste – mit potenziell explosiver Wirkung.
Auf wessen Boden genau?
Laut einem Bericht des israelischen Journalisten Ehud Yaari (Channel 12) könnte die geplante Erklärung auch die Festlegung „palästinensischer Staatsgrenzen“ enthalten – wohl in Anlehnung an die sogenannte „Grenze von 1967“, also die Waffenstillstandslinien vor dem Sechstagekrieg. Das würde Ostjerusalem, ganz Judäa und Samaria (international „Westjordanland“ genannt) sowie den Gazastreifen einschließen – obwohl die PA real nur Teile von Zone A und B verwaltet, also weniger als 40 % des Gebietes von Judäa und Samaria. Der Gazastreifen hingegen wird seit 2007 von der Hamas kontrolliert, mit der Abbas in einem tiefen Machtkampf steht.
Wie genau also will man einen Staat ausrufen auf einem Gebiet, das man faktisch gar nicht kontrolliert? Welche Rolle spielen dabei die rund 500.000 jüdischen Israelis, die in den Gebieten leben, die Abbas nun als seinen künftigen Staat beansprucht? Diese Fragen bleiben bislang unbeantwortet – ebenso wie die realistische Perspektive auf eine Umsetzung.
Internationale Bühne, innenpolitische Leere
Die Initiative aus Ramallah wird flankiert von diplomatischer Bewegung im Westen: Länder wie Irland, Norwegen, Spanien und möglicherweise bald auch Frankreich, Kanada oder Australien haben ihre Bereitschaft signalisiert, eine „palästinensische Staatlichkeit“ diplomatisch anzuerkennen – ungeachtet der Tatsache, dass keinerlei funktionierendes Gemeinwesen existiert. Die geplante Erklärung Abbas’ soll deshalb vor allem eines leisten: den politischen Druck auf Israel international weiter erhöhen, indem man eine vollendete Tatsache suggeriert, die es in der Realität nicht gibt.
Gleichzeitig versucht Abbas, durch die mediale Inszenierung der Staatlichkeit von innenpolitischer Bedeutungslosigkeit abzulenken. Die palästinensische Legislative existiert de facto nicht mehr. Wahlen wurden zuletzt 2006 abgehalten – unter internationalem Druck. Die Legitimität von Abbas ist schon lange erodiert. Der Präsident regiert per Dekret, das Vertrauen unter der eigenen Bevölkerung ist auf einem historischen Tiefstand. Eine Umfrage vom Juni 2025 zeigt: Über 70 % der Palästinenser fordern seinen Rücktritt.
In diesem Vakuum erscheint der Ruf nach „Staatlichkeit“ weniger als Aufbruch – und mehr als Verzweiflungsakt.
Rückschritt statt Fortschritt
Die einseitige Erklärung würde einen fundamentalen Bruch mit den Oslo-Verträgen bedeuten – und damit nicht nur eine diplomatische Provokation, sondern eine juristische Herausforderung. Denn die Existenz der PA basiert vollständig auf diesen Vereinbarungen. Wenn sich Abbas nun davon einseitig lossagt, bedeutet das auch: Die Rechtsgrundlage für die PA als legitimen Akteur würde verschwinden – mit unvorhersehbaren Konsequenzen.
Israel müsste in einem solchen Fall neu bewerten, ob es überhaupt noch verpflichtet ist, mit der PA zu kooperieren – sei es bei zivilen Angelegenheiten, bei Sicherheitsfragen oder im wirtschaftlichen Austausch. Auch die internationale Gemeinschaft, insbesondere die Geberstaaten der EU, müssten sich dann fragen: Wem genau fließen hier eigentlich jährlich Hunderte Millionen Euro an Hilfsgeldern zu? Einer Verwaltung? Oder einem selbsternannten „Staat“, der weder Wahlen noch Gewaltenteilung kennt?
Eine „Staatlichkeit“ ohne Voraussetzungen
Es gibt keine Währung, keine funktionsfähige Infrastruktur, keine Rechtsstaatlichkeit, keine Unabhängigkeit von Terrorgruppen wie der Hamas oder dem Islamischen Dschihad. Und doch soll genau das jetzt ein „Staat“ sein?
Mahmoud Abbas selbst äußerte sich in vertraulichen Gesprächen laut Channel 12 zuversichtlich: „In drei bis fünf Jahren wird ein palästinensischer Staat Realität sein.“ Der Glaube an diese Vision scheint jedoch mehr Wunsch als Strategie zu sein. Die Realität vor Ort – von der Spaltung zwischen Ramallah und Gaza über das Erstarken der Hamas bis hin zur Erosion jeglicher Legitimität der PA – spricht eine andere Sprache.
Die Lehre aus der Geschichte
Israel hat mehrfach erklärt: Ein palästinensischer Staat kann nur durch direkte Verhandlungen entstehen – nicht durch symbolische Erklärungen oder internationale Alleingänge. Diese Haltung basiert nicht auf Sturheit, sondern auf Erfahrung. Die letzten Jahrzehnte zeigen: Immer dann, wenn symbolische Siege vor reale Kompromisse gesetzt wurden, folgten Jahre der Stagnation, Gewalt und Enttäuschung.
Die palästinensische Führung hatte unzählige Chancen – von Camp David 2000 über Olmerts Angebot 2008 bis hin zu den Verhandlungen unter Donald Trump. Keine davon wurde genutzt. Stattdessen setzt man nun offenbar erneut auf Konfrontation statt Koexistenz.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48254794
Freitag, 08 August 2025