Ägyptens Wut auf Israel: Diplomatie oder Druckkulisse?

Ägyptens Wut auf Israel: Diplomatie oder Druckkulisse?


Kairo wirft Jerusalem „unverständliches Verhalten“ vor, weil Israel nicht auf den angeblichen Kompromiss der Hamas eingeht. Doch hinter der Empörung steckt mehr als nur Sorge um Geiseln – es geht um Einfluss, Timing und die Bühne für Donald Trump.

Ägyptens Wut auf Israel: Diplomatie oder Druckkulisse?

Die jüngsten Botschaften aus Kairo sind ungewöhnlich scharf. Ägyptische Regierungsvertreter warfen Israel in diesen Tagen „befremdliches und nicht akzeptables Verhalten“ vor. Hintergrund ist die Behauptung, die Hamas habe fast allen Forderungen Netanyahus zugestimmt, während Jerusalem seit über einer Woche keine formelle Antwort gegeben habe. Ein Vorwurf, der die diplomatischen Fronten neu verhärtet – und doch tiefer blicken lässt als es den Anschein hat.

Denn so sehr Ägypten und Katar sich als unermüdliche Vermittler zwischen Israel und Hamas inszenieren: ihre Empörung folgt einem klaren politischen Drehbuch. Kairo fürchtet um seine Rolle als Schlüsselakteur in der Region. Ein erfolgreicher Deal – selbst wenn er nur Teilaspekte umfasst und lediglich eine kleine Gruppe israelischer Geiseln freibekommen würde – soll beweisen, dass ohne Ägyptens Zutun keine Lösung möglich ist. Entsprechend groß ist der Druck, den Präsident al-Sisi nun auf Israel ausübt.

Doch die israelische Zurückhaltung ist kein Zufall. In Jerusalem wächst das Bewusstsein, dass ein vorschnelles Eingehen auf ein „fast vollständiges“ Angebot der Hamas politisch gefährlicher wäre als ein Zögern. Denn was als 98-prozentige Zustimmung verkauft wird, bleibt in der Realität eine strategische Falle: Hamas behält Kontrolle, Hamas diktiert das Tempo, Hamas verschafft sich Zeit zur Reorganisation. Und am Ende würde Israel für eine symbolische Freilassung weniger Geiseln den eigenen militärischen Druck mindern – ein Szenario, das Netanjahu inmitten des laufenden Großangriffs im Rahmen von „Merkavot Gidon B’“ vermeiden will.

Hinter den Kulissen wird zudem offen über ein weiteres Motiv spekuliert: die USA. Nach Berichten der Vermittler könnte die israelische und amerikanische Zurückhaltung damit zusammenhängen, dass Präsident Donald Trump im September nach Israel reisen will. Ein solcher Besuch mit der gleichzeitigen Verkündung eines Geisel-Deals und vielleicht sogar eines Waffenstillstands würde Trump auf der Weltbühne glänzen lassen – und Netanjahu zugleich politischen Rückhalt in Washington sichern. Sollte dies zutreffen, dann ist die ägyptische Kritik vor allem Ausdruck von Frustration, weil Kairo fürchtet, zum Statisten degradiert zu werden.

Dass Jerusalem seinerseits Druckmittel aufbaut, ist unübersehbar. Verteidigungsminister Israel Katz drohte am Wochenende mit nichts weniger als dem „Öffnen der Tore der Hölle“ über den Köpfen der Hamas-Führung. Auch die Zustimmung des Sicherheitskabinetts zu neuen militärischen Plänen signalisiert: Israel will sich nicht in Teillösungen verstricken lassen, sondern strebt weiter eine vollständige Zerschlagung der Hamas an.

Die ägyptischen Vorwürfe über Israels angebliches Schweigen verkennen dabei einen zentralen Punkt: Israel kann sich keine diplomatischen Schnellschüsse leisten, solange mehr als hundert Geiseln in den Händen der Hamas sind und die Terrororganisation unmissverständlich klargemacht hat, dass sie jede Verhandlung taktisch für ihre eigenen Ziele missbraucht. Eine „Teilvereinbarung“ würde zwar kurzfristig Druck aus der Öffentlichkeit nehmen, langfristig jedoch das Überleben der Hamas sichern.

So stehen die Fronten: Kairo drängt auf schnelle Ergebnisse, Katar beklagt mangelnde Gesprächsbereitschaft, Washington spielt auf Zeit – und Jerusalem wägt ab, wie viel Diplomatie es sich leisten kann, ohne das eigene strategische Ziel zu verraten. Für die israelische Regierung bleibt die Priorität unverändert: die Geiseln lebend nach Hause zu bringen und die Hamas zu entwaffnen. Ob dieser Kurs mehr Frust bei den Vermittlern als bei den eigenen Bürgern erzeugt, wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Sicher ist nur eines: Israel wird sich von keiner fremden Hauptstadt diktieren lassen, wann es nachgibt und wann es standhält.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Hildenbrand /MSC - https://securityconference.org/mediathek/asset/abdel-fatah-al-sisi-0902-16-02-2019/, CC BY 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77992419


Mittwoch, 27 August 2025

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