Droht Israel eine Verfassungskrise – oder beweist es seine demokratische Stärke?

Droht Israel eine Verfassungskrise – oder beweist es seine demokratische Stärke?


Das Oberste Gericht und die Regierung liefern sich einen harten Schlagabtausch um die Absetzung der Generalstaatsanwältin. Doch trotz der Spannungen zeigt sich: Israels Demokratie ist lebendig genug, auch diese Bewährungsprobe zu überstehen.

Droht Israel eine Verfassungskrise – oder beweist es seine demokratische Stärke?

Neun Richter des Obersten Gerichts haben einstimmig entschieden: Der Versuch, Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara durch ein eigens geschaffenes Ministerkomitee abzusetzen, widerspricht den Regeln. Das Gericht verweist darauf, dass es seit Jahrzehnten einen etablierten Weg gibt – die Grunis-Kommission. Wer diesen Weg umgeht, stellt nicht nur eine Person infrage, sondern die Verlässlichkeit rechtsstaatlicher Verfahren insgesamt.

Die Regierung reagierte mit scharfen Tönen. Justizminister Yariv Levin sprach davon, sich nicht an ein mögliches Urteil gebunden zu fühlen, Kommunikationsminister Shlomo Karhi erklärte, man müsse einer Entscheidung des Gerichts nicht folgen. Damit rückt erstmals die Möglichkeit ins Blickfeld, dass eine Regierung in Jerusalem ein Urteil offen missachten könnte. Genau darin sehen viele Beobachter die Gefahr einer Verfassungskrise.

Doch nüchtern betrachtet ist eine Krise noch nicht eingetreten. Denn bis heute hat die Regierung kein Urteil verweigert, sondern lediglich Drohungen ausgesprochen. Das ist ernst, aber noch kein Bruch. Die Institutionen Israels arbeiten weiterhin: Das Gericht prüft, die Regierung muss reagieren, und die Öffentlichkeit beobachtet den Prozess mit gespannter Aufmerksamkeit.

Die Frage, ob Baharav-Miara im Amt bleibt, ist mehr als eine Personalentscheidung. Der Generalstaatsanwalt spielt in Israel eine Schlüsselfunktion: Er entscheidet über Ermittlungen gegen Regierungsmitglieder, vertritt den Staat vor Gericht und ist damit ein zentraler Garant für die Rechtsstaatlichkeit. Seine Absetzung nach politischem Gutdünken würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.

Dass das Oberste Gericht so deutlich auftritt, zeigt zweierlei. Zum einen das Bewusstsein, dass hier die Balance der Gewalten selbst auf dem Spiel steht. Zum anderen die Fähigkeit, trotz gesellschaftlicher Spaltung klare Linien zu ziehen. In einer Demokratie ohne schriftliche Verfassung ist es gerade diese Wächterrolle, die das Fundament schützt.

Gleichzeitig zeigt die Debatte, wie lebendig Israels Demokratie ist. Auseinandersetzungen finden nicht hinter verschlossenen Türen statt, sondern offen, unter Beteiligung der Medien und mit großem öffentlichem Interesse. Eine Gesellschaft, die so leidenschaftlich über den richtigen Weg streitet, beweist, dass sie nicht gleichgültig ist. Gerade darin liegt eine Stärke, die autoritäre Systeme nicht kennen: Konflikte werden nicht unterdrückt, sondern ausgetragen.

Am 14. September muss die Regierung offiziell Stellung nehmen. Erst dann wird sichtbar, ob es zur direkten Konfrontation kommt. Sollte die Regierung tatsächlich ein Urteil ignorieren, wäre das ein gefährlicher Bruch. Doch zugleich wäre es auch ein Moment, in dem Israels demokratische Kräfte – Justiz, Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft – ihre Widerstandskraft beweisen könnten.

Israels Demokratie ist keine stille, sondern eine streitbare. Sie ist verletzlich, weil sie ernsthaft um Prinzipien ringt. Doch gerade diese Verletzlichkeit macht sie stark: Sie zwingt alle Beteiligten, Verantwortung zu übernehmen. Es gibt Grund zur Sorge, aber ebenso Grund zur Zuversicht. Israel hat viele Krisen überstanden – auch diese kann es bestehen.


Autor: Redaktion
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Dienstag, 02 September 2025

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