Entscheidungstage in Doha: Hamas unter Druck — Katar und Türkei im Zentrum der Vermittlung

Entscheidungstage in Doha: Hamas unter Druck — Katar und Türkei im Zentrum der Vermittlung


Ein Bericht von N12 zitiert informierte Quellen, wonach Hamas „tendenziell“ zur Annahme des Trump-Plans neigt und binnen kurzer Frist antworten soll. Doch die Kernforderungen — Entwaffnung, internationale Aufsicht, Freilassung aller Geiseln — bedrohen das Fundament der Terrororganisation. Katar und die Türkei drängen auf Zustimmung und festigen damit ihre Rolle als wichtigste Stützen von Hamas.

Entscheidungstage in Doha: Hamas unter Druck — Katar und Türkei im Zentrum der Vermittlung

Als die US-Initiative gestern Abend um 20:30 Uhr MEZ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war schnell klar: Der Streit verlagert sich nun von Washington nach Doha. Nicht das Weiß­haus, sondern die Verhandlungsräume in Katar — und inzwischen auch die diplomatischen Kontakte nach Ankara — werden in den nächsten Tagen den Ton angeben. Dort sitzen nicht nur Vermittler, sondern Akteure, die seit Jahren eine politische und logistische Brücke zu Hamas unterhalten. Genau das macht die aktuelle Phase so brisant: Nicht länger geht es primär um die Inhalte des Trump-Papiers, sondern um die Frage, ob und wie Hamas den Druck von Doha und Ankara widersteht oder nachgibt — mit weitreichenden Konsequenzen.

Doha und Ankara: Vermittler — oder Schutzschirm?

Katar und die Türkei treten nun aktiv als Überbringer und Druckverstärker auf. Das ist kein Zufall: Katar hat in den vergangenen Jahren wiederholt Kontakt zu Hamas-Führern ermöglicht und finanziell operiert; die Türkei bot politischen Rückhalt und Plattformen für Vertreter der Organisation. Diese Historie erklärt, warum Beobachter die Rolle beider Staaten ambivalent sehen: Sie können einer Lösung zum Durchbruch verhelfen — gleichzeitig haben sie ein Eigeninteresse, das die Entwaffnung und strukturelle Schwächung von Hamas erschweren könnte.

Die jüngsten Schritte aus Doha und Ankara sind jedoch nicht zu unterschätzen. Katar mobilisiert intensive Vermittlungsarbeit, und die Türkei hat sich — nach offiziellen Angaben — dem Vermittlerteam angeschlossen. Beide Staaten stehen jetzt vor der Wahl: setzen sie den Druck so, dass eine überprüfbare Deeskalation möglich wird, oder manövrieren sie Hamas in eine Form von kosmetischer Zustimmung, die die Kernmacht der Organisation unangetastet lässt?

Hamas: taktisch gespalten, rhetorisch ablehnend

Aus Gaza kam bereits eine klare Ablehnungslinie — zumindest in der öffentlichen Rhetorik. Ismail al-Thawabta, Leiter des Hamas-Medienbüros in Gaza, nannte den US-Vorschlag auf X einen „Versuch, eine neue Vormundschaft zu errichten“ und rief zur nationalen Einheit gegen das Projekt auf. Solche Formulierungen signalisieren: Offiziell will Hamas das Gerüst der eigenen Macht nicht preisgeben.

Gleichzeitig berichten informierte Quellen, die auch von N12/CBS zitiert werden, dass in internen Kreisen Tendenzen zur Annahme des Plans bestehen könnten — aus dem einfachen, menschlich nachvollziehbaren Grund, die Geiseln nach Hause zu bringen. Ein der Hamas nahestehender Insider nannte die Bedingungen gegenüber Reuters „völlig parteiisch zugunsten Israels“ und „unmöglich“; doch zugleich ist unübersehbar, dass arabische Vermittler massiv an Hamas ziehen. Das Ergebnis: eine taktische Zerrissenheit zwischen politischem Überleben, regionaler Stellung und kurzfristigem humanitärem Druck.

Der Kernkonflikt: Geiselrückkehr versus Entwaffnung

Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen zwei unversöhnliche Anforderungen. Auf der einen Seite die Forderung nach schneller Rückgabe aller Geiseln — ein moralisches und politische Primat für Israel und viele internationale Akteure. Auf der anderen Seite die Bedingungen, die genau dies nur erlauben sollen, wenn gleichzeitig die militärische Basis von Hamas dauerhaft und überprüfbar angegriffen, zerstört oder unter internationale Aufsicht gestellt wird: Abriss von Tunneln, Zerstörung von Waffenfabriken, Nichtbeteiligung bewaffneter Fraktionen an der Übergangsverwaltung, Stationierung eines internationalen Stabilisierungskorps und strikte Überprüfungsmechanismen.

Für Hamas ist das kein technischer Streit: Es steht die Frage, ob die Organisation weiter als bewaffneter Machtfaktor in Gaza bestehen kann. Ein Ja zur vollständigen Entwaffnung unter internationaler Aufsicht würde die politische Identität von Hamas grundlegend beschädigen. Ein Nein aber bedeutet, dass die Geiseln im Inneren der Debatte als Druckmittel verbleiben — womöglich auf Kosten ihres Lebens.

Katar und Türkei unter Beobachtung: Vermittlung mit Nebenwirkungen

Die Rolle Do­has und Ankaras wird in den kommenden Stunden genau beobachtet werden. Vermittlerarbeit kann entscheidend sein, aber sie ist nicht wertneutral: Wer finanziert, beherbergt oder politisch schützt, hat automatisch Hebel. Für Israel und seine Partner besteht die Sorge, dass Doha und Ankara Zugeständnisse aushandeln, die Hamas faktisch weiter die Möglichkeit geben, militärische Kapazitäten zu erhalten — wenn auch in anderer Form.

Die Frage ist daher nicht nur, ob Hamas zustimmt, sondern unter welchen Garantien und welchem Überwachungsregime. Nur eine Vereinbarung mit robusten, unabhängigen, überprüfbaren Mechanismen würde die Sorge lindern, dass Hamas nach einem formalen „Ja“ seine Schlagkraft in anderer Gestalt wiederherstellt.

Was jetzt zählt: Klarheit, Kontrolle, Konsequenzen

Die nächsten 48–72 Stunden werden entscheidend sein. Eine klare, überprüfbare Zusage von Hamas — begleitet von unverrückbaren Überwachungsmechanismen und einem internationalen Sicherheitskorps mit echten Eingriffsrechten — könnte zur Heimkehr der Geiseln führen und eine Atempause schaffen. Bleibt die Reaktion aus oder wird sie verwässert, droht weiter militärische Eskalation.

Für Israel gilt: Die Rückkehr der Geiseln ist nicht verhandelbar — ebenso wenig wie die Notwendigkeit, zukünftige Massaker zu verhindern. Für die Region gilt: Wer ernsthaft die Gewalt eindämmen will, muss darüber hinaus glaubwürdige Garantien liefern, nicht nur politische Deklarationen. Doha und Ankara haben jetzt die Gelegenheit, verbindliche Schritte zu liefern — oder sie laufen Gefahr, als Vermittler mit unklarer Bilanz in die Geschichte dieser Verhandlungsrunde einzugehen.


Autor: Redaktion
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Dienstag, 30 September 2025

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