„Binnen Tagen“? – Jerusalem setzt auf Rückkehr der Geiseln, misstraut der Terrororganisation

„Binnen Tagen“? – Jerusalem setzt auf Rückkehr der Geiseln, misstraut der Terrororganisation


Ein hoher Regierungsberater sieht die Rückführung der Geiseln binnen Tagen möglich: 72 Stunden sollen gelten, sobald Vereinbarungen stehen. Jerusalem koordiniert eng mit Präsident Trump – doch Vertrauen in die Hamas gibt es nicht.

„Binnen Tagen“? – Jerusalem setzt auf Rückkehr der Geiseln, misstraut der Terrororganisation

Ein hoher Vertreter der israelischen Regierung spricht von Tagen, nicht von Monaten: Die Rückführung der Geiseln könne „innerhalb weniger Tage“ erfolgen, so seine Einschätzung. Die Frist von 72 Stunden, die in dem vorgeschlagenen Austauschmechanismus vorgesehen ist, soll ab dem Moment beginnen, in dem beide Seiten eine Einigung erzielt haben. Auf dem Papier klingt das wie ein Triumph der Diplomatie; in Jerusalem liest man die Fakten nüchtern und mit der gebotenen Vorsicht.

Die lange Erfahrung hat die israelische Politik misstrauisch gemacht. Die jetzige Dynamik sei vor allem das Ergebnis massiven Drucks aus der arabischen Welt auf die Terrororganisation sowie der direkten Intervention und des Ultimatums durch Präsident Trump. Das verschafft dem Vorgehen politische Legitimität – und macht zugleich deutlich, dass es nicht rein israelische Initiative ist, sondern ein komplexes Geflecht internationaler Vermittlungen. Der Premierminister arbeite „in voller Koordination“ mit Washington, heißt es; überraschungen sind demnach nicht zu erwarten.

Die Kernfrage bleibt: Was bedeutet „Rückkehr in Tagen“ in der Realität vor Ort? Nach Angaben verschiedener Quellen sollen Delegationen bereits in Kairo zusammentreffen; technische Details, Zeitfenster für die Übergabe und Abläufe zur Bergung von Leichen stehen auf der Tagesordnung. Israel will die Diskussion strikt phasenorientiert führen: Zuerst die Freilassung aller Geiseln, danach erst die Verhandlungen über die heiklen Fragen wie Namen der freizulassenden Gefangenen, Rückzugsrouten der Truppen und mögliche Dauer von Feuerpausen. Diese Staffelung entspricht einem klaren Sicherheitsinteresse: Erst die Menschen, dann die Politik.

Doch die Hamas, als Terrororganisation benannt, verlangt offenbar, klassische Kernfragen an das Tageslicht zu bringen — Entwaffnung, künftige Machtstrukturen in Gaza, internationale Formate für ein Übergangsregime. Jerusalem hat hierfür wenig Spielraum. Jede Zusage, die den Eindruck hinterlässt, Israel gebe Kontrolle über Sicherheit auf, würde die Abschreckung schwächen. Darin liegt die tiefe Spannung: Die Rückkehr der Geiseln ist ein menschliches Gebot, die Wahrung staatlicher Sicherheit existenzielle Pflicht.

Innenpolitisch setzt die Lage Ministerpräsidenten und Koalition massiv unter Druck. Rechte Kräfte warnen vor einem allzu schnellen Zugeständnis, die Opposi­tion und vor allem die Familien der Geiseln drängen auf rasche Ergebnisse. Für sie sind die 72 Stunden kein taktisches Ziel, sondern eine Hoffnung auf Heimkehr. Regierungskreise betonen, dass Listen mit zu entlassenden Gefangenen bereits geprüft werden und dass Karten für taktische Rückzüge vorbereitet werden — doch in vielen Punkten fehlen bisher finale Übereinkünfte.

Die internationale Dimension ist entscheidend. Ägypten und Katar fungieren als Vermittler; amerikanische Sondergesandte werden erwartet. Der Druck der arabischen Staaten hat offenbar dazu geführt, dass die Terrororganisation taktisch nachgibt. Ob es sich dabei um ein ernsthaftes Entgegenkommen oder um ein Manöver zur Gewinnung von Zeit handelt, lässt sich nicht a priori beantworten. Israel geht daher von einem Szenario aus, das beide Möglichkeiten einplant: einen schnellen Erfolg bei der Freilassung, verbunden mit umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen, und zugleich die Bereitschaft, die Kampfhandlungen wieder aufzunehmen, sollte die Vereinbarung scheitern.

Für die israelische Gesellschaft bleibt die Lage eine Zerreißprobe. Hoffnung und Misstrauen liegen dicht beieinander. Jede freigekommene Person ist ein Mensch, ein Familienmitglied, eine Geschichte; zugleich steht hinter den Verhandlungen die Frage der langfristigen Sicherheit und der Verhinderung weiterer Terrorakte. Jerusalem verhandelt daher nicht aus Schwäche, sondern aus der Einsicht heraus, dass Leben zu retten ist, ohne das Land seiner Schutzfähigkeit zu berauben.

Die kommenden Tage werden zeigen, ob Diplomatie und Druck zusammenwirken können, um zunächst humanitäre Ziele zu erreichen, ohne die strategische Lage zu destabilisieren. Sollte die Freilassung tatsächlich binnen 72 Stunden beginnen, wäre das ein historisches Ergebnis – zugleich bleibt klar: Ein Abkommen, das die Terrororganisation überlebensfähig erhält, ist kein Frieden, sondern nur ein Intervall. Israel stellt deshalb die Bedingung, dass sicherheitspolitische Garantien Bestand haben müssen. Nur so lässt sich aus einem kurzfristigen Erfolg ein tragfähiger, längerfristiger Frieden aufbauen.


Autor: Redaktion
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Samstag, 04 Oktober 2025

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