Die Heimkehr der Verschleppten – Israels letzte Geiseln kurz vor der Freiheit

Die Heimkehr der Verschleppten – Israels letzte Geiseln kurz vor der Freiheit


Noch einmal werden in Israel Kerzen angezündet und Listen gelesen. Zwanzig Menschen warten auf ihre Rückkehr aus der Hölle von Gaza. Kurz vor ihrer Freilassung verzichten wir bewusst auf Bilder – und erinnern nur mit Worten.

Die Heimkehr der Verschleppten – Israels letzte Geiseln kurz vor der Freiheit

In den kommenden Stunden, so heißt es aus Jerusalem und Kairo, sollen die letzten 20 noch lebenden israelischen Geiseln freikommen. Manche sind seit 735 Tagen verschwunden, andere wurden zuletzt in Propagandavideos gezeigt – blass, abgemagert, gezwungen, Sätze zu sprechen, die nicht ihre eigenen waren.

Heute verzichten wir auf diese Bilder. Weil sie nichts zeigen, was man sehen sollte.
Weil Menschlichkeit sich nicht über Erniedrigung vermittelt.

In Israel warten Familien mit offenen Herzen und zitternden Händen. Sie zählen keine Tage mehr, nur noch Atemzüge.
Die Regierung bestätigt, dass die Übergabe spätestens Montagmorgen erfolgen soll – unter Aufsicht internationaler Vermittler und des Roten Kreuzes.
Hinter den Kulissen geschieht, was Politik nur selten zulässt: Hoffnung ohne Zynismus.

Namen, die bald wieder gesprochen werden sollen

Gali und Ziv Berman

28 Jahre alt, Zwillingsbrüder aus dem Kibbuz Kfar Aza, beide auch deutsche Staatsbürger. Sie wurden beim Überfall der Hamas aus ihrem Haus verschleppt, getrennt voneinander festgehalten. Freigelassene Geiseln berichteten, dass sie im Februar noch lebten – erschöpft, aber lebendig.
Beide sind begeisterte Fußballfans, lieben Maccabi Tel Aviv und Borussia Dortmund. Ihre Eltern sagen: „Wir haben aufgehört zu zählen, wie viele Male wir denselben Traum hatten – dass sie einfach zur Tür hereinkommen.“

Alon Ohel

24 Jahre alt, Pianist mit israelischer, deutscher und serbischer Staatsbürgerschaft. Beim Nova-Festival entführt, als er in einem mobilen Schutzraum Zuflucht suchte. Eine Explosion verletzte ihn schwer am Auge; seine Familie fürchtet, dass er auf einem Auge erblindet sein könnte.
Alons Großmutter stammt aus Berlin – sie überlebte den Holocaust. Nun wartet sie wieder, dass ein Enkelkind dem Tod entkommt.
Ein Mitgefangener sagte nach seiner Freilassung: „Alon spielte Rhythmen auf einer Metallwand, um sich daran zu erinnern, dass Klang Leben bedeutet.“

Matan Zangauker

25, aus dem Kibbuz Nir Oz. Zusammen mit seiner Freundin Ilana Gritzewsky entführt – sie wurde nach 55 Tagen freigelassen und kämpft seither öffentlich für seine Heimkehr.
Seine Mutter, eine der prominentesten Stimmen unter den Angehörigen, sagt: „Er war immer derjenige, der anderen Mut machte. Jetzt muss unser Mut für ihn reichen.“
Matans Name wurde zu einem Synonym für Geduld, die nicht aufgibt.

Ariel und David Cunio

Zwei Brüder, Ariel (28) und David (35), israelisch-argentinischer Herkunft. Beide wurden mit Davids Frau Sharon und seinen zwei kleinen Töchtern verschleppt. Nur die Familie kam frei.
David ist Schauspieler. Sein Film lief 2013 auf der Berlinale, heute wird sein Name auf Demos in Tel Aviv gerufen. Der israelische Regisseur Tom Shoval drehte über ihn die Dokumentation A Letter to David.
Freunde sagen: „Er war der, der andere zum Lachen brachte. Es ist, als hätte jemand das Licht aus einem Raum genommen.“

Omri Miran

48 Jahre alt, Vater von zwei kleinen Mädchen. Entführt aus dem Kibbuz Nahal Oz. Während des Angriffs hielten Bewaffnete seine Familie in der Küche eines Nachbarhauses fest – und übertrugen das Geschehen live auf Facebook.
Omri wurde verschleppt, sein Nachbar Tsachi Idan ermordet.
Seine Frau Lishay sagt: „Meine jüngere Tochter kennt Papa nur aus Videos – und sie winkt jedes Mal, wenn sie ihn sieht.“

Eitan Horn

39, aus Kfar Saba. Am 7. Oktober besuchte er seinen Bruder Iair im Kibbuz Nir Oz – beide wurden entführt. Monatelang hielt man sie unter der Erde fest, ohne Licht, ohne Wasser, mit drei weiteren Geiseln.
Als Iair freikam, sagte Eitan: „Leb. Einer muss heimkommen.“
Seitdem reist Iair unermüdlich durch Israel und die USA, trifft Politiker, Schüler, Journalisten. Er trägt stets ein leeres Namensschild neben seinem eigenen – für seinen Bruder.

Guy Gilboa-Dalal und Evyatar David

24 Jahre, beste Freunde, entführt vom Nova-Festival.
Die Hamas zwang sie, Videos anderer Freilassungen anzusehen – eine Folter in digitaler Form.
Im August erschien ein weiteres Video: Evyatar, abgemagert, blass, gezwungen zu sprechen, während er sagt, er „grabe sein eigenes Grab“.
Diese Bilder lösten die größten Proteste seit Beginn des Krieges aus. Zehntausende Israelis riefen: „Bringt sie heim.“

Avinatan Or

32, aus Tel Aviv. Entführt vom Nova-Festival zusammen mit seiner Freundin Noa Argamani, deren Befreiung im Sommer weltweit Schlagzeilen machte.
Das Video, in dem Noa schreiend auf einem Motorrad in den Gazastreifen verschleppt wird, wurde zum Symbol des 7. Oktober.
Noas erste Worte nach ihrer Rettung lauteten: „Vergesst Avinatan nicht.“
Seitdem ist sein Name Teil jedes Gebets für die Rückkehr der Geiseln.

Bar Kuperstein

23, Krankenpfleger bei der Armee, beim Nova-Festival als Sanitäter tätig.
Zeugen berichten, er blieb vor Ort, um Verwundete zu versorgen.
Sein Vater Tal war nach einem Unfall jahrelang gelähmt und stumm – erst kürzlich begann er wieder zu sprechen. Sein erster Satz: „Ich will, dass Bar das hört, wenn er zurückkommt.“

Eitan Mor

25, Sicherheitshelfer beim Festival, ebenfalls verschleppt.
Seine Eltern gründeten das Tikva Forum, eine Gemeinschaft von Angehörigen, die auf militärischen Druck statt auf Zugeständnisse setzt.
Sein Vater sagt: „Unser Sohn ist Soldat. Er weiß, dass Israel ihn nicht vergisst.“

Rom Braslavski

21, deutsch-israelischer Sicherheitsmitarbeiter. Entführt, als er Besucher in Sicherheit bringen wollte.
Im August tauchte ein Video des Islamischen Dschihad auf – Rom, abgemagert, mit Verletzungen am Fuß, flehend um Hilfe.
Seine Eltern in Tel Aviv stellen jeden Abend Wasser ans Fenster. „Für den Fall, dass er Durst hat, wenn er zurückkommt.“

Josef-Chaim Ohana

25, Barkeeper, ebenfalls beim Nova-Festival.
Er half anderen bei der Flucht, bevor er selbst entführt wurde.
In einem von der Hamas erzwungenen Video sagte er: „Ein ganzes Land will, dass dieser Albtraum endet.“
Seine Freunde nennen ihn „den Fröhlichen“ – weil er selbst in Panik noch anderen Mut machte.

Elkana Bohbot

36, Vater eines kleinen Sohnes, arbeitete beim Festival als Techniker.
Mehrere Videos zeigten ihn unter Zwang – nie lächelnd, immer still.
Seine Frau Rebecca schreibt seit zwei Jahren täglich auf Instagram: „Ich kämpfe für sein Leben, jeden Tag aufs Neue.“

Nimrod Cohen

21, Soldat, entführt aus einem Panzer in Südisrael. Drei seiner Kameraden wurden getötet.
Eine freigelassene Geisel übermittelte seinen Eltern: „Ich liebe euch, habt keine Angst um mich.“
Seit seiner Entführung feiert die Familie keine Feiertage mehr. Sie sagt: „Wir sparen uns die Freude auf, bis er wieder da ist.“

Maxim Herkin

37, ursprünglich aus der Ukraine, Vater einer kleinen Tochter.
Kurz vor seiner Entführung schrieb er seiner Mutter: „Ich liebe dich.“
Später tauchte ein erzwungenes Video auf – Maxim sagt darin: „Wir fühlen uns nicht wie Menschen.“
Seine Frau sagte kürzlich: „Er glaubte immer, das Gute gewinne. Vielleicht hat er ja recht.“

Matan Angrest

22, Soldat, aus einem brennenden Panzer verschleppt.
Zeugen berichten, er sei angekettet und geschlagen worden. Seine Familie protestiert seit Monaten mit seiner Uniformjacke auf den Schultern.
„Er diente, weil er glaubte, dass man nie allein kämpft“, sagt seine Mutter.

Segev Kalfon

27, Bäcker aus der Negev-Wüste. Beim Festival entführt, als er versuchte, über die Autobahn zu fliehen.
Er litt an einer diagnostizierten Angststörung – ein Umstand, der seine Gefangenschaft doppelt grausam machte.
Freigelassene berichteten, er habe monatelang mit ihnen im selben Verlies gesessen.
Seine Familie sagt: „Wir wissen, dass er lebt. Das reicht uns fürs Atmen.“

Worte statt Bilder

Bilder aus Gaza zeigen Gesichter, aber nicht die Wahrheit.
Sie stammen aus Kameras, die den Schmerz inszenieren, um Mitgefühl zu missbrauchen.
Deshalb: keine Fotos, keine Ausschnitte, keine Gesten. Nur Worte.

Worte, die nicht befreien, aber anständig bleiben.
Worte, die festhalten, dass jedes dieser Leben zählt – nicht als Symbol, sondern als eigenes Universum aus Beziehungen, Erinnerungen, Stimmen, Berufen, Träumen.

Wenn am Montag die Busse mit den Geiseln aus Gaza zurückkehren, wird niemand in Israel fragen, ob sie gebrochen sind.
Man wird sie festhalten, schweigend, weinend, atmend.

Denn Menschlichkeit heißt in diesem Land seit dem 7. Oktober:
Wir lassen niemanden zurück.


Autor:
Bild Quelle:


Samstag, 11 Oktober 2025

haOlam via paypal unterstützen


Hinweis: Sie benötigen kein PayPal-Konto. Klicken Sie im nächsten Schritt einfach auf „Mit Debit- oder Kreditkarte zahlen“, um per Lastschrift oder Kreditkarte zu unterstützen.
empfohlene Artikel

haOlam.de – Gemeinsam in die Zukunft

Nach dem Tod des Herausgebers führen wir haOlam.de weiter. Für dieses umfangreiche Projekt suchen wir finanzielle Unterstützer sowie Anregungen und Hinweise zu technischen Fehlern während der laufenden Überarbeitung.

Kontakt: redaktion@haolam.de

Danke für eure Unterstützung!


meistgelesene Artikel der letzten 7 Tage