Israels Gerichtsmediziner bereiten sich auf die Rückkehr der toten Geiseln vorIsraels Gerichtsmediziner bereiten sich auf die Rückkehr der toten Geiseln vor
Während Israel auf die Heimkehr der letzten Überlebenden wartet, steht ein anderer Konvoi bereit: 28 Särge mit den Körpern der ermordeten Geiseln aus Gaza. In Tel Aviv beginnt eine der schwierigsten Aufgaben, die ein Land kennen kann – die Rückgabe der Namen an die Toten.
Es ist eine Aufgabe, die niemand übernehmen möchte – und doch übernimmt sie ein ganzes Land.
Am Forensischen Institut von Abu Kabir bei Tel Aviv ist alles vorbereitet. In den nächsten Stunden wird dort ein Konvoi eintreffen, beladen mit 28 Särgen. Es sind die Körper jener Männer und Frauen, die nie zurückkehren konnten. Sie sind Teil der Vereinbarung, die US-Präsident Donald Trump zur Beendigung des Gaza-Kriegs auf den Weg gebracht hat – und Teil des Schmerzes, der in Israel niemals vergehen wird.
Das Institut, geleitet von Dr. Chen Kugel, einem der erfahrensten forensischen Pathologen der Welt, hat ein Team zusammengestellt, das größer und sorgfältiger besetzt ist als jedes zuvor. Pathologen, Radiologen, Anthropologen, DNA-Spezialisten und Zahntechniker – vereint in einer Mission, die keine politischen Farben kennt: jeden einzelnen Menschen zweifelsfrei zu identifizieren, und das mit Würde, Respekt und wissenschaftlicher Präzision.
Wissenschaft im Dienst der Menschlichkeit
Der Prozess ist minutiös geplant. Zunächst werden die Körper vollständig dokumentiert, fotografisch und medizinisch. Danach folgen CT-Aufnahmen, die jede Struktur sichtbar machen – Knochen, alte Verletzungen, Operationen, anatomische Besonderheiten. Diese Bilder werden mit früheren Krankenakten abgeglichen, um individuelle Merkmale zu finden.
Parallel dazu arbeiten Forensiker im DNA-Labor. Dort werden Gewebeproben entnommen und mit den DNA-Profilen von Angehörigen abgeglichen – Eltern, Kindern, Geschwistern. Wo die genetische Spur unklar ist, folgt eine tiefere Sequenzierung, um selbst minimale Übereinstimmungen festzustellen.
Auch die Zahnärzte des Instituts spielen eine zentrale Rolle: Sie vergleichen Zahnstellungen, Brücken, Füllungen und Röntgenaufnahmen mit alten Behandlungsunterlagen. In vielen Fällen sind es diese kleinsten, unscheinbaren Merkmale, die zweifelsfrei beweisen, wer ein Mensch war.
Ein Mitglied des Teams sagte gegenüber N12:
„Du gewöhnst dich nie daran. Jeder Körper erzählt eine Geschichte. Aber wenn du sie benennen kannst, gibst du einer Familie den letzten Frieden.“
Das letzte Stück Gewissheit
In Israel gilt die Identifizierung der Toten als heiliger Akt. Sie ermöglicht nicht nur Beerdigungen, sondern beendet das Warten. Für viele Familien, die seit 735 Tagen keine Nachricht hatten, wird Gewissheit nun zur einzigen Form von Trost.
Die psychologische Abteilung des Instituts ist deshalb rund um die Uhr besetzt. Sie begleitet nicht nur Angehörige, sondern auch das Personal selbst – Menschen, die seit dem 7. Oktober 2023 unzählige Opfer gesehen haben und doch jedes Mal neu beginnen müssen.
Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind, werden die Ergebnisse dem Gesundheits- und Verteidigungsministerium übergeben. Erst dann dürfen die Familien informiert und die Toten zur Beerdigung freigegeben werden. Nach jüdischer Tradition geschieht dies rasch und in Würde – ohne öffentliche Bilder, ohne Kameras, ohne politische Begleitung.
Ein Land verneigt sich
In diesen Tagen zeigt sich Israels Stärke nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Schweigen seiner Institutionen.
In Abu Kabir steht keine Kamera. Es gibt keine Schlagzeilen. Nur Hände, die vorsichtig arbeiten, um den Toten ihre Namen zurückzugeben.
Wenn die 28 Särge ankommen, wird kein Jubel zu hören sein, keine Musik. Nur das Geräusch der Räder auf Beton, das Aufatmen jener, die endlich wissen – und das Schweigen jener, die lieber nie hätten wissen wollen.
Es ist die stille Pflicht eines Landes, das seine Kinder nicht vergisst.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Ori~ - Own work, Attribution, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11261543
Sonntag, 12 Oktober 2025