Alle Geiseln sind zurück in Israel

Alle Geiseln sind zurück in Israel


Die IDF bestätigt die sichere Rückkehr aller lebenden Geiseln. Während Donald Trump in der Knesset spricht, erlebt Israel einen historischen Moment zwischen Erleichterung, Trauer und neuem Misstrauen gegenüber der Hamas.

Alle Geiseln sind zurück in Israel

Alle lebenden Geiseln befinden sich sicher in israelischem Gebiet. 20 Männer und Frauen, monatelang in den Tunneln der Hamas gefangen, sind frei. Kein Jubel, kein Spektakel – nur tiefe Erschöpfung, stille Tränen und der Beginn eines Heilungsprozesses, der Jahre dauern wird.

Der Austausch erfolgte in zwei Etappen, schneller als erwartet. Ursprünglich hatte das israelische Militär mit drei Phasen gerechnet, doch Hamas übergab alle Überlebenden noch vor der Rede von US-Präsident Donald Trump in der Knesset. Der symbolische Zeitpunkt war kein Zufall. Die Terrororganisation wollte offenbar demonstrieren, dass sie den Takt bestimmt. Doch am Ende war es Israel, das seine Bürger zurückbrachte – ohne öffentliche Demütigung, ohne die zynischen „Übergabezeremonien“, die Hamas in früheren Vereinbarungen veranstaltet hatte.

Zu den ersten Freigelassenen gehörten Matan Angrest, Alon Ohel, Eitan Mor, Gali und Ziv Berman, Omri Miran und Guy Gilboa-Dalal. Kurz darauf folgte die zweite Gruppe: Bar Abraham Kupershtein, Evyatar David, Yosef-Chaim Ohana, Segev Kalfon, Avinatan Or, Elkana Bohbot, Maxim Herkin, Nimrod Cohen, Matan Zangauker, Eitan Horn, Rom Braslavski sowie die Brüder Ariel und David Cunio.

Jede dieser Familien stand über Monate zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Nun werden sie in den Krankenhäusern Shiba, Ichilov und Beilinson medizinisch betreut – und vor allem wieder von den Menschen umgeben, für die sie überlebt haben.

Die IDF betonte, dass alle Befreiten in stabilem Zustand seien und keine Notfallverlegung nötig war. Die Rückkehr der Geiseln markiert den vorläufigen Abschluss einer der tiefsten Wunden, die die israelische Gesellschaft je erlebt hat. Doch gleichzeitig beginnt eine neue, kaum weniger schwierige Phase: der Umgang mit dem Verlust derer, die nicht zurückkehren konnten.

Parallel zur Rückführung israelischer Geiseln rollten Busse aus den Gefängnissen Ofer und Ketziot. Rund 2.000 palästinensische Sicherheitsgefangene werden – teils in den Gazastreifen, teils in die palästinensischen Autonomiegebiete, teils in Drittländer wie Katar oder die Türkei – überführt. Die Übergabe erfolgt unter Aufsicht des Internationalen Roten Kreuzes.

Diese Gleichzeitigkeit – israelische Opfer auf der einen Seite, verurteilte Täter auf der anderen – macht den Austausch so schmerzhaft wie umstritten. Viele Israelis empfinden ihn als moralisches Dilemma: Leben gegen Gerechtigkeit, Rückkehr gegen Risiko. Doch die israelische Führung entschied sich für das Leben – wissend, dass kein Abkommen die Leere der Ermordeten füllen kann.

Trump in Jerusalem – Symbol und Signal

Der Zeitpunkt der Freilassung fiel mit dem Besuch von US-Präsident Donald Trump zusammen, der am Montag in der Knesset sprach. Sein Auftritt – „Der Krieg ist offiziell beendet“, sagte er – rahmte die Rückkehr der Geiseln in einen größeren politischen Kontext: den Beginn einer neuen, vorsichtigen Ordnung in Gaza.

Nach Angaben der IDF hat sich das israelische Militär bereits aus rund der Hälfte des Gazastreifens zurückgezogen, insbesondere aus den Gebieten, in denen wieder Zivilbevölkerung lebt. Doch dieser Rückzug bedeutet nicht Vertrauen. In den freigewordenen Stadtteilen stationierte Hamas nach israelischen Schätzungen rund 7.000 Kämpfer – eine symbolische Rückeroberung, die deutlich macht, dass der Krieg zwar militärisch beendet ist, politisch aber weitergeht.

Hoffnung und Zweifel

Mit der Freilassung aller Überlebenden endet ein Kapitel, das Israels Gesellschaft wie kaum ein anderes geprägt hat. Tausende Menschen hielten Mahnwachen, trugen Fotos, Namen, Kerzen. Nun stehen dieselben Familien vor der Herausforderung, das Unfassbare zu verarbeiten – und gleichzeitig zu begreifen, dass die Täter noch immer Macht ausüben.

Das Abkommen sieht auch die Rückführung der Leichname mehrerer getöteter Geiseln vor. Die Identifizierung wird Tage dauern, vielleicht Wochen. Erst dann wird das Land wirklich wissen, wie viele Familien noch keine Gewissheit haben.

In Jerusalem versucht die Regierung, die Rückkehr als Zeichen der Stärke zu deuten. In Wahrheit ist sie ein Moment tiefer Ambivalenz: Triumph der Menschlichkeit – und zugleich Erinnerung daran, wie teuer diese Menschlichkeit erkauft wurde.

Hamas hat die Geiseln nicht freigelassen, weil sie Einsicht gezeigt hätte, sondern weil der Druck zu groß wurde. Die Organisation bleibt, was sie immer war: ein System aus Angst, Zwang und Zynismus. Doch Israels Antwort war eine andere – die Rückkehr zum Leben, zur Familie, zum Alltag.

Ein Land hält den Atem an

Auf dem Stützpunkt Re’im, wo die Familien ihre Kinder empfingen, herrschte Stille. Keine Reden, keine Fahnen, keine Kameras. Nur Umarmungen. In diesen Momenten zeigt sich, was keine Armee und keine Diplomatie ersetzen kann: das Menschliche im Angesicht des Unmenschlichen.

Und doch weiß jeder, der diese Bilder sieht: Die Arbeit ist nicht vorbei. Gaza bleibt ein Pulverfass, Hamas bleibt bewaffnet, und die politische Zukunft des Streifens ist offen. Aber für die Familien der Geiseln hat das Warten ein Ende. Israel atmet – vorsichtig, erschöpft, dankbar.


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle:


Montag, 13 Oktober 2025

haOlam via paypal unterstützen


Hinweis: Sie benötigen kein PayPal-Konto. Klicken Sie im nächsten Schritt einfach auf „Mit Debit- oder Kreditkarte zahlen“, um per Lastschrift oder Kreditkarte zu unterstützen.
empfohlene Artikel
weitere Artikel von: Bernd Geiger

haOlam.de – Gemeinsam in die Zukunft

Nach dem Tod des Herausgebers führen wir haOlam.de weiter. Für dieses umfangreiche Projekt suchen wir finanzielle Unterstützer sowie Anregungen und Hinweise zu technischen Fehlern während der laufenden Überarbeitung.

Kontakt: redaktion@haolam.de

Danke für eure Unterstützung!


meistgelesene Artikel der letzten 7 Tage