Nur den Himmel sehen: Israels Heimkehrer aus der Hölle beginnen ihren langen Weg zurück ins Leben

Nur den Himmel sehen: Israels Heimkehrer aus der Hölle beginnen ihren langen Weg zurück ins Leben


Hinter den jubelnden Bildern der Rückkehr aus der Geiselhaft beginnt ein zweiter, stiller Krieg – jener um Heilung, Würde und ein Stück Normalität. Fünf Familien bitten nun die Öffentlichkeit um Hilfe, um das Unbegreifliche zu bewältigen.

Nur den Himmel sehen: Israels Heimkehrer aus der Hölle beginnen ihren langen Weg zurück ins Leben

Die Rückkehrer aus den Tunneln Gazas lächelten, sie winkten, manche standen unter Schock. Doch wer sie heute besucht, spürt, wie brüchig dieser Moment der Erlösung war. Zwei Jahre in Dunkelheit, Gewalt, Hunger und Isolation lassen sich nicht einfach abschütteln. Jetzt, da sie wieder in ihren Betten schlafen, müssen sie lernen, was es heißt, wieder zu leben.

„Er war vollkommen von der Welt abgeschnitten“

Die Familie von Rom Breslawski, einem jungen Sicherheitsmann, der beim Nova-Musikfestival im Süden Israels entführt wurde, versucht derzeit, eine Million Schekel zu sammeln. Sein Körper ist ausgemergelt, seine Seele erschöpft. „Rom war allein, misshandelt, monatelang in völliger Dunkelheit“, sagt seine Cousine Liron Oberländer, die den Spendenaufruf startete. „Er hatte kaum Kontakt zu einem anderen Menschen, war teilweise angekettet. Jetzt muss er lernen, wieder Teil der Welt zu sein.“

Seit seiner Rückkehr spricht Rom nur wenig. Er meidet Bildschirme, zieht sich zurück. „Er will kein Telefon. Er will nur den Himmel sehen“, erzählt die Familie. Zwei Jahre ohne Fenster, ohne Tageslicht – und jetzt der fast kindliche Wunsch nach Licht, nach Freiheit, nach Normalität. Die Familie begleitet ihn vorsichtig, Schritt für Schritt. „Wir bringen ihm das Leben langsam zurück. Alles in seinem Tempo.“

„Ich habe es geschafft, aufzustehen und mit ihm zu reden“

Auch die Familie von Bar Kuperstein kämpft. Bar kehrte zurück, sein Vater Tal sitzt im Rollstuhl. Als Bar entführt wurde, schwor Tal, dass er wieder stehen und sprechen würde, wenn sein Sohn heimkehrt. Zwei Jahre Reha, Schmerz und eiserner Wille später hielt er Wort: Als Bar aus dem Hubschrauber stieg, stand sein Vater und sprach die ersten Worte seit seinem Unfall. „Ich habe es geschafft, mit ihm zu reden. Darauf habe ich zwei Jahre hingearbeitet“, sagt er leise.

Nun sammelt die Familie Spenden, um den gemeinsamen Wiederaufbau zu finanzieren – medizinische Behandlungen, Psychotherapie, Anpassung der Wohnung. „Es war schwer, die Öffentlichkeit um Hilfe zu bitten“, sagt Tal. „Aber jetzt geht es nicht mehr um Stolz, sondern um Leben.“

„Zwei Jahre – und nur eine Dusche“

Noch drastischer ist das Schicksal von Elkana Buchbut, der als Mitglied des Technikteams beim Nova-Festival arbeitete. Er wurde im Morgengrauen des 7. Oktober verschleppt und verbrachte über zwei Jahre in den Tunneln der Hamas. Seine Mutter Ruhama schildert das Unvorstellbare: „Er war an Ketten gefesselt, durfte sich kaum bewegen, und in all der Zeit ließen sie ihn einmal duschen.“

Sein Körper ist von Narben gezeichnet, seine Muskeln geschwächt, seine Seele traumatisiert. Die Familie beschreibt es als „Überleben im Schatten der Menschlichkeit“. Nun kämpft Elkana mit Schmerzen in den Beinen und am Rücken, leidet an Panikattacken, Albträumen und Schuldgefühlen. „Die Rückkehr ist nicht das Ende der Gefangenschaft“, sagt seine Mutter. „Sie ist ihr Nachhall.“

„738 Tage – und die Ewigkeit unter der Erde“

Auch Gali und Ziv Berman, Zwillinge aus Kfar Aza, kamen zurück – aber die Dunkelheit geht mit ihnen. Ihre Familie nennt die zwei Jahre im Untergrund „738 Tage Ewigkeit, Atemzug für Atemzug, vierzig Meter unter der Erde“. Sie bitten die Öffentlichkeit um Unterstützung für die Therapie und den Wiederaufbau ihres zerstörten Hauses. „Hinter den lächelnden Gesichtern in den Nachrichten beginnt jetzt der wahre Weg – der zum inneren Frieden“, heißt es auf ihrer Spendenseite.

„Er muss neu lernen zu leben“

Guy Gilboa Dalal, ebenfalls aus der Nova-Menge entführt, saß zwei Jahre in einer Tunnelzelle. Kein Tageslicht, kein Essen, Schläge, Erniedrigung. Seine Familie schreibt: „Er überlebte, weil er an Hoffnung festhielt.“ Jetzt braucht er Psychotherapie, medizinische Betreuung und Ruhe – vor allem aber Zeit. „Er muss neu lernen zu leben“, sagt sein Bruder Gal, der die zwei Jahre über für seine Freilassung kämpfte.

Die unsichtbare Front

Diese Familien kämpfen nun an einer anderen Front – gegen das Vergessen, gegen das Schweigen. Israels Regierung unterstützt sie mit Hilfszahlungen, doch der Wiederaufbau von Körper und Seele lässt sich nicht per Gesetz verordnen. Was sie brauchen, sind Menschen, die helfen, zu tragen, was nicht mehr allein zu tragen ist.

Sie waren Opfer des Grauens, und sie sind Zeugen des Überlebens. Jetzt, da sie in den Himmel blicken dürfen, bleibt die schwierigste Aufgabe: wieder Vertrauen zu fassen – in die Welt, in den Menschen, in das Leben selbst.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: GPO


Freitag, 17 Oktober 2025

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