Krise um Wehrdienstgesetz: Shas-Partei zieht sich aus Koalition zurückKrise um Wehrdienstgesetz: Shas-Partei zieht sich aus Koalition zurück
Die ultraorthodoxe Partei Shas verlässt ihre Ämter in der Koalition von Benjamin Netanyahu – aus Protest gegen das stockende Gesetz zur Befreiung religiöser Studenten vom Militärdienst. Der Schritt erschüttert die Stabilität der Regierung, könnte aber auch Teil einer taktischen Machtdemonstration sein.
Die Shas-Partei unter Führung von Arje Deri hat am Donnerstag ihren Rückzug aus allen Koalitionsfunktionen erklärt. Grund ist die Blockade des sogenannten Wehrdienstgesetzes, das ultraorthodoxe Männer dauerhaft vom Militärdienst befreien soll.
In einer offiziellen Erklärung teilte Shas mit: „Der Rat der Toragelehrten hat entschieden, dass das Gesetz spätestens zur Eröffnung der Wintersitzung der Knesset eingebracht werden muss – bedauerlicherweise ist dies nicht geschehen.“
Mit dieser Begründung legten die Vorsitzenden der beiden von Shas geführten Parlamentsausschüsse – Yossi Taib (Bildung) und Yoni Mashriki (Gesundheit) – ihre Ämter nieder. Die Partei erklärte zugleich, dass sie sich nicht der Opposition anschließen werde, sondern weiterhin „in vollem Einvernehmen mit den anderen ultraorthodoxen Fraktionen“ handeln wolle.
Der Machtpoker um das Wehrdienstgesetz
Das umstrittene Gesetz zur Befreiung der Jeschiwa-Studenten vom Militärdienst ist seit Monaten ein politischer Zündstoff. Premierminister Benjamin Netanyahu hatte mehrfach versprochen, eine dauerhafte gesetzliche Lösung zu schaffen – insbesondere, um seine ultraorthodoxen Koalitionspartner zu halten.
Doch trotz mehrerer Entwürfe kam es bislang zu keiner Abstimmung. Grund dafür ist massiver Widerstand innerhalb der Regierungsparteien selbst: Während die säkularen und nationalreligiösen Fraktionen auf eine Reform drängen, fürchten die Haredim den Verlust ihrer Privilegien.
Die Geduld der Rabbiner ist erschöpft. Ein Sprecher des Toragelehrtenrats erklärte, man könne nicht länger „auf unbestimmte Zeit“ warten, während junge Fromme Gefahr liefen, zur Armee eingezogen zu werden.
Ein Rückzug mit Signalwirkung
Politisch bedeutet der Schritt der Shas-Partei keinen Austritt aus der Koalition, wohl aber ein gefährliches Warnsignal. Shas stellt sieben Abgeordnete – und ohne sie verliert Netanyahu seine Mehrheit.
Hinter den Kulissen versuchen nun beide Seiten, den Konflikt zu entschärfen. Aus dem Umfeld von Parteichef Deri hieß es, er wolle „eigentlich in der Regierung bleiben“, sehe sich aber „massivem Druck der religiösen Führung“ ausgesetzt.
Deri selbst bleibt Mitglied des Sicherheitskabinetts, was als Versuch gilt, eine völlige Eskalation zu vermeiden. Dennoch sehen Beobachter in Jerusalem die Situation als ernst: „Wenn das Gesetz nicht in den kommenden Wochen vorgelegt wird, überlebt diese Regierung nicht,“ sagte ein hoher Likud-Vertreter gegenüber Ynet.
Symbolik und Substanz
Für die ultraorthodoxen Parteien ist das Thema Wehrdienst mehr als eine politische Frage – es ist eine symbolische Grenzlinie zwischen religiöser Autonomie und staatlicher Kontrolle. Jede Einberufung eines Tora-Studenten wird in den Gemeinden als Angriff auf das geistige Rückgrat Israels empfunden.
Für viele säkulare Israelis wiederum ist die jahrzehntelange Befreiung der Haredim ein unerträgliches Ungleichgewicht. In Zeiten von Kriegen und Terrorgefahr – wo Reservisten an der Front stehen und Familien Verluste tragen – stößt die Ausnahme der Frommen auf wachsenden Unmut.
Netanyahu steht damit vor einem klassischen Dilemma: Gibt er den Haredim nach, verliert er die Unterstützung säkularer Wähler – widersetzt er sich, verliert er seine Koalition.
In Israels politischem Alltag sind taktische Rückzüge nichts Ungewöhnliches. Doch der Rücktritt der Shas-Minister ist mehr als nur ein symbolischer Schritt. Er offenbart die brüchige Balance, auf der Netanyahus Mehrparteienregierung ruht.
Shas hat bereits signalisiert, dass sie in die Regierung zurückkehren werde, „sobald der Status der Jeschiwa-Studenten geklärt ist“. Doch was als befristete Drohung beginnt, könnte sich als Wendepunkt erweisen: Der Kampf um das Wehrdienstgesetz ist längst zu einem Kampf um den Zusammenhalt der Regierung geworden.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Donnerstag, 23 Oktober 2025