Heimkehr und Abschied – Zwei Gesichter Israels nach dem Krieg

Heimkehr und Abschied – Zwei Gesichter Israels nach dem Krieg


Während der ehemalige Geisel Alon Ohel in einem bewegenden Moment in die Arme seiner Familie zurückkehrt, wird in Nir Oz ein anderer heimgebracht – tot. Zwischen Freude und Trauer zeigt sich ein Land, das sich nach Menschlichkeit sehnt, während es die Narben der letzten zwei Jahre zu begreifen versucht.

Heimkehr und Abschied – Zwei Gesichter Israels nach dem Krieg

Israel erlebt in diesen Tagen eine Zerrissenheit, die sich kaum in Worte fassen lässt. Auf der einen Seite die Jubelrufe, das Winken von Flaggen, der Klang von Trommeln und Hupen, als Alon Ohel – nach über zwei Jahren in den Tunneln von Gaza – nach Hause zurückkehrt. Auf der anderen Seite, fast zur selben Stunde, die gedämpften Gebete und Tränen, als in Nir Oz der 85-jährige Arieh (Zalman) Zilmanowitz beerdigt wird – einer jener Entführten, der die Schrecken der Gefangenschaft nicht überlebte. Zwei Gesichter Israels: das eine voller Leben, das andere voller Verlust.

Alon Ohel wurde im Krankenhaus Beilinson in Petach Tikwa entlassen. Die Straßen waren gesäumt von Menschen, die ihm entgegenjubelten – einfache Bürger, Nachbarn, Unbekannte, die Plakate hochhielten: „Willkommen zu Hause, Alon!“ Er lächelte, ein Lächeln, das zugleich erschöpft und strahlend war. Seine Worte vor den Kameras klangen wie ein Schwur: „Jetzt beginnt der Wiederaufbau – meiner selbst, meines Lebens. Ich habe die Liebe von euch allen gespürt, selbst fünfzig Meter unter der Erde in Gaza.“

Diese Sätze trafen viele Israelis ins Herz. Sie offenbaren, wie stark das Band zwischen dem Einzelnen und der Nation noch immer ist – trotz aller Risse. Ohel sprach mit jener Mischung aus Dankbarkeit und Demut, die den Schmerz nicht verdrängt, sondern ihm Sinn gibt. Seine Eltern, Kobi und Idit, sagten, sie begännen nun „eine neue Reise – diesmal eine gute, eine Reise des Lebens, der Einheit, des Neuanfangs“.

Doch während Alon die Schwelle seines Hauses in Lavon überschritt, wurde im Süden des Landes die Erde für Arieh Zilmanowitz geöffnet – einen Mann, der sein Leben der Landwirtschaft und der Gemeinschaft widmete. Geboren 1938 in Haifa, zog er in jungen Jahren in den Kibbutz Nir Oz. Jahrzehntelang war er Landwirt, ein Mensch der Erde. Er arbeitete, selbst als sein Körper schwächer wurde, weiter in den Feldern, begleitet von jener stillen Würde, die Generationen von Israelis geprägt hat.

Seine Familie begrub ihn dort, wo er gelebt und gearbeitet hatte. „Du kehrst zurück zu der Erde, die du geliebt hast – und sie liebt dich zurück“, sagte einer der Trauernden. Es waren Worte, die von tiefer Zuneigung, aber auch von der Tragödie eines Lebens zeugten, das auf so unmenschliche Weise endete.

Zwischen diesen beiden Geschichten – der Heimkehr des einen und dem Abschied vom anderen – liegt das wahre Gesicht Israels. Es ist das Gesicht einer Gesellschaft, die versucht, das Unbegreifliche zu begreifen. Die Rückkehr der Geiseln ist ein Moment des Lichts, aber auch ein Spiegel dessen, was verloren ging: Vertrauen, Sicherheit, Unschuld.

Omri Miran, ein weiterer Überlebender der Hamas-Gefangenschaft, wandte sich an die Nation: „Kein Mensch, keine Familie darf in dieser Unsicherheit leben. Ich sah, wie das Volk Israels Woche für Woche auf den Straßen stand. Ihr habt uns nicht vergessen.“ Seine Worte sind ein Appell, die Menschlichkeit zu bewahren, auch wenn die Narben bleiben.

Israel steht am Beginn eines schwierigen Prozesses: dem Versuch, das Leid nicht zu vergessen und dennoch nach vorn zu sehen. Die Gesellschaft muss lernen, dass Freude und Trauer, Hoffnung und Schmerz nebeneinander bestehen können – und dass die Stärke des Landes genau in dieser Fähigkeit liegt.

Der Weg ist lang. Die Familien der Heimkehrer beginnen ihren mühsamen Wiederaufbau; die Familien der Ermordeten lernen, mit einem unwiderruflichen Verlust zu leben. Doch beide eint ein Bewusstsein: Das Leben in Israel bedeutet, Schmerz und Hoffnung zugleich zu tragen – und dennoch weiterzugehen.

Wenn Alon Ohel heute sagt, „wir schauen nur nach vorn“, ist das kein leerer Satz. Es ist das Motto eines Volkes, das gelernt hat, den Abgrund zu sehen – und trotzdem ans Licht zu glauben.


Autor: Redaktion
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Samstag, 25 Oktober 2025

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