Verraten und verstoßen – Familie in Gaza sagt sich von Sohn los, weil er Hamas kritisierte

Verraten und verstoßen – Familie in Gaza sagt sich von Sohn los, weil er Hamas kritisierte


Ein junger Anwalt aus Gaza wagt es, die Terrorherrschaft der Hamas öffentlich zu verurteilen. Seine Familie reagiert mit einem Treueeid an die Täter. Der Fall Moumen al-Natour zeigt, wie tief die Angst und die ideologische Kontrolle in Gaza reichen.

Verraten und verstoßen – Familie in Gaza sagt sich von Sohn los, weil er Hamas kritisierte

Es ist ein familiäres Drama, das zugleich ein politisches Symbol ist. Der 34-jährige Moumen al-Natour, Jurist und Menschenrechtsaktivist aus Gaza, veröffentlichte in der Washington Post einen Kommentar, der das Undenkbare wagte: Er kritisierte die Hamas – offen, direkt, mit Namen. Wenige Tage später erklärten sich seine eigenen Verwandten öffentlich „unschuldig“ an seiner Meinung.

In einer Erklärung, die am Samstagabend auf der Plattform X (vormals Twitter) verbreitet wurde, bezeichnete die Familie ihn als „abweichenden Täter“ und betonte, sie bleibe „Teil des widerständigen nationalen Gefüges“ – ein Euphemismus für bedingungslose Loyalität zur Hamas.

Ein Mann zwischen zwei Gazas

Al-Natours Gastbeitrag beschrieb ein gespaltenes Land: ein Gaza, das auf Veränderung hofft – und ein anderes, das von Angst, Zensur und Gewalt beherrscht wird.
„Es ist kein Krieg zwischen Israel und Gaza“, schrieb er, „sondern ein Krieg zwischen Hamas und Gaza selbst.“

Er erzählte von Jahren der Unterdrückung, von Freunden, die durch die Terrororganisation verschwanden, und davon, dass er selbst mehrmals knapp dem Tod entging. Hamas, so schrieb er, habe Gaza „in ein riesiges Gefängnis verwandelt, in dem die Menschen die Schlüssel längst vergessen haben.“

Doch während sein Text in Washington und Jerusalem Aufmerksamkeit erregte, war die Reaktion zu Hause tödlich ernst.

Familie gegen Gewissen

Die Familie al-Natour veröffentlichte ihre Erklärung im Ton einer politischen Anklage. Man distanziere sich von „jeder Art von Zusammenarbeit mit verdächtigen Projekten oder bezahlten Parteien“, hieß es – eine Formulierung, die in Gaza für „israelisch beeinflusst“ steht.

Sie beschuldigte Moumen, sich der sogenannten Abu-Shabab-Miliz angeschlossen zu haben – einer der Gruppen, die in den vergangenen Monaten gegen Hamas gekämpft und in israelisch kontrollierten Zonen südlich des „Gelben Linienkorridors“ operiert haben.

In der Erklärung wird er als „ungehorsamer Sohn“ bezeichnet, dessen Haltung „im Widerspruch zu den nationalen Prinzipien“ stehe. Die Familie schwor, sie werde „immer in den Reihen des Heimatkampfes und des Widerstandsvolkes stehen“.

Die Logik der Angst

Diese Worte sind kein bloßes Familiendrama – sie sind das Echo eines Systems, das Angst als Herrschaftsinstrument perfektioniert hat.
In Gaza genügt ein einziger abweichender Satz, um als Verräter zu gelten. Angehörige werden gezwungen, sich öffentlich von den eigenen Kindern loszusagen, um Verdacht und Vergeltung zu entgehen.

Für Hamas ist jede Abweichung nicht Meinung, sondern Feindseligkeit; nicht Zivilcourage, sondern „Kollaboration“. Selbst wer den Wiederaufbau, Bildung oder medizinische Hilfe befürwortet, gilt schnell als Werkzeug der „Besatzung“.

Ein erschütterndes Zeugnis

Al-Natours Mut, seine Stimme trotz der Gefahr zu erheben, ist außergewöhnlich. Sein Text endete mit einem Appell, der fast wie ein Vermächtnis klingt:
„Hamas muss gezwungen werden, die Bedingungen der Vereinbarung zu akzeptieren – und die Macht über Gaza abzugeben.“

Doch seine Worte haben ihn isoliert. In einer Gesellschaft, in der Loyalität über Wahrheit steht, ist der Mut zur Ehrlichkeit ein einsamer Weg.
Dass seine Familie ihn als „Täter“ brandmarkte, ist mehr als ein persönlicher Bruch. Es ist das sichtbare Symptom einer tiefen Krankheit: einer Gesellschaft, die gelernt hat, den eigenen Kindern zu misstrauen, wenn sie frei sprechen.

Moumen al-Natour steht nun symbolisch für jene unsichtbare Minderheit in Gaza, die nicht mehr schweigen will. Für Lehrer, Ärzte, Studenten, die verstanden haben, dass die Hamas nicht Befreiung bringt, sondern Gefangenschaft.

Dass seine Familie ihn nun verstoßen hat, zeigt, wie stark das Klima der Einschüchterung wirkt – und wie nötig es ist, dass die Welt jene Stimmen hört, die noch flüstern, bevor sie ganz verstummen.


Autor: Redaktion
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Montag, 27 Oktober 2025

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