Vier Monate nach dem iranischen Raketenangriff – Soroka-Krankenhaus wartet noch immer auf Hilfe vom Staat

Vier Monate nach dem iranischen Raketenangriff – Soroka-Krankenhaus wartet noch immer auf Hilfe vom Staat


Das Soroka-Krankenhaus in Be’er Scheva wurde bei einem iranischen Raketenangriff schwer getroffen. Ein Gebäude wurde zerstört, Forschungsprojekte vernichtet, Intensivstationen verlegt. Vier Monate später wartet die Klinik immer noch auf staatliche Unterstützung – und verliert die Geduld.

Vier Monate nach dem iranischen Raketenangriff – Soroka-Krankenhaus wartet noch immer auf Hilfe vom Staat

Vier Monate nach dem iranischen Angriff auf Israel steht das größte Krankenhaus des Südens, das Soroka Medical Center in Be’er Scheva, sinnbildlich für eine tiefe Wunde im Land – nicht nur physisch, sondern moralisch.
Am 19. Juni, um 7:15 Uhr morgens, traf eine iranische ballistische Rakete den Krankenhauskomplex. Nur durch Zufall war die betroffene Urologie-Abteilung 16 Stunden zuvor evakuiert worden. „Wenn wir sie nicht verlegt hätten, hätten wir Dutzende Tote gehabt“, erinnert sich der Klinikdirektor Prof. Shlomi Kodesh.

Die Explosion zerstörte den gesamten Gebäudeflügel, die Decke stürzte ein, das Feuer fraß sich durch Labore und Stationen. „Forschungsproben von Jahren sind verloren – Menschen haben ihr Lebenswerk dort begraben“, sagt Kodesh. Die Bilder aus den Sicherheitskameras zeigen eine Reinigungskraft, die am nächsten Morgen mit dem Frühstückstablett eintrifft – in leere Räume, in Schutt und Rauch.

Der Süden bleibt zurück

Der Angriff traf nicht nur das Gebäude, sondern offenbarte auch das strukturelle Ungleichgewicht des israelischen Gesundheitssystems. Während Tel Aviv sieben Krankenhäuser pro Million Einwohner hat, gibt es im gesamten Süden nur knapp vier – bei halb so vielen Ärzten pro Kopf. Soroka war und ist das Rückgrat der medizinischen Versorgung für die gesamte Negev-Region – und zugleich das erste Ziel, wenn aus Gaza oder vom Sinai Verwundete eintreffen.

Als der iranische Sprengkörper einschlug, war die Intensivstation bereits überfüllt – viele Betten waren mit Verwundeten aus der Front belegt. Nach dem Treffer musste der gesamte Bereich in ein deutlich kleineres Provisorium verlegt werden.
„Wir leben seit fünf Jahren im Ausnahmezustand – erst Corona, jetzt Krieg“, sagt Dr. Uri Galanta, Leiter der Inneren Intensivstation. „Und nun drängen wir all diese Arbeit in Räume, die eigentlich für die Hälfte gedacht sind.“

Er spricht ruhig, doch die Müdigkeit steht ihm im Gesicht: „Einmal kam ein Soldat im Hubschrauber aus Gaza, bewusstlos. Wir kämpften um sein Leben, aber wir verloren ihn. Und während wir noch neben ihm standen, dachte ich: Seine Eltern trinken gerade irgendwo ihren Morgenkaffee, ohne zu wissen, dass ihr Sohn hier bei uns liegt.“

Versprechen und Schweigen

Der Schaden, den der Angriff hinterließ, wird auf rund 1,5 Milliarden Schekel (etwa 370 Millionen Euro) geschätzt – inklusive notwendiger Wiederaufbauarbeiten und neuer Schutzsysteme.
Bis heute hat das Krankenhaus weniger als 100 Millionen Schekel (etwa 25 Millionen Euro) erhalten – ein Bruchteil dessen, was nötig wäre, um den Betrieb dauerhaft zu sichern.

Premierminister Benjamin Netanjahu besuchte Soroka noch am Tag des Angriffs und versprach schnelle Hilfe. Doch vier Monate später ist von dieser Hilfe wenig zu sehen.
„Wir stehen in engem Kontakt mit den Ministerien, es gibt Verständnis, aber keine Entscheidung“, sagt Kodesh. „Ich hoffe, dass in den nächsten Wochen eine Regierungsentscheidung fällt. Aber ehrlich gesagt: Ich hätte erwartet, dass es längst passiert ist.“

Auf die Frage, warum das alles so lange dauert, antwortet er lakonisch:
„Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam. Ich hätte mir gewünscht, dass sie diesmal schneller mahlen.“

Zwischen Bürokratie und menschlicher Erschöpfung

Während die Verwaltung um Budgets ringt, kämpfen die Mitarbeiter mit den seelischen Folgen. Das verbrannte Gebäude steht noch immer im Blickfeld der Angestellten – ein tägliches Mahnmal.
„Jeder, der hier arbeitet, sieht die Zerstörung jeden Tag. Das ist psychisch zermürbend“, sagt Kodesh. „Man kann die Menschen nicht an einem Ort arbeiten lassen, der aussieht wie ein Tatort. Wir brauchen nicht nur Geld – wir brauchen Hoffnung.“

Dr. Esther Luzzatto, Mitglied des Vorstandes der Soroka-Freunde, formuliert es weniger diplomatisch:
„Soroka hat das Geld, das der Staat versprochen hat, nicht bekommen. Das ist keine Nachlässigkeit – das ist Vernachlässigung. Und in einem Land, das ständig mit Notfällen konfrontiert ist, ist das schlicht unverantwortlich.“

Ein Symbol für Israels Süden

Soroka steht seit Jahrzehnten an der Frontlinie – geografisch, medizinisch und moralisch. In Kriegen, bei Terrorwellen, während Pandemien. Jetzt ist das Krankenhaus selbst zum Opfer geworden.
Und während in Jerusalem über Haushaltsprioritäten debattiert wird, warten Hunderttausende Menschen im Negev auf ein Zeichen, dass der Staat sie nicht vergessen hat.

„Es geht nicht nur um Beton“, sagt Prof. Kodesh. „Es geht darum, dass die Menschen im Süden wissen, dass ihr Leben denselben Wert hat wie das in Tel Aviv. Wir brauchen keine Worte mehr – wir brauchen Kräne, Arbeiter und Taten.“


Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle:


Montag, 27 Oktober 2025

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