Warum Trumps 20-Punkte-Plan PIJ ausspart — und warum das ein gefährlicher Fehler wäre

Warum Trumps 20-Punkte-Plan PIJ ausspart — und warum das ein gefährlicher Fehler wäre


Der große Kompromiss richtet sich fast ausschließlich gegen Hamas — doch eine andere, mörderische Kraft bleibt weitgehend unerwähnt: die Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ). Jerusalem warnt: Wer diesen Akteur ausklammert, riskiert Dauergewalt statt dauerhaften Frieden.

Warum Trumps 20-Punkte-Plan PIJ ausspart — und warum das ein gefährlicher Fehler wäre

In einem umfassenden, von Washington getragenen 20-Punkte-Konzept für Gaza fehlt die explizite Auseinandersetzung mit der Palästinensischen Islamischen Dschihad. Auf den ersten Blick mag das wie ein taktischer Verzicht wirken — eine bewusste Konzentration auf den faktisch regierenden Gegner. Wer jedoch nur Hamas ins Visier nimmt, übersieht eine andere, oft gefährlichere Realität: PIJ ist kleiner, radikaler und in seiner Militanz weniger gebunden an jede Form ziviler Verantwortung. Für die Familien der Opfer, für die Grenzdörfer, für die Soldaten, die nächtelang auf Patrouille stehen, sind solche Abgrenzungen akademisch und brutal zugleich.

PIJ unterscheidet sich von Hamas nicht nur in Personalstärke oder Organisation, sondern in Zweck und Ethos. Während Hamas staatliche Aufgaben übernimmt, soziale Dienste stellt und ein begrenztes Kalkül verfolgt, ist PIJ ein rein militärisch geprägter Akteur. Seine Doktrin kennt keinen politischen Kompromiss; sie kennt nur Fortführung des Kampfes. Das bedeutet: PIJ akzeptiert höhere operationelle Risiken, agiert spontan und kann ohne Rücksicht auf die Folgen Raketen, Anschläge und Überfälle auslösen. In den Flüchtlingslagern, in Jenin, in Jabalia werden diese Züge nicht als Theorie erlebt, sondern als tägliche Bedrohung — als die Knallsequenz, die ein Kinderzimmer in Angst verwandelt.

Warum also die Auslassung im Plan? Politische Faktoren spielen eine Rolle. Der Dialog mit Vermittlern wie Kairo konzentriert sich historisch auf Hamas, weil sie als verlässlicher, wenn auch gefährlicher, Partner in der Lage ist, Vereinbarungen umzusetzen oder zumindest durchzusetzen. PIJ hingegen ist dezentral, strikt militärisch ausgerichtet und in vielen Belangen enger an Teheran gebunden. Diese Abhängigkeit von externen Geld- und Waffenströmen macht PIJ zugleich gefährlich und angreifbar — doch sie erschwert direkte diplomatische Kanäle. Washington hat deshalb offenbar vorgezogen, ein nachhaltiges Arrangement mit jenem Akteur zu formen, der Binnen-Stabilität bieten könnte, anstatt sich auf einen Spieler zu stürzen, der Verträge von vornherein ablehnt.

Das ist kurzsichtig. Durabler Frieden braucht eine ehrliche, dreidimensionale Strategie: Erstens müssen Finanz- und Beschaffungskanäle von PIJ trocken gelegt werden. Zielgerichtete Sanktionen gegen Netzwerke, die Waffen, Bauteile und Geld transportieren — inklusive der Kryptofinanzströme und Tarnfirmen — sind wirksamer als symbolische Erklärungen. Zweitens braucht es operative Mechanismen, die PIJ-Verbände in Gaza und der Westbank isolieren: gezielte Einheiten, verbesserte Nachrichtendienste und regionale Koordination mit Ägypten und den relevanten Partnern, um Zellen zu zerschlagen, bevor sie zuschlagen. Drittens muss jede internationale Kraft, die in Gaza tätig werden soll, die Fähigkeit und den Willen haben, Verstöße gegen den Waffenstillstand sofort zu sanktionieren — auch wenn diese Verstöße von Akteuren ausgehen, die nicht die zentrale Verwaltung stellen.

Aus Sicht Jerusalems ist die Gefahr konkret: Solange PIJ unbehelligt bleibt, genügt eine kleine Provokation, ein einzelner Anschlag, um ein viel größeres Feuer zu entfachen. Hamas mag dann versuchen, das Taktmaß zu wahren, doch die Spirale lässt sich nicht aufhalten, wenn ein nichtstaatlicher Akteur ohne Rücksicht agiert. Die Menschen an Israels Grenze wissen das: Sie leben die Folgen, wenn ein Raketenhagel aus dem Süden kommt oder wenn eine Kommandogruppe aus einem Lager im Westjordanland zuschlägt. Für sie sind politische Eiertänze in Washington kein Trost.

Zugleich ist klar: PIJ darf nicht zum Vorwand werden, um humanitäre Hilfe zu blockieren oder die Zivilbevölkerung zu bestrafen. Wer das Leid der Unschuldigen instrumentalisert, verfehlt nicht nur jede ethische Norm, sondern auch die strategische Zielsetzung. Der richtige Weg ist präzise Druckausübung gegen die militärischen Strukturen, nicht pauschale Strafmaßnahmen gegen die Bevölkerung. Nur so lässt sich internationale Unterstützung erhalten und die Legitimität des Vorgehens wahren.

Kurz gesagt: Wer einen Plan für Gaza ernst meint, muss auch jene einbeziehen, die Gewalt ohne politische Verantwortung praktizieren. PIJ ist kein Randphänomen, das man aussitzen kann. Sie ist der Brandbeschleuniger. Das Auslassen dieser Organisation in einem Schlüsseltext sendet ein gefährliches Signal: dass die internationale Gemeinschaft bereit ist, bestimmte Risiken zu akzeptieren, solange sie auf größere politische Vereinbarungen setzt. Für Israel und für die Menschen, die jeden Tag zwischen Sirenen und Trümmern leben, ist das kein Luxus, sondern eine Frage von Leben und Tod.

Die politische Aufgabe ist deshalb doppelt: den Druck auf Hamas zu halten, die politischen Kanäle zu nutzen und zugleich gezielt die militärische Schlagkraft der PIJ zu unterbinden. Wer beides nicht tut, lädt neue Gewalt ein — und riskiert, dass ein fragiler Waffenstillstand bald schon wieder zu einer erneuten Welle der Zerstörung führt. Jerusalem fordert deshalb: kein Tabu mehr für PIJ auf dem strategischen Papier. Nur so kann ein Schritt in Richtung Sicherheit und Stabilität ernst genommen werden.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Tasnim News Agency, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=119050886


Dienstag, 28 Oktober 2025

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