Hamas spielt auf Zeit – und Israel darf nicht handelnHamas spielt auf Zeit – und Israel darf nicht handeln
Während Israel auf die Rückgabe seiner getöteten Geiseln wartet, nutzt die Hamas jede Stunde des Waffenstillstands, um ihre Macht im Gazastreifen zu festigen. Sicherheitskreise warnen: Die Terrororganisation zieht Fäden – unter den Augen der Weltgemeinschaft.
Zwei Leichname israelischer Geiseln wurden am Donnerstagabend von der Hamas über das Rote Kreuz an israelische Behörden übergeben. Sie wurden sofort zur Identifizierung ins Institut für Gerichtsmedizin gebracht. Nach Angaben israelischer Sicherheitsquellen verfügt die Hamas über mindestens acht weitere tote Geiseln, deren Übergabe sie hinauszögert – absichtlich.
„Die Hamas weiß genau, wo sich diese Körper befinden“, heißt es aus israelischen Sicherheitskreisen. „Sie könnte sie innerhalb weniger Stunden übergeben. Aber sie hält sie zurück – um Druck aufzubauen und um Zeit zu gewinnen.“
Ein Waffenstillstand, der nur der Hamas nützt
Seit Wochen ist klar: Die Feuerpause, die eigentlich humanitäre Erleichterung bringen sollte, wird von der Hamas strategisch ausgenutzt. Die Terrororganisation nutzt die Ruhe, um ihre Machtstrukturen in Gaza neu zu organisieren, Kommunikationsnetze zu reparieren und ihr Kontrollsystem über die Zivilbevölkerung zu festigen.
Israels Ziel war es, der Hamas dauerhaft Terrain und Einfluss zu nehmen – vor allem im nördlichen Teil des Gazastreifens. Doch das grüne Licht aus Washington blieb aus. Präsident Donald Trump hat bislang kein Mandat für eine erneute Ausweitung der israelischen Operationen gegeben. Damit sind Israels Handlungsmöglichkeiten militärisch und diplomatisch eingeschränkt.
Was auf dem Papier wie eine „Phase der Stabilisierung“ aussieht, ist in Wahrheit ein Zeitfenster, das Hamas zu ihrem Vorteil nutzt. Hinter der Oberfläche einer scheinbaren Waffenruhe konsolidiert sie ihre Herrschaft – und demonstriert, dass sie noch immer die Macht hat, über Leben, Tod und die Rückgabe israelischer Geiseln zu bestimmen.
Die Geiseln als politisches Faustpfand
Nach Informationen aus israelischen Sicherheitsdiensten verfügt die Hamas über vollständige Informationen zu den Orten, an denen sich die Leichen israelischer Geiseln befinden. Einige dieser Orte sind bekannte Tunnelsysteme, andere liegen in Ruinen, die nur mit schwerem Gerät erreicht werden können.
Doch es geht längst nicht mehr um logistische Schwierigkeiten. „Die Hamas setzt gezielt auf emotionale Erpressung“, sagen Analysten. Jeder verzögerte Leichentransfer, jede unklare Nachricht über vermisste Soldaten dient einem Zweck: Israel moralisch und politisch zu zermürben.
Die israelische Regierung betrachtet dieses Vorgehen als kalkulierten Teil einer Strategie, die darauf abzielt, die internationale Gemeinschaft gegen Israel auszuspielen. Während Jerusalem um Rückgabe und Würde seiner Toten ringt, stellt sich die Hamas als Verhandlungspartner dar – nicht als Terrorgruppe, sondern als politische Macht, die Bedingungen diktiert.
Ein ohnmächtiger Staat mit gebundenen Händen
In israelischen Sicherheitskreisen wächst die Frustration. Offiziere, die mit der Überwachung der Waffenruhe befasst sind, sprechen von einem „Stillstand mit hoher Sprengkraft“. Israel könne derzeit nicht militärisch eingreifen, solange keine klare amerikanische Zustimmung vorliegt.
Die Absicht, der Hamas strategische Gebiete dauerhaft zu entziehen, sei auf höchster Ebene diskutiert worden – doch die USA hätten klargemacht, dass eine weitere territoriale Kontrolle Israels über Teile Gazas nicht akzeptabel sei, solange die Gespräche über eine internationale Schutztruppe andauern.
Solange die Verhandlungen über diese sogenannte „internationale Sicherheitsstruktur“ laufen, nutzt Hamas ihre Geiseln als Schutzschild. Kein militärischer Schlag, keine Rückeroberung, keine Strafaktion wäre diplomatisch vermittelbar. Israel steckt fest – zwischen humanitärer Zurückhaltung und militärischem Zwang.
Der strategische Preis der Geduld
Die Lage ist gefährlich: Jeder Tag, an dem Hamas im Besitz von Geiseln bleibt – lebend oder tot –, verfestigt ihre Macht über die Psyche des Konflikts. Sie kontrolliert die Erzählung, die Emotion, die Zeit.
Israel weiß das. Doch ohne amerikanische Rückendeckung bleibt nur, die moralische Linie zu halten. Die israelische Armee bleibt entlang des sogenannten „gelben Streifens“ einsatzbereit – dem Grenzgebiet zwischen den israelisch kontrollierten und den von Hamas gehaltenen Zonen. Jeder Zwischenfall, jede Provokation könnte die fragile Ruhe beenden.
Sicherheitsbeamte beschreiben die aktuelle Situation als „gefährlichen Stillstand“: „Wir haben die militärische Überlegenheit, aber nicht die diplomatische Freiheit. Hamas hat keine Stärke, aber sie besitzt das Moment – und sie spielt es aus.“
Ein moralischer Konflikt ohne Ende
In Israel wird diese Geduld zunehmend hinterfragt. Angehörige von Geiseln fordern, die Operation wieder aufzunehmen. Teile der Opposition werfen der Regierung vor, sich zu sehr an amerikanische Bedingungen zu binden.
Doch Premierminister Benjamin Netanjahu hält an der Koordination mit Washington fest – trotz wachsender Ungeduld. Israel weiß, dass ein Bruch mit den USA politisch gefährlicher wäre als jeder taktische Verlust in Gaza.
Unterdessen bleibt der moralische Schmerz im Land groß: Die Familien der getöteten Geiseln warten auf Gewissheit, die Armee auf Erlaubnis, und die Hamas auf ihre nächste Gelegenheit, den Krieg psychologisch fortzusetzen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Donnerstag, 30 Oktober 2025