Israels oberste Militäranwältin Yifat Tomer-Yerushalmi tritt nach Video-Leak zurück

Israels oberste Militäranwältin Yifat Tomer-Yerushalmi tritt nach Video-Leak zurück


Generalmajorin Yifat Tomer-Yerushalmi, die Chefjuristin der israelischen Armee, ist zurückgetreten. Sie gab zu, die Veröffentlichung eines Videos aus dem Gefangenenlager Sde Teiman genehmigt zu haben, das Misshandlungen palästinensischer Gefangener zeigte. Ihr Schritt beendet eine der heikelsten Affären innerhalb der israelischen Militärjustiz seit Jahren.

Israels oberste Militäranwältin Yifat Tomer-Yerushalmi tritt nach Video-Leak zurück

Tomer-Yerushalmi, die seit 2021 das Amt der Militäranwältin innehatte, bestätigte in einem Schreiben an Generalstabschef Eyal Zamir, dass sie die Freigabe der Aufnahmen selbst gebilligt hatte. Sie erklärte, dies sei geschehen, um „gezielter Propaganda“ entgegenzuwirken, die nach Einleitung einer Untersuchung gegen beteiligte Soldaten verbreitet worden war.

„Ich übernehme die volle Verantwortung für alle Informationen, die aus meinem Büro an die Medien gelangten“, schrieb sie. „Aus Verantwortung gegenüber der Armee und meinen Mitarbeitern habe ich beschlossen, meinen Dienst zu beenden.“

Das Video aus Sde Teiman, das im August 2024 in den Medien auftauchte, soll israelische Soldaten zeigen, die einen palästinensischen Häftling misshandeln. Nach Angaben des Militärs wurde der Clip in einem sensiblen Kontext gedreht und später manipuliert veröffentlicht – zusammengeschnitten aus zwei unterschiedlichen Aufnahmen, die den tatsächlichen Ablauf verzerrten.

Die Veröffentlichung führte zu politischen Protesten, wütenden Demonstrationen und sogar Einbrüchen rechtsextremer Aktivisten in Militärstützpunkte. Diese warfen der Militärstaatsanwaltschaft vor, israelische Soldaten „wie Kriminelle“ zu behandeln und sich auf die Seite von Terroristen zu stellen.

Gleichzeitig sah sich die Militärjustiz massiver Kritik ausgesetzt, die aus Teilen der israelischen Öffentlichkeit ebenso kam wie von einigen Abgeordneten der Knesset. Die juristische Leitung des IDF (Israel Defense Forces) wurde beschuldigt, durch die Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe „die Moral der Truppe“ zu schwächen.

Ein Rücktritt mit Signalwirkung

Tomer-Yerushalmi, die 2021 das Amt übernommen hatte, gilt als überzeugte Verfechterin militärischer Rechtsstaatlichkeit. In ihrem Rücktrittsbrief schrieb sie:
„Selbst im Krieg bleibt es unsere Pflicht, unrechtmäßiges Verhalten zu prüfen. Das ist keine Schwäche, sondern die Quelle unserer moralischen Stärke – der Grund, warum die Armee Israels Vertrauen verdient.“

Zugleich betonte sie, dass es sich bei den inhaftierten Personen in Sde Teiman „um schwerste Terroristen“ gehandelt habe. Dennoch gebe es Handlungen, „die nicht einmal gegenüber den abscheulichsten Feinden begangen werden dürfen“.

Der Rücktritt erfolgte zwei Tage, nachdem Verteidigungsminister Israel Katz angekündigt hatte, sie werde nicht wieder in ihr Amt zurückkehren, solange die Ermittlungen liefen. Katz sagte wörtlich:
„Ich werde dafür sorgen, dass Gerechtigkeit geschieht – gegenüber jedem, der an der Verleumdung unserer Soldaten beteiligt war.“

Ermittlungen und politischer Druck

Die Polizei ermittelt nun unter Leitung der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung der Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara, ob das Leak tatsächlich aus der Militärstaatsanwaltschaft selbst stammte.
Ein enger Mitarbeiter Tomer-Yerushalmis soll bei einer Befragung einen Lügendetektortest nicht bestanden haben – ein Umstand, der den Verdacht erhärtete, dass die Aufnahmen aus den höchsten Ebenen der Militärjustiz weitergegeben wurden.

In den Fokus der Ermittlungen rückt nun auch die Frage, ob im Anschluss an die Veröffentlichung ein „fiktiver interner Bericht“ erstellt wurde, um die Beteiligung des Büros zu verschleiern. Eine eidesstattliche Erklärung an den Obersten Gerichtshof, die in diesem Zusammenhang abgegeben wurde, könnte nun selbst Gegenstand strafrechtlicher Prüfung werden.

Der Oberste Generalstabschef Eyal Zamir akzeptierte den Rücktritt umgehend. In einer Erklärung hieß es, man werde „das Korps der Militäranwälte stabilisieren und das Vertrauen in die Institution wiederherstellen“.

Reaktionen innerhalb der Armee

In militärischen Kreisen wird der Rücktritt als „Verlust einer moralischen Kompassfigur“ bezeichnet. Ein Offizier sagte gegenüber Ynet:
„Sie war das Gewissen des Generalstabs. Selbst wenn sie das Leak nur stillschweigend gebilligt hat, konnte sie in dieser Position nicht bleiben.“

Als mögliche Nachfolgerin gilt Oberst Ofira Elkabetz-Rotshtein, eine erfahrene Militärjuristin, die bisher als leitende Rechtsberaterin tätig war. Auch ehemalige Staatsanwälte wie Doron Ben-Barak und Avi Halabi werden genannt.

Der bisherige Stellvertreter, Gal Asael, der im vergangenen Jahr die interne Untersuchung leitete und den Apparat von Verdachtsmomenten entlastete, wurde inzwischen zum Brigadegeneral befördert und zum Leiter der Abteilung für internationales Recht ernannt – ein Hinweis darauf, dass die Armeeführung trotz der Krise versucht, Kontinuität zu wahren.

Ein Fall zwischen Moral und Macht

Die Causa Tomer-Yerushalmi offenbart ein Spannungsfeld, das Israels Armee seit dem Krieg gegen die Hamas begleitet: Wie lässt sich militärische Härte mit rechtlicher Kontrolle und moralischer Integrität vereinbaren?

Tomer-Yerushalmi selbst sah ihre Aufgabe stets darin, diesen Widerspruch auszuhalten. In einer ihrer letzten öffentlichen Erklärungen sagte sie:
„Wer die Armee Israels anklagt, schwächt sie nicht – er schützt sie. Eine Armee, die Unrecht vertuscht, verliert ihre Seele.“

Ihr Abgang markiert das Ende einer Epoche, in der Israels Militärjustiz zunehmend zwischen politischen Fronten stand: zwischen Sicherheitsinteressen, öffentlicher Meinung und der Verpflichtung, auch in Zeiten des Krieges die eigenen Regeln einzuhalten.


Autor: Redaktion
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Freitag, 31 Oktober 2025

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