„Sie schrieben mir auf den Rücken: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘“

„Sie schrieben mir auf den Rücken: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘“


Nach über zwei Jahren in der Gewalt der Hamas erzählt ein israelischer Reservist erstmals, wie Hunger, Prügel und gezielte Erniedrigung seinen Alltag bestimmten – und wie ein altes Radio tief unter der Erde zum einzigen Lebenszeichen der Außenwelt wurde. Ein Zeugnis, das wütend macht und erschüttert.

„Sie schrieben mir auf den Rücken: ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘“

Maksim Harkins Rückkehr ist mehr als die Heimkehr eines Einzelnen; sie ist ein Stück kollektiver Verantwortung, ein Spiegel dessen, was eine Gesellschaft lange nicht sehen wollte. Wer seine Geschichte hört, begreift: Es geht nicht nur um Heldentum oder Leid – es geht um Menschenwürde, um Schutzpflichten und um die Macht von Worten, die in der Öffentlichkeit gesprochen, aber in unterirdischen Verliesen gehört werden.

Er wurde als Geisel der Hamas festgehalten, gefoltert, gedemütigt und über zwei Jahre hinweg seiner Menschlichkeit beraubt. In engen Räumen ohne Licht, mit kaum Nahrung und ständigem Misstrauen, überlebte er durch Disziplin, Hoffnung und den Willen, eines Tages seine Tochter wiederzusehen. Die Folter war geplant, die Erniedrigung gezielt. Die Peiniger ließen ihn wissen, dass jedes öffentliche Wort aus Israel dort unten Folgen hatte.

Was ihm blieb, war ein kaputtes Empfangsgerät, das zu einem rettenden Fenster wurde. Zusammen mit anderen Gefangenen entdeckte er, dass das Bruchstück einer Antenne noch funktionierte. „Plötzlich hörten wir Gali Zahal – wir waren fassungslos. Das war, als hätten wir im Dunkeln ein Fenster gefunden.“ Stundenlang lauschten sie den Radiowellen, die aus dem Land kamen, das für sie kämpfte. Harkin beschreibt diesen Moment als „echte Mahlzeit“ – die erste geistige Nahrung nach Monaten der Stille.

Doch mit der Hoffnung kam auch das Wissen um politische Spannungen in Israel. Er hörte Berichte über Aussagen, die ausgerechnet in Jerusalem getroffen wurden, und wusste: Diese Worte werden dort unten missbraucht. Seine Entführer schlugen ihn, zeigten auf ihn und sagten: „Das ist wegen Ben Gvir. Er hat das gesagt. Jetzt wirst du bezahlen.“ Eines Tages, erzählt Harkin, schrieben sie ihm mit einem spitzen Gegenstand auf den Rücken: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Sie fotografierten ihn so – und ließen ihn glauben, dass die Bilder nach Israel geschickt würden. „Sie sagten mir, sie schicken das als Gruß an einen bestimmten Mann. Das bricht dir das Herz.“

Diese Erfahrung führt zu einer bitteren Wahrheit: Terroristen brauchen keine Begründung für Grausamkeit – aber sie nutzen jede Gelegenheit, eine zu finden. Politische Parolen an der Oberfläche werden in den Tiefen der Gefangenschaft zu Werkzeugen der Erniedrigung. Worte, die oben als Stärke gelten sollen, verwandeln sich unten in Peitschenhiebe.

Doch Harkin erzählt nicht aus Hass. Er spricht mit Klarheit und Schmerz, aber ohne Rache. Seine Botschaft ist einfach: Verantwortung. Er weiß, dass die Hamas allein für ihre Verbrechen verantwortlich ist. Doch er verlangt von seiner Regierung, von allen politischen Akteuren, dass sie die Familien der Geiseln schützen – auch vor den Folgen öffentlicher Rhetorik. „Wenn du Minister bist, und deine Worte treffen uns in den Zellen – dann ist das nicht nur Politik. Es ist unser Leben.“

Das Wiedersehen mit seiner Tochter Monika, fünf Jahre alt, beschreibt er als Moment, in dem „alles fiel – alles, was in mir festgehalten war“. Nach über siebenhundert Tagen im Dunkeln stand plötzlich Licht vor ihm. Das Kind, das ihn mit offenen Armen empfing, wurde zum lebendigen Beweis, dass der Mensch mehr ist als die Gewalt, die ihm angetan wurde.

Nun beginnt sein langer Weg der Heilung. Medizinische Betreuung, psychologische Begleitung, öffentliche Unterstützung – all das ist notwendig. Doch noch wichtiger ist das Bewusstsein: Jede Geisel, die zurückkehrt, trägt die Stimme derer, die noch fehlen. Jede Rückkehr ist eine Mahnung, dass Israel als Staat und Gesellschaft verpflichtet ist, alle Mittel zur Heimholung der Entführten auszuschöpfen – und zugleich das Klima zu schaffen, in dem Menschlichkeit Vorrang vor Lautstärke hat.

Harkins Geschichte ist keine politische Debatte, sondern ein menschliches Zeugnis. Sie ruft dazu auf, den Blick nicht abzuwenden – weder von den Überlebenden noch von den Worten, die sie täglich hören mussten. Es sind Geschichten, die uns zwingen, über Verantwortung, Würde und Sprache nachzudenken. Wer zuhört, kann nicht mehr so tun, als ginge ihn das nichts an.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot N12


Freitag, 31 Oktober 2025

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