„Ordnung“ unter Waffengewalt: Wie Hamas den Gazastreifen zurück in ihre Herrschaft zieht

„Ordnung“ unter Waffengewalt: Wie Hamas den Gazastreifen zurück in ihre Herrschaft zieht


Unter der Fassade von „Sicherheit“ setzt Hamas erneut auf Kontrolle und Einschüchterung: Schawarma-Lokale geschlossen, Zeltstädte geräumt, Schwarzhändler verhaftet — und zugleich diplomatische Aktivitäten in der Türkei. Für die Menschen in Gaza bleibt das Leben zwischen Willkür und Repression gefangen.

„Ordnung“ unter Waffengewalt: Wie Hamas den Gazastreifen zurück in ihre Herrschaft zieht

Die Bilder aus Gaza wirken vertraut und zugleich erschreckend: Männer in Uniform entscheiden, welche Läden öffnen dürfen und welche nicht, Bewaffnete durchkämmen Märkte, Zelte werden geräumt — vorgespiegelt als „Ordnungspolitik“, in Wahrheit ein gezielter Machtakt. Wer denkt, zwei Jahre Krieg hätten die Strukturen der Herrschaft über das Leben der Menschen gelöst, irrt. Hamas verstärkt gerade jetzt ihre Präsenz in alltäglichen Bereichen, um zu signalisieren: Ich bestimme, wer überlebt, wer wirtschaftet und wer protestiert.

Die jüngsten Maßnahmen sind keine rein administrative Intervention. Das Verbot, Schawarma-Restaurants zu öffnen — mit dem Argument eines angeblichen Monopols auf Geflügel —, die Festnahmen von Gashändlern auf dem Schwarzmarkt, das systematische Abräumen von Zeltstädten: all das ist Teil eines politischen Kalküls. Es geht nicht primär um Preise oder Hygiene, sondern um Machtdemonstration. Dahinter steht die Botschaft: Wer die Regeln nicht von uns akzeptiert, verliert Existenzgrundlagen, Bewegungsfreiheit und Schutz.

Gleichzeitig warnte die Organisation ihre Aktivisten eindringlich vor „Enttarnungen“ durch israelische Überwachungsmaßnahmen. Die Forderung, Vorsicht bei Telefonen und sozialen Netzwerken walten zu lassen, und die Angst vor Drohnenaufklärung offenbaren ein zweites Ziel: die Absicherung des militärisch-politischen Apparats gegen Spionage — und gegen die eigene Bevölkerung. Wer sich unabhängig verhält, kann schnell als „Feind“ markiert werden.

Diese Taktik ist doppelzüngig: Öffentlichkeit und internationalen Akteuren gegenüber inszeniert Hamas Stabilität und Ordnung; intern aber schafft sie das Klima der Furcht, das Kontrolle ermöglicht. Indem sie Preisüberwachung und Marktrepression betreibt, instrumentalisieren ihre Verantwortlichen soziale Bedürfnisse, um politische Loyalität zu erzwingen. Es ist ein klassischer Mechanismus autoritärer Gruppen: Sozialpolitik als Vehikel für Macht.

Parallel betreibt Hamas eine diplomatische Offensive. Eine Delegation, die in Istanbul ein „Dossier“ über angebliche Verletzungen durch Israel übergab, signalisiert zwei Dinge zugleich: Erstens, die Suche nach regionalen Sponsoren und internationaler Legitimation; zweitens, die Bereitschaft, die politische Bühne zu nutzen, um eigene Manöver zu verschleiern. Während Geschäftsleute in Gaza ihre Existenz verlieren, bemüht sich die Bewegung um Anerkennung und Unterstützung in Ankara — eine Mischung aus Propaganda und Realpolitik.

Die Folgen dieser Politik sind unmittelbar: Die fragile Wirtschaft im Streifen wird weiter geschreddert. Kleine Händler verlieren Einnahmen, die Versorgungslage verschlechtert sich, die ohnehin geschwächte Zivilgesellschaft wird systematisch ausgehöhlt. Gleichzeitig verunsichert die Repression lokale Initiativen, die unabhängig agieren könnten — von Hilfsorganisationen bis zu zivilgesellschaftlichen Gruppen. Menschen flüchten nicht nur vor Bombardements, sondern vor der Willkür an der eigenen Haustür.

Aus israelischer Perspektive lässt sich dieses Verhalten leicht einordnen: Hamas behauptet, Ordnung wiederherzustellen, sorgt aber faktisch für die Fortsetzung des Chaos. Indem die Organisation Felder wie Versorgung, Mobilität und öffentliche Ordnung monopolisert, unterminiert sie langfristig jede Perspektive auf Normalisierung. Israel sieht eine Organisation, die nicht an Stabilität interessiert ist, sondern an Machterhalt — auch auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Das erklärt die harte, sicherheitspolitische Haltung in Jerusalem gegenüber allen Versuchen, Hamas als zivile oder legitimierbare Kraft darzustellen.

Widerstand gegen diese Dynamik ist schwierig: Wer die Macht der Gewalt herausfordert, riskiert Verfolgung; wer stillhält, ernährt das System. Für Außenstehende — Staaten, Hilfsorganisationen, Diplomaten — bleibt die Frage: Wie kann man humanitäre Hilfe und ziviles Leben stärken, ohne die Verhältnisse zu zementieren? Die Antwort verlangt klare Bedingungen: Unterstützung für die Zivilgesellschaft, Schutz für unabhängige Händler und transparente, internationale Mechanismen, die nicht von der Hamas instrumentalisiert werden können.

Ohne Druck auf die Strukturen, die Macht monopolisieren, droht Gaza langfristig, in einer von Gewalt geprägten Kleinstaatlichkeit zu verbleiben. Will die internationale Gemeinschaft Hilfe leisten, muss sie zugleich die Machtstrukturen benennen und Maßnahmen unterstützen, die Machtmonopole aufbrechen — nicht durch naive Gespräche, sondern durch gezielte Schutz- und Aufbauprogramme für die Bevölkerung.

Hamas mag kurzfristig „Ordnung“ herstellen. Doch echte Normalität, Wohlstand und Sicherheit entstehen nicht durch Verbote und Einschüchterung, sondern durch Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Perspektiven und den Schutz individueller Freiheiten. Solange die Organisation das Gegenteil betreibt, bleiben die Menschen in Gaza die Verlierer eines Systems, das sich selbst zur wichtigsten Instanz über Leben und Tod erklärt.


Autor: Redaktion
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Montag, 03 November 2025

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