Ankaras langer Arm in Gaza – Israels wachsender Argwohn gegenüber der Türkei

Ankaras langer Arm in Gaza – Israels wachsender Argwohn gegenüber der Türkei


Während Recep Tayyip Erdoğan versucht, die Zukunft Gazas mitzugestalten, warnt Jerusalem vor einer türkischen Machtübernahme unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe. Hinter dem diplomatischen Engagement steht ein strategisches Ziel: die Schwächung Israels auf der internationalen Bühne.

Ankaras langer Arm in Gaza – Israels wachsender Argwohn gegenüber der Türkei

Im Schatten des Waffenstillstands in Gaza und auf dem Rücken der komplizierten amerikanisch-türkischen Annäherung wächst ein geopolitisches Spannungsfeld, das in Jerusalem mit Sorge verfolgt wird. Die Türkei, einst isoliert im Nahen Osten, nutzt die Phase nach dem Krieg, um sich als unverzichtbarer Akteur im sogenannten „Tag danach“ zu positionieren – und versucht dabei, Schritt für Schritt wieder Fuß in Gaza zu fassen.

Recep Tayyip Erdoğan, der sich seit Jahren als selbsternannter Beschützer der Palästinenser inszeniert, drängt darauf, Ankara eine Rolle im künftigen internationalen Stabilisierungskorps zu sichern, das nach den Vorstellungen Washingtons und der arabischen Vermittler in Gaza stationiert werden soll. Während die USA und Teile Europas diesem Ansinnen offen gegenüberstehen, stößt es in Israel auf klare Ablehnung.

„Die Türkei versucht, ihre regionale Macht auf Kosten Israels auszubauen“, warnt ein hochrangiger israelischer Regierungsvertreter. „Sie will als Vermittler erscheinen, doch in Wahrheit geht es ihr darum, Israels Ansehen in der Welt zu untergraben. Diese Einflussnahme dürfen wir nicht zulassen.“

Jerusalem hat seine Haltung unmissverständlich formuliert: Weder türkische Truppen noch türkische Unternehmen sollen Teil des internationalen Wiederaufbau- oder Überwachungsmechanismus werden. Auch die Beteiligung türkischer Baufirmen, die in den letzten Jahren eng mit Hamas-nahen Organisationen kooperierten, wird entschieden abgelehnt. Die israelische Regierung betrachtet Ankaras Vorgehen als strategischen Versuch, die Region über wirtschaftliche und politische Einflusskanäle langfristig zu dominieren.

Hinzu kommt die enge persönliche Verbindung zwischen Erdoğan und US-Präsident Donald Trump, die der türkischen Seite aktuell Rückenwind verschafft. Während Trump auf pragmatische Lösungen drängt, um den Waffenstillstand und die Geiselabkommen zu stabilisieren, sieht Erdoğan darin die Gelegenheit, die Türkei als „Schlüsselstaat zwischen Ost und West“ zu positionieren – eine Rolle, die ihm seit Jahren vorschwebt.

Doch in Israel überwiegt Misstrauen. Die Sorge ist nicht nur politischer Natur, sondern auch moralisch und sicherheitspolitisch begründet. In Ankara wird offen über eine „aktive Rolle“ in der Betreuung der Bevölkerung im südlichen Gazastreifen gesprochen, wobei türkische Vertreter regelmäßig zwischen „Zivilisten“ und Terroristen verschwimmen lassen. Erst gestern bezeichnete ein hochrangiger türkischer Regierungsbeamter rund 200 in Rafah eingeschlossene Hamas-Kämpfer als „Bürger“, für deren „sicheren Abzug“ sich seine Regierung einsetze.

Diese Wortwahl ist in Jerusalem ein Alarmsignal. Denn was die Türkei als humanitäres Engagement darstellt, sieht Israel als gezielte Unterwanderung internationaler Vereinbarungen. In Sicherheitskreisen heißt es, Ankara nutze jede diplomatische Öffnung, um Hamas-Strukturen politisch zu legitimieren.

Brisant ist auch die Behauptung des palästinensisch-amerikanischen Vermittlers Bishara Bahbah, der gegenüber dem saudischen Sender Al-Hadath erklärte, die Rückgabe der Leiche des gefallenen israelischen Offiziers Hadar Goldin sei Teil einer inoffiziellen Vereinbarung gewesen. Demnach habe Hamas die Leiche übergeben, während im Gegenzug über eine „Ausreise“ von etwa 200 Hamas-Kämpfern in ein Drittland verhandelt werde. Die Türkei, Ägypten und die USA sollen an dieser sensiblen Initiative beteiligt sein.

Amerikanische Regierungsvertreter bestätigten unterdessen, dass tatsächlich über eine „vorübergehende Umsiedlung“ der Kämpfer nachgedacht wird – bisher habe jedoch kein Staat Bereitschaft signalisiert, sie aufzunehmen. Präsident Trump soll diese Option als „praktischen Zwischenschritt“ bezeichnet haben, um eine Eskalation in Rafah zu verhindern. In Israel hingegen sieht man in dieser Idee eine gefährliche Präzedenz: Terroristen, die sich jahrelang unter der Erde versteckten, sollen nun womöglich als „Flüchtlinge“ in einem Drittland landen – mit türkischer Vermittlung.

Das Misstrauen gegenüber Erdoğan gründet sich nicht nur auf seine wiederholten Ausfälle gegen Israel, sondern auch auf konkrete Handlungen: seine Unterstützung islamistischer Netzwerke in Ostjerusalem, seine Finanzierung von NGOs, die antiisraelische Kampagnen führen, und seine regelmäßige Gleichsetzung Israels mit Terrorregimen. Für Israel ist klar: Wer Hamas politisch deckt, kann kein ehrlicher Vermittler sein.

Auch innerhalb der israelischen Sicherheitselite herrscht weitgehender Konsens. Ein ehemaliger General fasst es so zusammen: „Die Türkei will nicht helfen, sie will führen. Doch in Gaza darf kein Raum für politische Experimente bleiben. Wer heute Humanität predigt, kann morgen den Terror decken.“

Während Ankara weiter versucht, sich diplomatisch ins Spiel zu bringen, verschärft sich der Ton in Jerusalem. Das Außenministerium drängt Washington, Ankaras Ambitionen zu bremsen, bevor sie internationale Legitimation erhalten. Noch ist unklar, wie das Weiße Haus unter Trump entscheiden wird – ob es die Türkei als Partner oder als Risiko betrachtet.

Fest steht nur: Je mehr Ankara in Gaza Fuß fasst, desto tiefer wird das Misstrauen Israels. Denn hinter der Fassade diplomatischer Vermittlung steht ein Präsident, der seit Jahren versucht, Israel politisch zu isolieren und religiös zu delegitimieren.

In den Augen vieler israelischer Beobachter droht die Türkei damit, den Wiederaufbau Gazas in ein geopolitisches Projekt zu verwandeln – eines, das nicht Frieden bringt, sondern Einfluss. Und genau das ist es, was Israel verhindern will.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By The White House - https://www.flickr.com/photos/202101414@N05/54823861518/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=175884305


Montag, 10 November 2025

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