Israel unter Druck: Welle nationalistischer Gewalt in Judäa und Samaria alarmiert SicherheitsbehördenIsrael unter Druck: Welle nationalistischer Gewalt in Judäa und Samaria alarmiert Sicherheitsbehörden
In den vergangenen Wochen hat sich die Zahl extremistischer Angriffe radikalisiert auftretender Siedler gegen Palästinenser massiv erhöht. Israels Verteidigungsministerium spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung – während Polizei und Armee nur selten eingreifen.
Eine Serie brutaler Übergriffe erschüttert Judäa und Samaria. Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums kam es allein seit Mitte Oktober zu rund 50 Fällen nationalistischer Gewalt – meist von radikalisierten jüdischen Jugendlichen oder Kleingruppen, die palästinensische Bauern, Wohnhäuser und Fahrzeuge attackierten. Viele dieser Vorfälle ereigneten sich während der Olivenernte, einer Zeit, die traditionell Spannungen zwischen israelischen Siedlern und palästinensischen Dorfbewohnern verschärft.
Ein gefährlicher Trend
Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild: Laut Ministerium wurden im Jahr 2025 bislang 704 solcher Angriffe registriert – rund 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Das entspricht im Durchschnitt etwa zwei Vorfällen pro Tag. Die Vereinten Nationen sprechen sogar von 264 dokumentierten Angriffen allein im Oktober – mehr als in jedem Monat des vergangenen Jahres. Besonders betroffen sind die Regionen um Ramallah, Nablus (Schechem) und Hebron, wo sich innerhalb von fünf Jahren die Zahl solcher Taten nahezu verdoppelt hat.
Der jüngste Vorfall: Rund 50 maskierte Extremisten stürmten die Dörfer Beit Lid und Deir Sharaf, griffen Anwohner an, zündeten Häuser und Fahrzeuge an. Nur Tage zuvor war ein israelischer Aktivist verprügelt worden, weil er palästinensischen Bauern bei der Ernte helfen wollte.
Militär warnt vor Eskalation
Ein hochrangiger Offizier sagte gegenüber N12, dass die Situation „eine gefährliche und nicht länger hinnehmbare Realität“ geschaffen habe. Das Militär sehe sich gezwungen, Kräfte zur Eindämmung solcher Übergriffe einzusetzen – Kräfte, die an anderer Stelle zur Terrorabwehr gebraucht würden. „Wenn anarchistische Jugendliche gegen Unschuldige und selbst gegen Sicherheitskräfte Gewalt anwenden, überschreiten sie jede Grenze“, so der Offizier.
Die Armee habe eine klare Weisung erhalten, nationalistisch motivierte Angriffe aktiv zu verhindern. Doch die Praxis zeigt: Viele Täter werden nicht gefasst, noch weniger angeklagt. Laut offiziellen Angaben kam es 2025 bisher zu nur 57 Festnahmen, und lediglich 43 Anklagen wurden erhoben – eine statistisch fast bedeutungslose Quote.
Scharfe Verurteilung und politische Zurückhaltung
Auch führende Vertreter der israelischen Siedlungsbewegung äußerten sich inzwischen besorgt. Der Vorsitzende des Regionalrats Samaria, Yossi Dagan, sowie mehrere Bürgermeister erklärten, sie „verurteilten die Gewalt aufs Schärfste“ und verlangten entschlossenes Handeln der Polizei. Zugleich warnten sie jedoch vor einer pauschalen Stigmatisierung der gesamten Siedlerbevölkerung: „Eine kleine, gewalttätige Minderheit repräsentiert nicht die halbe Million gesetzestreuen Bewohner Judäas und Samarias“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Gleichzeitig kritisieren Menschenrechtsgruppen und israelische Oppositionspolitiker die fehlende Strafverfolgung. Die Gewalt, so ihr Vorwurf, sei längst kein Randphänomen mehr, sondern Ausdruck einer ideologischen Radikalisierung, die auch das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Sicherheitsapparat gefährde.
Zwischen Recht, Ordnung und Verantwortung
Das Phänomen der nationalistisch motivierten Gewalt stellt Israel vor ein Dilemma: Der Staat muss das Recht auf Selbstverteidigung und das Sicherheitsinteresse der Siedler schützen – ohne dabei die Rechtsstaatlichkeit aufzugeben. Wenn jüdische Extremisten Palästinenser attackieren, beschädigen sie nicht nur die internationale Glaubwürdigkeit Israels, sondern auch das moralische Fundament, auf dem der Staat gegründet wurde.
Die wachsende Zahl solcher Übergriffe zeigt, dass eine entschlossene Strategie notwendig ist – nicht nur polizeilich, sondern auch gesellschaftlich. Bildung, Prävention und klare politische Botschaften müssen jene erreichen, die glauben, im Namen des Patriotismus Gewalt rechtfertigen zu dürfen. Denn wo der Staat schweigt oder zögert, entsteht ein gefährlicher Raum, in dem Selbstjustiz und ideologischer Fanatismus gedeihen.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Symbolbild KI generiert
Mittwoch, 12 November 2025