Der Orthodoxe Machtkampf, der Israels Wehrdienstgesetz blockiertDer Orthodoxe Machtkampf, der Israels Wehrdienstgesetz blockiert
Nicht der Boykott der ultraorthodoxen Parteien lähmt derzeit die Regierung, sondern ein innerreligiöser Machtkampf: In der Welt der litauischen Rabbiner tobt ein Konflikt um Einfluss und Autorität – und er blockiert eines der sensibelsten politischen Themen Israels: das Gesetz zur Wehrdienstbefreiung für Jeschiwa-Schüler.
Seit Wochen stockt der politische Prozess. Nach Angaben hochrangiger ultraorthodoxer Politiker ist der Grund dafür kein Streit zwischen den Koalitionsparteien, sondern ein Machtkampf zwischen zwei der bedeutendsten geistlichen Autoritäten des Landes – dem Haus von Rabbi Moshe Hillel Hirsch und dem Haus von Rabbi Dov Landau. Beide gelten als geistige Führer der litauischen Strömung des Judentums.
Ein Konflikt um Autorität, nicht um Inhalte
Vor rund zwei Wochen wollte der Vorsitzende des Auswärtigen- und Verteidigungsausschusses, Boaz Bismuth, den neuen Gesetzesentwurf zur Wehrdienstbefreiung vorstellen – ausgearbeitet in Abstimmung mit Vertretern der Parteien Schas und Degel HaTora. Das Vorhaben sollte die Rückkehr der Schas-Minister in die Regierung ermöglichen und den Boykott der Partei Vereinigtes Thora-Judentum beenden. Doch der Plan wurde im letzten Moment gestoppt.
Die Abgeordneten von Degel HaTora hatten zuvor den Entwurf Rabbi Hirsch vorgelegt. Nach einer fast zweistündigen Beratung erklärte dieser, er habe Einwände gegen einzelne Passagen, sehe aber grundsätzlich keine Hindernisse – vorausgesetzt, Rabbi Landau stimme zu. Doch Rabbi Landau, der zu diesem Zeitpunkt krank war, empfing niemanden – und seitdem herrscht Schweigen. Der Entwurf liegt auf Eis, und die Koalition wartet auf das Wort des Rabbis.
„Ein Kampf um den letzten Satz“
Innerhalb der ultraorthodoxen Welt kursieren Gerüchte, dass nicht religiöse, sondern machtpolitische Motive hinter der Blockade stehen. „Das ist kein Streit über Paragrafen, sondern über Macht“, sagte ein führender Haredi-Funktionär gegenüber N12. „Es geht darum, wer das letzte Wort hat. Als Rabbi Hirsch seine Zustimmung signalisierte, entstand der Eindruck, dass er die Führung innehat. Im Lager von Rabbi Landau wollte man zeigen, dass nur er entscheidet – also hält man die Erklärung zurück.“
Ein anderer hochrangiger Vertreter warnte: „Das ist das erste Mal, dass der interne Machtkampf den Interessen der ultraorthodoxen Gemeinschaft direkt schadet. Junge Männer werden verhaftet, die Armee stellt Haftbefehle aus, staatliche Mittel sind eingefroren – und alles nur, weil einige um Einfluss kämpfen.“
Die Macht hinter den Rabbinern
Rabbi Dov Landau und Rabbi Moshe Hillel Hirsch sind keine persönlichen Gegner. Sie kennen sich seit Jahrzehnten, leiten gemeinsam die berühmte Jeschiwa Slobodka in Bnei Brak und gelten als Menschen, die sich gegenseitig respektieren. Doch in ihren Häusern agieren junge, ehrgeizige Berater und sogenannte „Askanim“ (religiös-politische Aktivisten), die oft über das Schicksal ganzer politischer Prozesse entscheiden.
„Diese Leute meinen, sie vertreten den Willen der Rabbiner, aber in Wahrheit treiben sie ihre eigenen Interessen voran“, sagt ein altgedienter Parteimann. „Das gab es schon in der Vergangenheit – doch diesmal zerstört es den Zusammenhalt der Gemeinschaft und gefährdet sogar den politischen Einfluss der Haredim selbst.“
Wenn Politik und Religion kollidieren
Während das Gesetz in der Schublade bleibt, wächst der Druck in der Koalition. Schas wartet auf ein grünes Licht der litauischen Führung, um die parteiinternen Gegner zu besänftigen. Premierminister Benjamin Netanjahu sieht eines seiner zentralen politischen Projekte – die Neuordnung der Wehrpflicht für Ultraorthodoxe – auf unbestimmte Zeit blockiert.
„Ich erinnere mich an keine Situation, in der unsere Abgeordneten einfach nicht handeln konnten, obwohl das Gesetz eindeutig in unserem Interesse liegt“, sagt ein anderer Haredi-Politiker. „Zuerst baten wir Netanjahu, die Veröffentlichung zu verschieben, aber jetzt ist klar: Der Stau liegt an uns selbst.“
Degel HaTora weist die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher der Partei erklärte: „Es handelt sich um böswillige Gerüchte von Leuten mit Eigeninteressen. Der Diskussionsprozess ist ernsthaft und professionell – aber nicht für die Medien bestimmt.“
Trotz der Beschwichtigungen ist klar: Der Konflikt zwischen den Häusern Landau und Hirsch hat sich von einem innerreligiösen Machtkampf zu einer nationalen Frage entwickelt. Erst wenn Rabbi Landau seine Entscheidung fällt, wird sich zeigen, ob Israels ultraorthodoxe Parteien wieder zu einer gemeinsamen Linie finden – oder ob die Risse in ihrer Führung dauerhaft bleiben.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Donnerstag, 13 November 2025