Ein New Yorker Scheich in Israel: Warum eine muslimische Delegation den Mut fand, dem antijüdischen Zeitgeist zu widersprechen

Ein New Yorker Scheich in Israel: Warum eine muslimische Delegation den Mut fand, dem antijüdischen Zeitgeist zu widersprechen


Während ein Teil der politischen Bühne in den USA Israel öffentlich meidet, setzt eine kleine Gruppe muslimischer Führungspersönlichkeiten ein Gegenzeichen – persönlich, sichtbar, unbeirrbar. Ihr Besuch zeigt, dass echte Solidarität nicht in Parolen lebt, sondern in Begegnungen.

Ein New Yorker Scheich in Israel: Warum eine muslimische Delegation den Mut fand, dem antijüdischen Zeitgeist zu widersprechen

Dass eine muslimische Delegation aus New York, Dallas und dem arabisch-amerikanischen Umfeld gerade jetzt nach Israel reist, wäre noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen. Seit dem 7. Oktober steht das Land unter einem Schock, der weit über seine Grenzen hinausreicht. Umso erstaunlicher wirkt es, wenn religiöse Autoritäten aus der muslimischen Welt nicht Distanz suchen, sondern Nähe. Sie kamen, um zu hören, um zu lernen, um das Leid der jüdischen Gemeinschaft nicht nur zu verstehen, sondern als Warnung für die gesamte Menschheit mitzunehmen.

Organisiert wurde die Reise von Sharaka, einer Initiative, die seit den Abraham-Abkommen praktische Brücken zwischen Israelis und arabischen bzw. muslimischen Gemeinschaften baut. Keine PR-Reisen, keine Hochglanzgespräche, sondern echte Begegnungen. Gerade diese Art von Dialog hat seit Oktober 2023 an Bedeutung gewonnen – und an Mut. Denn wer sich heute offen für Juden und Israel einsetzt, stellt sich oft gegen den sozialen Druck der eigenen Community.

Ein Besuch als Widerspruch gegen politischen Opportunismus

Für Sheikh Musa Drammeh, Gründer der Muslim Media Corporation in New York, war das Motiv klar. Er empfand es als unerträglich, dass ein Politiker wie Zohran Mamdani öffentlich erklärte, er würde Israel nicht besuchen – eine Absage, die nicht als Kritik an politischer Führung formuliert war, sondern als Ablehnung des Landes an sich. Für Drammeh überschreitet das die Grenze zur Judenfeindlichkeit. Wer solches Auftreten unwidersprochen lässt, so seine Warnung, macht es salonfähig.

Deshalb organisierte er die Reise: als sichtbares Zeichen, dass New Yorks muslimische Gemeinschaft nicht monolithisch ist und dass der lauteste Ton nicht automatisch der moralisch verbindliche ist. Sein Ziel war, zu zeigen, dass Solidarität nicht schweigt, wenn es unbequem wird.

Gemeinsam mit seiner Frau formte er aus dieser Überzeugung die Initiative „Unbreakable Bond“ – ein Bekenntnis, dass politischer Mut nicht digital entsteht, sondern im persönlichen Kontakt.

Interreligiöse Stimmen, die nicht ins klischeehafte Raster passen

Besonders eindrücklich ist die Geschichte von Imam Nuriddin Shakir Mustafaa aus Dallas. Seit den frühen 1990er-Jahren lebt er Interfaith nicht als Konzept, sondern als Alltag. Mit seiner christlichen Ehefrau baut er seit Jahrzehnten Plattformen, in denen Juden, Christen und Muslime gemeinsam über ihre Texte, Propheten und Werte sprechen. Lange bevor Dialog zur Mode wurde, stand er dafür ein – und bezahlte dafür auch gesellschaftliche Preise.

Er spricht in Israel nicht von „Balance“ oder „beiden Seiten“, sondern von Verantwortung. Er will jüdisches Trauma nicht relativieren, sondern daraus warnen. Wer die Geschichte der Juden verdränge, öffne der Wiederholung die Tür.

Ähnlich tritt Shireena Drammeh auf, eine muslimische Pädagogin aus dem Bronx, die seit 9/11 daran arbeitet, jungen Muslimen ein selbstbewusstes, offenes und gewaltfreies Weltbild zu vermitteln. Sie kam nicht, um politische Forderungen zu stellen, sondern um ein Grundprinzip zu bekräftigen: dass Mord an einem Menschen nach islamischem Verständnis dem Mord an der gesamten Menschheit gleichkommt. Ihr Credo ist kein politisches Statement, sondern religiöse Ethik.

Warum dieser Besuch für Israel eine emotionale Tiefe hat

Für die israelischen Gastgeber war die Delegation ein seltener Trost in einer dunklen Zeit. Alyssa Annis, Holocaust-Pädagogin bei Sharaka, beschreibt es als seltenes Gefühl von Hoffnung: nicht theoretisch, sondern spürbar. Seit Oktober 2023 hört sie vor allem die extremen Stimmen aus der arabischen Welt. Doch der Besuch erinnert daran, dass die stillen Unterstützer zahlreicher sind, als viele ahnen.

Die Delegation kam, um zuzuhören – über die Shoa, über jüdisches Gedenken, über die Massaker vom 7. Oktober. Und sie kam, um diese Erfahrungen nach Hause zu tragen, dorthin, wo sie in ihren Gemeinden echte Wirkung entfalten können.

Die Geschichte, die alles sprengt: Ein Beduine, der jüdische Festivalbesucher rettete

Der emotionalste Moment war der Bericht von Niv Reuveni, einem Überlebenden des Nova-Festivals. Seine Geschichte zerstört jedes einfache Narrativ: Er überlebte, weil ein Beduine aus Rahat, Yusuf Ziadna, ihn und andere versteckte, schützte und sogar den Terroristen entgegentrat, um ihr Leben zu retten.

Ziadna schilderte es schlicht: Menschen flohen zu ihm, und er konnte sie nicht draußen lassen. Er riskierte sein Leben, weil er nicht anders konnte. Für die muslimischen Besucher war diese Erzählung ein tiefes Zeugnis dafür, dass Menschlichkeit die religiösen oder ethnischen Schablonen übersteigt, die in sozialen Netzwerken jeden Tag reproduziert werden.

Ein Gegenbild zum Lärm des digitalen Aktivismus

Der Besuch der Delegation bedeutet nicht, dass Konflikte verschwinden oder politische Differenzen belanglos werden. Aber er zeigt, dass echte Begegnung etwas schafft, das im digitalen Klima der Schlagworte fast vergessen wurde: Vertrauen. Wer einander in die Augen sieht, verliert die Neigung zu Pauschalurteilen. Wer gemeinsam Geschichten hört, erkennt die Verzerrungen, die im Netz täglich kursieren.

Gerade deswegen ist diese Delegation so bedeutsam. Sie zeigt, dass inmitten eines globalen Chorals der Polarisierung Menschen existieren, die Frieden nicht als Modewort gebrauchen, sondern als Pflicht verstehen.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot X


Freitag, 14 November 2025

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