Türkei und Israel im globalen Drohnenwettlauf – Gefahr einer Konfrontation über SyrienTürkei und Israel im globalen Drohnenwettlauf – Gefahr einer Konfrontation über Syrien
Die militärische Rivalität zwischen Jerusalem und Ankara hat eine neue Dimension erreicht: Israels Hightech-Drohnenindustrie steht in direkter Konkurrenz zu den aggressiv expandierenden türkischen Herstellern. Beide Länder zählen heute zu den weltweit führenden Produzenten unbemannter Waffensysteme – und die Frontlinie ihres wirtschaftlichen Machtkampfs könnte bald über Syrien verlaufen.
Seit dem Bruch der sicherheitspolitischen Kooperation nach der „Mavi-Marmara“-Affäre 2010 hat die Türkei ihre eigene Rüstungsindustrie mit enormer Geschwindigkeit aufgebaut. Während Israel einst das Rückgrat der türkischen Luftaufklärung bildete – insbesondere durch die Lieferung der IAI-Heron-Drohnen – setzte Präsident Erdoğan nach dem diplomatischen Zerwürfnis auf nationale Eigenproduktion. Der Anstoß kam ausgerechnet aus dem Umfeld seiner Familie: Baykar, das Unternehmen seines Schwiegersohns Selçuk Bayraktar, ist heute der größte türkische Drohnenexporteur.
Der neue Konkurrenzkampf in den Lüften
Laut Daten des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) liegt Israel im Zeitraum 2020–2024 mit 3,1 % am weltweiten Waffenhandel auf Platz 8, während die Türkei mit 1,7 % bereits Rang 11 erreicht hat – Tendenz steigend. Während Israels Anteil leicht sank, hat sich der türkische Exportanteil in den letzten Jahren verdoppelt.
Beide Länder setzen auf Modelle, die sich im Kampfeinsatz bewährt haben. Israels Hermes-900 und Harop-Drohnen wurden in den letzten Konflikten im Iran und im Gazastreifen eingesetzt, während die türkischen Bayraktar- und Akinci-Systeme in der Ukraine, in Libyen und in Berg-Karabach Schlagzeilen machten. Doch Fachleute warnen, dass der Wettlauf um Marktanteile auch eine militärische Dimension bekommt.
Dr. Eyal Pinko vom Begin-Sadat Center for Strategic Studies erklärt: „Die Türkei ist in Nord-Syrien fest verankert, Israel agiert vor allem im Süden. Doch die Luft ist der gemeinsame Raum – und dort kann ein Zusammenstoß leicht passieren, selbst unbeabsichtigt.“ Ein solcher Zwischenfall, sagt Pinko, könnte „eine gefährliche Eskalationsspirale“ auslösen, da Drohnenoperationen im Gegensatz zu bemannten Flügen oft unterhalb der Eskalationsschwelle bleiben.
Technologische Dominanz und Propaganda
Während die türkischen Medien die israelischen Luftschläge kaum noch erwähnen, analysiert Ankara sehr genau die Fortschritte der israelischen Militärtechnologie. Dr. Hay Eytan Cohen Yanarocak vom Moshe-Dayan-Zentrum in Tel Aviv betont: „Die türkische Industrie wurde ursprünglich auf israelischen und amerikanischen Komponenten aufgebaut. Heute präsentiert sich Erdoğan als Symbol nationaler Unabhängigkeit – doch das Fundament stammt aus Israel.“
Tatsächlich verdankt Baykar seinen Aufstieg israelischer und westlicher Technologie. Dennoch inszeniert sich die Türkei als Vorreiter islamischer Rüstungsautarkie. Der Slogan „Wir brauchen keine fremden Lieferanten mehr“ ist zu einem politischen Mantra geworden, mit dem Ankara seine militärische Expansion legitimiert.
Exportstrategien im Vergleich
Während Israel seine Rüstungsexporte strengen rechtlichen Auflagen unterwirft, agiert die Türkei deutlich unkontrollierter. Ankara liefert Drohnen an 178 Länder, darunter Pakistan, Katar und afrikanische Staaten mit geringem Einkommen. Nach türkischem Modell werden gelegentlich Drohnen „verschenkt“, um anschließend Wartungs- und Ersatzteilverträge zu erzwingen – ein Vorgehen, das für Israel undenkbar wäre.
Israel hingegen verfolgt eine sicherheitspolitisch selektive Exportstrategie, die von der Abteilung für Rüstungskontrolle (DECC) des Verteidigungsministeriums überwacht wird. Diese Zurückhaltung schränkt zwar den Marktanteil ein, wahrt aber die politische Stabilität Israels und verhindert, dass israelische Technologie in die Hände feindlicher Akteure gerät.
Dronen als nationales Wachstumsprojekt
Der israelische Branchenexperte Alon Unger, Gründer der Unmanned Vehicles Israel Defense Conferences, fordert angesichts der türkischen Expansion eine nationale Strategie: „Drohnen müssen als Wachstums- und Sicherheitsmotor verstanden werden. Wir dürfen uns nicht auf Importe oder ausländische Standards verlassen.“ Er kritisiert die starke Bürokratisierung in Israel: „Für jede technische Anpassung braucht man eine Genehmigung – während die Türken längst produzieren.“
Israels Verteidigungsministerium reagiert nun mit einer umfassenden Koordinierung zwischen den Ressorts für Verteidigung, Wirtschaft und Technologie. Das Ziel ist, den Vorsprung in künstlicher Intelligenz, Sensorik und Miniaturisierung zu nutzen, um die internationale Führungsrolle zurückzuerobern.
Gefahr einer Konfrontation über Syrien
Die geopolitische Konkurrenz könnte sich schon bald auf syrischem Boden zuspitzen. Präsident Ahmed al-Sharaa, der in enger Abstimmung mit Erdoğan regiert, erlaubt türkischen Drohnenoperationen im Norden des Landes – ein Bereich, den Israel wiederum als sensibel für die eigene Grenzsicherheit betrachtet.
„Ein versehentlicher Abschuss oder eine Fehlinterpretation eines Fluges kann zu einer direkten Konfrontation führen“, warnt Pinko. „Und wenn zwei High-Tech-Mächte ihre unbemannten Systeme über demselben Luftraum operieren, reicht ein technischer Fehler für eine Krise.“
Während Israel auf Präzision und Aufklärung setzt, nutzt Ankara seine Drohnen zunehmend als geopolitisches Werkzeug – zur Einflussnahme in Afrika, Zentralasien und im Nahen Osten. Beide Staaten sehen ihre Technologie als Ausdruck nationaler Stärke, doch nur einer kann den Luftraum über Syrien kontrollieren.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Ronite, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117425801
Sonntag, 16 November 2025