Die wöchentliche Mahnwache endet – doch die offene Wunde bleibtDie wöchentliche Mahnwache endet – doch die offene Wunde bleibt
Nach über zwei Jahren soll die zentrale Geisel-Mahnwache am „Platz der Entführten“ auslaufen. Zurück bleiben drei Geiseln in den Händen der Hamas – und Familien, die ihren Kampf neu ordnen müssen.
Mehr als zwei Jahre lang war die wöchentliche Versammlung der Angehörigen der entführten Israelis ein fester Bestandteil des öffentlichen Lebens. Jeden Samstag erinnerten sie das Land und die Welt daran, dass hinter politischen Entscheidungen Menschen stehen, deren Leben stillsteht. Nun zeichnet sich ab, dass diese regelmäßigen Kundgebungen zum Monatsende beendet werden. Die Entscheidung ist kein Symbol des Aufgebens, sondern ein Wendepunkt: Die verbleibenden Ressourcen sollen neu ausgerichtet werden – auf jene Familien, deren Angehörige immer noch im Gazastreifen festgehalten werden.
Seit dem 8. Oktober 2023, dem Tag nach dem Massaker, war das Familienforum ein zentraler Ort für Trauer, Druck und Hoffnung. Damals befanden sich 255 Menschen in der Gewalt der Hamas. Das Forum brachte Angehörige zusammen, stellte Kontakte zu diplomatischen Kanälen her, hielt internationalen Druck aufrecht und gab Hunderttausenden eine Plattform, die nicht bereit waren, das Schicksal der Geiseln zu vergessen. Mit jeder Woche wuchs die Dringlichkeit, aber auch die Erschöpfung.
Heute, mehr als zwei Jahre später, sind in der Gefangenschaft der Hamas noch drei Menschen: Dror Or aus Be’eri, der Polizeibeamte Ran Goili vom Spezialeinsatzdienst und der thailändische Staatsbürger Sutthisak Rintalak. Ihre Familien stehen weiterhin zwischen Verzweiflung und Erwartung – und genau für sie sollen die verbleibenden Mittel eingesetzt werden. Nicht mehr für die große Bühne, sondern für konkrete Strategien, die ihnen helfen könnten, neue Türen zu öffnen und internationale Aufmerksamkeit gezielt zu nutzen.
Für viele Angehörige ist das Ende der wöchentlichen Mahnwache ein tief emotionaler Moment. Der „Platz der Entführten“ war mehr als nur ein Ort; er war ein Zufluchtsraum, ein kollektiver Atemzug zwischen Angst und Widerstand. Dort fanden die Stimmen der Familien Gehör, dort versammelten sich zahllose Bürgerinnen und Bürger, um ihre Solidarität sichtbar zu machen. Die Entscheidung, diese regelmäßigen Treffen zu beenden, ist von der Erkenntnis getragen, dass auch ein Forum, das aus Schmerz geboren wurde, sich weiterentwickeln muss.
Die Frage, die bleibt, ist drängend: Was geschieht mit jenen drei Männern, die weiterhin in den unterirdischen Verliesen der Hamas festgehalten werden? Deren Existenz für die Terrororganisation längst ein politisches Werkzeug geworden ist? Die israelische Gesellschaft mag zu neuen Nachrichten übergehen, doch für die betroffenen Familien bleibt die Zeit stehen. Jeder Tag ist ein Tag zu viel.
Die Verantwortlichen im Familienforum betonen, dass die Einstellung der regelmäßigen Kundgebungen nicht das Ende ihres Engagements bedeutet. Im Gegenteil: Es handelt sich um eine strategische Neuausrichtung, um die verbliebenen Kräfte gezielter einzusetzen. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche Wege die Angehörigen wählen – und welche Unterstützung die israelische Öffentlichkeit ihnen weiterhin bieten kann.
Die Geschichte des Forums begann mit 255 Geiseln. Sie endet nicht, weil nur drei geblieben sind. Sie bleibt offen, weil das Land ihnen weiterhin verpflichtet ist. Bis der letzte Mensch aus der Gefangenschaft der Hamas zurückkehrt.
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Dienstag, 18 November 2025