Litauische Rabbiner öffnen Beratungen zum Wehrdienstgesetz – doch die Entscheidung bleibt offenLitauische Rabbiner öffnen Beratungen zum Wehrdienstgesetz – doch die Entscheidung bleibt offen
Die litauischen Rabbiner öffnen die Tür für weitere Beratungen zum Wehrdienstgesetz. Noch ist nichts entschieden, doch der zögerliche Schritt zeigt, wie ernst die Lage für Israels Regierung und Armee geworden ist.
Die vorsichtige Zustimmung der litauischen rabbinischen Führung, die Beratungen zum neuen Wehrdienstgesetz im parlamentarischen Ausschuss fortzuführen, ist ein Moment von seltener Klarheit. Sie zeigt nicht nur die innere Spannung in der ultraorthodoxen Parteienlandschaft – sie zeigt vor allem, wie dringend Israel einen tragfähigen, verantwortungsvollen und nüchternen Rahmen für die Dienstpflicht seiner Bürger braucht. Ein Land, das nach einem harten Krieg nach Stabilität sucht, kann sich keine politischen Schleifen mehr leisten.
Wochenlang hatten Rabbi Dov Landau und Rabbi Moshe Hirsch gezögert. Jetzt geben sie Degel HaTorah das Recht, weiterzuverhandeln. Doch sie lassen offen, ob sie das Gesetz am Ende auch tragen. Diese Zurückhaltung ist kein Spiel, sondern Ausdruck der Tatsache, dass ein gemeinsamer Weg zwischen religiösen Verpflichtungen und staatlicher Verantwortung sensibel austariert werden muss. Erst wenn der fertige Entwurf im Plenum liegt, wollen die Rabbiner endgültig entscheiden. Für die Koalition bedeutet das: Kein Gesetz ohne klare Zusage der Partei – und diese Zusage gibt es noch nicht.
Ein politisches Lager zwischen Kooperation und Widerstand
Innerhalb der ultraorthodoxen Parteien zeigt sich ein geteiltes Bild. Während Degel HaTorah und Schas hinter den Kulissen koordiniert arbeiten und sich vorsichtig dem Gesetz nähern, stellt sich Agudat Israel bislang quer. Yitzhak Goldknopf lehnt jede Form von Sanktionen gegen Torahschüler ab und verweist auf eine lange Tradition des Lernens, die für viele religiöse Familien identitätsstiftend ist. Doch selbst in seiner Fraktion gibt es Stimmen, die in einem Kompromiss einen Vorteil erkennen könnten.
Diese Uneinheitlichkeit zeigt: Das Thema berührt die ultraorthodoxe Gesellschaft selbst. Auch dort gibt es junge Männer, die sich am Rand der Jeschiwawelt bewegen, auch dort wächst das Bewusstsein, dass eine Nation im Ausnahmezustand nicht unbegrenzt auf die gleichen Schultern setzen kann. Und doch ist die religiöse Perspektive klar: Torahstudium ist nicht nur eine Lebensentscheidung, sondern ein geistiges Rückgrat der Gemeinschaft.
Der Staat braucht Klarheit – und seine Soldaten brauchen Fairness
Israel steht seit Monaten vor einer Realität, die sich nicht wegdiskutieren lässt. Reservisten haben einen Dienst geleistet, der über alles Erwartbare hinausging. Die Armee meldet Engpässe. Gleichzeitig existiert seit dem Ende der letzten Regelung keine gültige gesetzliche Grundlage für die Befreiung von Jeschiwastudenten. Das Oberste Gericht hat wiederholt erklärt, dass eine dauerhafte Ungleichbehandlung ohne klare Begründung nicht haltbar ist.
Diese nüchterne Lage zwingt die Politik zum Handeln – und zwar zu einem Handeln, das beiden Seiten gerecht werden muss: den Bürgern, die dienen, und jenen, deren religiöser Weg anders verläuft. Ein modernes Land kann sich weder ideologische Starrheit noch impulsive Schnellschüsse leisten. Es braucht ein Gesetz, das Bestand hat, über Wahlperioden hinaus. Ein Gesetz, das nicht aus Angst vor Parteiverlusten entsteht, sondern aus Verantwortung.
Die Bedeutung des rabbinischen Signals
Dass die litauischen Rabbiner nun Bewegung zulassen, ist kein Durchbruch, aber ein ernstzunehmendes Zeichen. Es bedeutet, dass Gespräche möglich bleiben. Es bedeutet, dass sich ein Fenster für eine stabile Lösung öffnet. Und es bedeutet auch, dass Premierminister Netanyahu Zeit gewinnt, um seine Koalition zu stabilisieren und einen Haushalt durchs Parlament zu bringen.
Doch dieses Fenster ist schmal. Solange die Rabbiner kein finales „Ja“ geben, bleibt die Unsicherheit bestehen. Solange die ultraorthodoxen Parteien ihren Boykott nicht vollständig aufheben, bleibt die Regierung auf Abruf. Und solange die Opposition jede neue Verzögerung als Ausdruck politischer Nachlässigkeit deutet, bleibt die gesellschaftliche Debatte angespannt.
Die nüchterne Wahrheit lautet: Israel braucht ein Wehrdienstgesetz, das die Menschen nicht gegeneinander stellt, sondern den Staat stärkt. Die aktuelle Entscheidung zeigt zumindest, dass ein Weg dorthin weiterhin offen steht. Ob die politische Führung den Mut findet, diesen Weg verantwortungsvoll zu gehen, wird erst der kommende Monat zeigen.
Autor: Redaktion
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Mittwoch, 19 November 2025