Hamas warnt vor „Zusammenbruch der Waffenruhe“ – während die eigenen Kämpfer in Panik geratenHamas warnt vor „Zusammenbruch der Waffenruhe“ – während die eigenen Kämpfer in Panik geraten
Wut in Gaza, Drohungen Richtung Kairo, Beschwichtigungen vor laufender Kamera – und parallel dazu verzweifelte Hamas-Kämpfer, die aus hungernden Tunneln fliehen. Die Terrororganisation versucht, Kontrolle zu simulieren. Doch die Realität bröckelt.
Die vergangenen 48 Stunden haben ein selten klares Bild geliefert: Hamas steht unter Druck – politisch, militärisch und psychologisch. Die Terrororganisation, die seit Wochen behauptet, an der Waffenruhe festhalten zu wollen, ringt intern mit etwas viel Tieferem: Kontrollverlust.
Nach verstärkten israelischen Operationen in Gaza wandte sich die Hamas-Führung über Mittelsmänner an Ägypten und Katar – mit der Forderung, Israel müsse „sofort“ gestoppt werden, um einen Zusammenbruch der Waffenruhe zu verhindern. Diese Darstellung soll Stärke vermitteln. Tatsächlich ist sie ein Hinweis auf Nervosität.
Denn parallel zu den politischen Botschaften kam ein ganz anderes Bild aus Rafah: Kämpfer, die seit Monaten in den unterirdischen Anlagen eingeschlossen sind, versuchen zu fliehen. Nicht aus taktischer Überlegung, sondern aus Not. Wasser und Lebensmittel gehen zur Neige. Die Tunnel, lange als Symbol des Widerstands verklärt, sind zu Fallen geworden.
Fünf Hamas-Kämpfer wurden am Samstag beim Versuch, aus den zerstörten Schächten auszubrechen, von israelischen Soldaten getötet. Weitere wurden festgenommen. Alle erzählen das Gleiche: Erschöpfung, Chaos, fehlende Kommunikation zwischen den einzelnen Tunnelsegmenten. Der einst komplexe Untergrund, auf den Hamas jahrelang setzte, ist strukturell kollabiert – durch israelische Angriffe, aber auch durch die eigene Fehlplanung.
Während die Realität auf diese Weise sichtbar wird, bemüht sich die Hamas-Führung, ein anderes Narrativ zu formen. Sie erhöht den Alarmzustand ihrer Kämpfer, fordert sie auf, öffentliche Auftritte zu vermeiden, nur „vertrauenswürdigen“ Quellen zu glauben und sich nicht von israelischen Medienberichten „verunsichern“ zu lassen. Diese Warnung ist selbst ein Eingeständnis: Das Bild der allmächtigen Untergrundarmee bröckelt.
Gleichzeitig setzt Hamas alles daran, vor internationalen Kameras weiterhin als verlässlicher Akteur der Waffenruhe aufzutreten. Der Funktionär Mousa Abu Marzouk erklärte im Gespräch mit al-Dschasira, man halte sich „vollständig“ an die Bedingungen und Israel sei allein verantwortlich für alle Eskalationen. Die Behauptung, man habe keine Gespräche mit amerikanischen Vermittlern geführt, wirkt bemüht – vor allem, da zeitgleich eine hochrangige Hamas-Delegation nach Kairo gereist ist.
In Israel versteht man die Lage anders. Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte in der Kabinettssitzung, Hamas habe die Waffenruhe „immer wieder verletzt“ und handle im Schatten der internationalen Vermittlung mit kalkulierter Aggression. Israel reagiere unabhängig, „ohne Genehmigung von irgendjemandem“, und schütze seine Soldaten, wann immer Hamas versuche, den sogenannten gelben Korridor zu überschreiten.
Hamas wiederum versucht, den Eindruck israelischer „Propaganda“ zu erwehren. Bilder gefangener Kämpfer, die in israelischen Medien kursieren, sollen mutmaßlich nicht geteilt werden. Die Organisation bittet ihre Anhänger eindringlich, „kein Material aus israelischen Quellen“ zu verbreiten. Die Sorge ist nachvollziehbar: Jede Aufnahme hungernder, erschöpfter, desorientierter Hamas-Kämpfer zerstört das Bild des selbstbewussten Widerstands.
Unter dem Strich steht ein widersprüchlicher Zustand:
Auf der politischen Bühne inszeniert sich Hamas als Garant der Stabilität.
Auf dem Schlachtfeld zeigt sich eine Organisation, die zunehmend improvisiert.
In den Tunneln kämpfen ihre Kämpfer nicht mehr gegen Israel – sondern ums Überleben.
Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht, ob die Waffenruhe hält. Sondern:
Wie lange kann eine Organisation, die nach innen instabil geworden ist, nach außen Stabilität simulieren?
Autor: Redaktion
Bild Quelle:
Sonntag, 23 November 2025