Libanons Abrechnung mit Hezbollah: Wenn Schweigen keine Option mehr ist

Libanons Abrechnung mit Hezbollah: Wenn Schweigen keine Option mehr ist


Ein wütender Aufschrei aus Beirut – und ein Land, das endlich Antworten verlangt. Während ein israelischer Schlag erneut die Hauptstadt trifft, stellt ein prominenter Abgeordneter eine Frage, die längst überfällig ist: Wie lange soll der Libanon noch den Preis für Hezbollahs Kurs bezahlen?

Libanons Abrechnung mit Hezbollah: Wenn Schweigen keine Option mehr ist

Der jüngste Schlag in den südlichen Vororten Beiruts hat die politische Landschaft des Libanon wie ein Beben erschüttert. Nicht wegen der Explosion allein, sondern wegen der offenen, ungewöhnlich scharfen Worte des libanesischen Abgeordneten Fouad Makhzoumi. Er brach am Sonntag ein stilles Tabu, das den Libanon seit Jahren lähmt: das Schweigen über die Rolle der Hezbollah, die sich längst als Staat im Staat eingerichtet hat – und das gesamte Land immer tiefer in Konflikte zieht, die nicht die ihren sind.

Makhzoumi sprach von einer Hauptstadt, die jede neue Erschütterung wie eine alte Narbe spürt. Einer Stadt, deren Menschen seit Jahren zwischen politischer Lähmung, wirtschaftlicher Zerstörung und dem Schatten paramilitärischer Machtgefüge leben. Und dann fiel der Satz, der für viele Libanesen kaum weniger einschlug als der Raketenangriff: Die Zeit der Worte ist vorbei.

Ein Land, das Schutz sucht – und eine Miliz, die ihre eigene Agenda verfolgt

Seit Langem weiß die libanesische Bevölkerung, dass Hezbollah ihre Entscheidungen nicht nach dem Wohl des Landes trifft. Die Organisation orientiert sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen in Beirut oder Tripoli, sondern an strategischen Entscheidungen Teherans. Wenn israelische Streitkräfte einen hochrangigen Kommandeur wie Ali Tabatabai inmitten der Hauptstadt treffen, dann ist das kein Zufall. Es ist das Ergebnis eines jahrelangen Machtkampfes, in dem die libanesische Regierung zum Zuschauer degradiert wurde.

Makhzoumi machte klar, dass die Menschen im Libanon diesen Zustand nicht länger hinnehmen wollen. Die Behauptung, die Explosion treffe nur einen Teil der Stadt, sei eine Illusion. Der Schlag gegen den Hezbollah-Kommandeur war ein Schlag gegen das ganze Land – nicht wegen Israels Handlung, sondern wegen der Konsequenzen, die Hezbollah mit ihrem Verhalten heraufbeschwört. Die Miliz hatte wenige Tage zuvor wieder mit Drohnen- und Raketenoperationen geprahlt. Damit erzeugte sie genau jene Gefahr, vor der Millionen Libanesen seit Jahren zittern.

„Wir brauchen Taten, keine Sätze“ – vor allem von der eigenen Regierung

Besonders bemerkenswert ist Makhzoumís Hinweis auf die internationale Unterstützung. Sowohl Saudi-Arabien als auch die Vereinigten Staaten signalisierten seit Monaten ihre Bereitschaft, Beirut bei einem echten politischen Neustart zu begleiten. Doch ein Neustart setzt voraus, dass die Regierung die Entscheidungen umsetzt, die sie selbst getroffen hat: die Beschlüsse vom 5. und 7. August, die sämtliche Waffen im Land unter staatliche Kontrolle stellen sollen.

Waffen, die nicht dem Staat gehören – das bedeutet im Libanon vor allem eines: Waffen in den Händen von Hezbollah. Jahrzehntelang wurde ihre Bewaffnung als „Widerstand“ gerechtfertigt. Heute sieht man deutlicher denn je, wohin das geführt hat. Zu einem Land, das nicht frei entscheiden kann, wann es Frieden oder Krieg wählt. Zu einer Regierung, die grundlegende Sicherheitsentscheidungen nicht selbst trifft. Zu einer Bevölkerung, die immer wieder für die Entscheidungen einer Miliz bezahlen muss, deren Loyalität nicht Beirut gilt.

Israel reagiert – und zeigt, dass Abwarten keine Option war

Der Angriff auf Ali Tabatabai erfolgte laut israelischen Regierungsangaben, weil mildere Maßnahmen über ein Jahr hinweg nichts bewirkt hatten. Die Miliz rüstete sich weiter auf, trotz Waffenstillstand, trotz internationaler Druckversuche, trotz der bekannten Gefahr für Israels Nordgrenze. Für Jerusalem war klar, dass ein Kommandeur wie Tabatabai keine symbolische Figur ist, sondern ein operativer Motor der Aufrüstung.

Dass Premierminister Benjamin Netanyahu den Angriff persönlich anordnete, zeigt die strategische Bedeutung des Ziels. Es ist kein Geheimnis, dass Israel nicht bereit ist, an seiner Nordgrenze wieder jene Bedrohungsdimension zu akzeptieren, die vor dem Krieg 2024 herrschte. Die Warnungen wurden ausgesprochen, dann erneuert, dann wiederholt. Und schließlich, so argumentiert die israelische Regierung, blieb kein Spielraum mehr.

Ein Land am Scheideweg – und ein Politiker, der ausspricht, was viele fühlen

Makhzoumi beendet seinen Appell mit einer bitteren Erkenntnis: Die Zeit ist abgelaufen. Wer jetzt nur redet, macht sich mitschuldig. Zum ersten Mal seit Langem erhebt eine Stimme aus dem libanesischen Parlament offen Anspruch darauf, dass die Regierung ihre Verantwortung wahrnimmt – nicht gegenüber internationalen Akteuren, nicht gegenüber Milizen, sondern gegenüber den eigenen Bürgern.

Seine Worte sind mehr als ein politisches Statement. Sie sind ein Hilferuf. Ein Signal, dass ein Teil des Landes längst verstanden hat, dass ein funktionierender Staat nur dort existieren kann, wo Gewaltmonopole nicht geteilt werden. Der Libanon steht an einem Punkt, an dem er entscheiden muss, ob er weiter als Spielfeld fremder Mächte dient – oder ob er den Mut findet, sich selbst zurückzufordern.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: By Tasnim News Agency, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=138677142


Montag, 24 November 2025

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