Ein Jahr „Waffenruhe“ im Norden: Warum der Krieg in Libanon in Wahrheit nie geendet hat

Ein Jahr „Waffenruhe“ im Norden: Warum der Krieg in Libanon in Wahrheit nie geendet hat


Offiziell schweigen die Waffen seit einem Jahr – doch die Realität entlang der Grenze erzählt eine andere Geschichte. Israels Armee kämpft Tag für Tag darum, die Hisbollah am Wiederaufbau ihrer Angriffsstrukturen zu hindern. Die Zahlen zeigen: Der Norden blieb ein Kriegsgebiet.

Ein Jahr „Waffenruhe“ im Norden: Warum der Krieg in Libanon in Wahrheit nie geendet hat

Nach Monaten intensiver Kämpfe sollte die Front beruhigt, das Risiko einer Eskalation eingedämmt und der Norden Israels in die Normalität zurückgeführt werden. Doch niemand in Jerusalem täuschte sich über den Charakter dieser Vereinbarung: Sie war ein taktisches Innehalten, nicht das Ende eines Konflikts. Ein Jahr später wird sichtbar, wie berechtigt diese Einschätzung war. Die Hisbollah nutzte jede Lücke, um ihre Kräfte im Libanon neu zu formieren – und Israel antwortete mit entschlossener Präzision.

Ein Bericht des Sicherheitsforschungszentrums Alma legt offen, wie kontinuierlich und gezielt Israel gehandelt hat. Rund 670 Luftangriffe in nur zwölf Monaten markieren ein klares Muster: Fast jeden Tag griff die Luftwaffe strategische Ziele an, zerstörte Raketenstellungen, unterband die Arbeit von Aufklärungsteams und störte die Bewegungen von Radwan-Einheiten, der Elitekraft der Hisbollah. Diese Zahlen sind nicht abstrakt. Sie stehen für das Bemühen, zu verhindern, dass sich der Libanon erneut in eine Plattform iranischer Aggression verwandelt.

Neben den Luftoperationen führte die Armee rund 1200 Bodenaktionen entlang der Kontaktlinie durch – stille, präzise Einsätze, oft ohne Öffentlichkeit. Das Ziel war stets dasselbe: Bewegungen feindlicher Trupps unterbinden, Waffenlager ausheben, Aufklärungsvorteile sichern. Die Kombination aus punktgenauen Luftschlägen und taktischen Operationen im Grenzraum hielt die Hisbollah unter konstantem Druck. Dass die Organisation trotzdem versucht, verlorenes Terrain zurückzugewinnen, überrascht kaum. Für sie ist die Front im Süden nicht nur ein militärisches Gebiet, sondern ein politisches Werkzeug im Dienst iranischer Machtstrategien.

Die bedeutendste Operation des Jahres fand erst vor wenigen Tagen statt: der gezielte Schlag in Beirut gegen Ali Tabtaba’i, den faktischen Stabschef der Hisbollah und eine Schlüsselfigur ihrer militärischen Planung. Der Einsatz, von der Armee „Black Friday“ genannt, demonstrierte, wie weit die israelischen Fähigkeiten reichen – bis in die tiefsten Schichten der dichten städtischen Struktur Dahiyas, dem Kerngebiet der Organisation. Mit seinem Tod verliert die Hisbollah nicht nur einen erfahrenen Kommandeur, sondern auch den Architekten zahlreicher Angriffspläne.

Der Bericht zeigt zudem, welches geografische Muster sich über das Jahr herauskristallisiert. Die meisten Angriffe erfolgten im Süden Libanons, teils südlich des Litani-Flusses, teils knapp nördlich davon. Diese Regionen sind seit Jahren das Rückgrat der Raketen- und Mörserstellungen, die israelische Gemeinden bedrohen. Orte wie Aitarun und Aita al-Shaab stehen exemplarisch für die dichte militärische Präsenz, die sich unmittelbar gegenüber israelischen Orten wie Avivim und Shtula befindet. In der Bekaa-Ebene erfolgte ein weiterer Teil der Einsätze – ein Hinweis darauf, dass die Infrastruktur der Hisbollah weit über den Süden hinausgewachsen ist.

Zahlen sind jedoch nur ein Teil der Wirklichkeit. Dahinter stehen gescheiterte Entwaffnungsversprechen, ein libanesischer Staat, der längst die Kontrolle über große Teile seines Territoriums verloren hat, und eine internationale Gemeinschaft, die Resolutionen verabschiedet, ohne sie durchzusetzen. Für Israel bedeutet das: Die Armee muss die Verantwortung selbst tragen. Dies ist nicht Wahl, sondern Notwendigkeit.

Jerusalem betrachtet die Einsätze als vorbeugende Maßnahme, eine Art Brandschutz, um eine größere Katastrophe zu verhindern. Die Hisbollah verlor in einem Jahr mehr als 300 ihrer Kämpfer, darunter zahlreiche Mitglieder des Radwan-Kommandos. Doch die Organisation zeigt keine Bereitschaft, ihre Waffen abzugeben oder ihre Angriffsabsichten einzudämmen. Jeder Angriff auf Israel, jede Rakete aus libanesischem Gebiet, sei sie auch lokal begrenzt, bestätigt für die israelische Führung den Handlungsbedarf.

Die Worte des Ministerpräsidenten in dieser Woche unterstreichen den Kurs: Israel werde nicht zulassen, dass die Hisbollah ihre Stärke wieder aufbaut. Das ist keine Drohung, sondern eine nüchterne Feststellung dessen, was auf dem Spiel steht. Die Bewohner im Norden, die über Monate evakuiert waren oder weiter im Ausnahmezustand leben, erwarten genau diese Konsequenz.

Ein Jahr nach der Waffenruhe ist klar: Frieden herrscht im Norden nicht. Die relative Ruhe basiert auf anhaltender Wachsamkeit, auf präziser und entschlossener militärischer Arbeit. Solange die Hisbollah im Auftrag Teherans agiert, bleibt das Risiko hoch. Israel agiert, um einen größeren Krieg zu verhindern – und tut dies Tag für Tag, Schlag für Schlag.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Von IDF Spokesperson"s Unit, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=153696907


Freitag, 28 November 2025

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