Knesset: Die Debatte über die Dienstbefreiung entzündet Wut, Schmerz und parteiinternen WiderstandKnesset: Die Debatte über die Dienstbefreiung entzündet Wut, Schmerz und parteiinternen Widerstand
Die Außen- und Verteidigungskommission ringt mit dem Entwurf zur Befreiung vom Militärdienst. Angehörige Gefallener, Reservisten und Abgeordnete prallen aufeinander. Selbst Koalitionsmitglieder wenden sich gegen den Vorschlag, der die politische Lage zusätzlich destabilisiert.
Die Außen- und Verteidigungskommission befasste sich zum ersten Mal mit dem von Ausschussvorsitzendem Boaz Bismuth vorgestellten Gesetzesentwurf zur Dienstbefreiung. Der Vorschlag genießt die Zustimmung von Premierminister Netanyahu und der ultraorthodoxen Führung, löst aber ebenso massive Kritik aus – von Reservisten, von der Opposition und zunehmend auch aus Reihen der Regierungskoalition.
Zu Beginn erhielten Angehörige gefallener Soldaten das Wort. Sie brachten die Ungerechtigkeit zur Sprache, die viele von ihnen seit Jahren empfinden. Ein Vater, dessen Sohn im Krieg gefallen war, schilderte, wie seine Kinder unmittelbar nach der Shiva zurück nach Gaza mussten – und seitdem insgesamt 900 Reservistentage geleistet haben. „Ihr unterscheidet mit diesem Gesetz zwischen Blut und Blut“, sagte er. „Wer im richtigen Sektor geboren wird, lebt sicher. Wer nicht – trägt die Last immer wieder.“ Die Aussage schnitt wie ein Messer durch die Atmosphäre.
Auch Oppositionsführer Yair Lapid erschien zur Sitzung. Er richtete sich direkt an Bismuth: „Ich verstehe nicht, was du hier machst. Netanyahu, Katz und Deri haben dich alleine gelassen, um die Schande zu tragen.“ Lapid nannte den Entwurf „ein beschämendes Gesetz zur Vermeidung der Dienstpflicht“ und sprach von „Verrat an unseren Kämpfern“. Seine Partei kündigte Widerstand mit allen parlamentarischen Mitteln an – und einen öffentlichen Protest, der die Straßen erreichen soll.
Aus dem Publikum rief eine Aktivistin der Bewegung „Mütter an der Front“: „Seit Jahren verzichten wir, während andere alles bekommen. Ich bin nicht gegen Torah und Yeshivot – aber es gibt Grenzen.“
Doch die Kritik prallt nicht nur von außen auf den Entwurf. Mehrere Mitglieder der Koalition machten deutlich, dass sie das Gesetz nicht mittragen können. Knessetmitglied Michal Waldiger aus der religiösen Zionismus-Fraktion erklärte ihre Opposition bereits zu Beginn der Sitzung. Sogar in der ultraorthodoxen Fraktion ertönten Vorwürfe: Meir Porush sagte, das Gesetz benachteilige Haredim und müsse „zerrissen“ werden. Andere Koalitionspolitiker – darunter Ophir Sofer, Eli Dallal, Moshe Saada, Dan Illouz und Itzik Kreuzer – signalisierten, dass sie die Vorlage nicht unterstützen würden.
Der frühere Ausschussvorsitzende Yuli Edelstein, der wegen seiner Kritik am Thema abgesetzt worden war, erschien ebenfalls. Er bezeichnete den Entwurf als völlig unzureichend und widersprach Vergleichen zu seinem früheren Gesetz: „Es ist Unsinn, die beiden Vorlagen gleichzusetzen. Dieses Gesetz dient der Koalition, nicht der Armee.“ Er warnte, dass das Ergebnis „die Sicherheit des Staates beschädigen wird“.
Boaz Bismuth selbst verteidigte den Entwurf. Er sprach von einer nationalen Botschaft über die Bedeutung des Torah-Studiums und versprach Änderungen. Wer sich dagegen stelle, bevorzuge „politische Spielchen“ vor dem nationalen Interesse.
Der Entwurf selbst enthält deutliche Änderungen gegenüber früheren Fassungen: Nationaler Ersatzdienst würde als Teil der Einberufungsquote gelten; die Pflichtquote für Kampfsoldaten entfiele; Reise- und Führerscheineinschränkungen für Dienstverweigerer würden nur bis 23 gelten, statt bis 26.
Die Sitzung fand nach Wochen ohne Fortschritte statt – eine Pause, ausgelöst durch interne Konflikte zwischen der Koalition und ihren ultraorthodoxen Partnern. Nun soll der Ausschuss zwei Tage beraten, bevor der Entwurf für die zweite und dritte Lesung vorbereitet wird.
Trotz all dieser Abläufe bleibt die politische Wirklichkeit: Dieses Gesetz entfacht nicht nur parlamentarischen Streit, sondern breitet die tiefe gesellschaftliche Wunde offen aus, die seit dem 7. Oktober nicht verheilt ist. Die Frage der Wehrgerechtigkeit – wer trägt die Last des Landes, und wer nicht – wird zum Spiegel der nationalen Krise.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Screenshot N12
Montag, 01 Dezember 2025