Herzogs Spielraum ist begrenzt – doch ein Ausweg aus der Blockade ist möglichHerzogs Spielraum ist begrenzt – doch ein Ausweg aus der Blockade ist möglich
Die Begnadigung, wie sie der Premier verlangt, ist juristisch nicht umsetzbar und politisch brandgefährlich. Trotzdem öffnet die Anfrage ein neues Fenster: einen geordneten, verantwortlichen Weg, der die tiefste innenpolitische Krise seit Jahren entschärfen könnte.
Die Bitte des Ministerpräsidenten an den Präsidenten stellt ein Grundproblem offen: Nach geltendem Recht kann nur begnadigt werden, wer als Täter eingestuft werden kann. So entschied es einst das Gericht im Fall der Geheimdienstmitarbeiter von „300“, die zwar nicht verurteilt, aber geständig waren. Der aktuelle Fall unterscheidet sich davon vollständig, weil der Premier weder ein Fehlverhalten einräumt noch eine Grundlage existiert, ihn als Täter zu definieren. Damit fehlt dem Präsidenten die gesetzliche Befugnis, die er für eine Begnadigung zwingend bräuchte.
Zur juristischen Hürde kommt die politische Lage. Ein vorzeitiger Abbruch eines laufenden Verfahrens ohne Gegenleistung würde die gesellschaftliche Spaltung weiter verschärfen. Ein Teil des Landes sähe sich bestätigt in der Behauptung, das Rechtssystem sei manipulativ. Der andere Teil würde eine beispiellose politische Einflussnahme empfinden. Ein solcher Schritt würde nicht beruhigen, sondern die Lage weiter destabilisieren.
Die Notwendigkeit einer Lösung
Trotzdem bleibt eine Erkenntnis bestehen: Das Verfahren, das das politische System seit Jahren belastet, muss beendet werden. Zahlreiche Versuche, eine Einigung über eine Verständigungslösung zu erreichen, scheiterten in der Vergangenheit – nicht allein am Angeklagten. Auch eine starre Haltung der Strafverfolgung trug dazu bei, dass die Situation in eine Sackgasse geriet, die dem Land schadet.
Die aktuelle Anfrage könnte erstmals ein anderes Signal senden: Offenheit für eine Lösung, die nicht im Urteilssaal entschieden wird. Die Hürde ist hoch, aber nicht unüberwindbar.
Zwei Punkte, die eine Einigung ermöglichen könnten
Eine tragfähige Lösung erfordert zwei Elemente. Erstens ein öffentlich formulierter Satz, der das Handeln des Ministerpräsidenten als fehlerhaft anerkennt – in einer Formulierung, die die rechtliche Grundlage für eine Begnadigung schafft, ohne die persönliche Integrität des Amtsinhabers zu zerstören. Sprache kann Brücken schlagen, wenn politischer Wille vorhanden ist.
Zweitens braucht es Klarheit über die politische Zukunft des Ministerpräsidenten. Die Forderung nach sofortigem Rückzug mag für manche zwingend erscheinen, doch sie ist kein notwendiger Bestandteil eines Kompromisses. Möglich wäre ein geregelter zeitlicher Rahmen, etwa ein Rückzug binnen zwei Jahren oder nach der nächsten Wahl. Ein solcher Weg würde eine Phase geordneter Stabilität erlauben und dem Premier politische Projekte abschließen lassen, die ihm wichtig sind, während gleichzeitig ein verbindliches Ende seiner Amtszeit festgelegt wäre.
Diese Kombination könnte beiden Seiten ermöglichen, das Gesicht zu wahren und das Land aus dem Stillstand zu führen.
Der Präsident verfügt über die juristische Erfahrung und das politische Gespür, um einen solchen Ausgleich zu verhandeln. Eine elegante, vollständig harmonische Lösung wird es nicht geben. Aber eine verantwortliche, funktionierende Lösung – die ist möglich. Und sie wäre ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politische Ordnung zu bewahren.
Autor: Bernd Geiger
Bild Quelle: By Kobi Gideon / Government Press Office of Israel, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=125528839
Dienstag, 02 Dezember 2025