F-35 für die Türkei: Ein halbes Jahr bis zur Entscheidung – und Israels Lufthoheit gerät ins WankenF-35 für die Türkei: Ein halbes Jahr bis zur Entscheidung – und Israels Lufthoheit gerät ins Wanken
Ankara steht offenbar kurz davor, das größte Hindernis auf dem Weg zum F-35-Kampfflugzeug auszuräumen. Für Israel wäre eine solche Kehrtwende ein strategischer Einschnitt, der die Sicherheitsarchitektur des gesamten Nahen Ostens verändern könnte.
Die Ankündigung des amerikanischen Botschafters in Ankara, Tom Barrack, hat in diplomatischen Kreisen für spürbare Unruhe gesorgt. Bei einer Konferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten erklärte er, die Türkei stehe „innerhalb von vier bis sechs Monaten“ vor der Lösung ihres zentralen Problems: der russischen S-400-Luftabwehr, die 2019 zum Ausschluss des Landes aus dem F-35-Programm geführt hatte. Diese Systeme, die seit Anschaffung kaum betriebsbereit waren und nie vollständig in die türkische Luftverteidigung integriert wurden, gelten in Washington als unvereinbar mit amerikanischen Stealth-Plattformen. Die Botschaft war deutlich. Wenn Ankara die S-400 aufgibt oder neutralisiert, steht der Rückkehr zur F-35 nur wenig im Weg.
Dass dieser Schritt gerade jetzt Gestalt annimmt, ist kein Zufall. Das Verhältnis zwischen Präsident Donald Trump und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip ErdoÄŸan befindet sich auf einem selten harmonischen Kurs. Beide Regierungen betonen ihre strategische Nähe, und der Beitrag Ankaras zur Gaza-Vereinbarung hat die Erwartung verstärkt, die USA könnten Ankara durch sicherheitspolitische Zugeständnisse belohnen. ErdoÄŸan lässt seit Monaten keine Gelegenheit aus, seinen Wunsch nach den amerikanischen Tarnkappenjets zu bekräftigen. Die F-35 ist nicht nur ein militärisches Werkzeug, sondern ein politisches Symbol. Sie würde der Türkei einen technologischen Sprung verschaffen, der sie wieder in die erste Reihe der regionalen Luftstreitkräfte brächte.
Aus israelischer Sicht wäre ein solcher Schritt alles andere als banal. Die langjährige amerikanische Grundregel, Israel im Nahen Osten mit einem qualitativen Vorsprung auszustatten, war über Jahrzehnte ein zentraler Pfeiler der Sicherheitsstrategie Jerusalems. Wenn die Türkei F-35 erhält, wird diese Norm spürbar aufgebrochen – zumal Trump erst vor wenigen Wochen seine Bereitschaft signalisierte, die Flugzeuge auch an Saudi-Arabien zu verkaufen. Damit entstünde ein regionales Kräftefeld, in dem mehrere Staaten über Kapazitäten verfügen würden, die bislang Israel vorbehalten waren. Die Lufthoheit, die Israel durch die Kombination aus F-35, modernster Sensorik und regionalen Kooperationsstrukturen besitzt, wäre nicht mehr selbstverständlich.
Die Gründe für die amerikanische Zurückhaltung der vergangenen Jahre sind bekannt. Ankara hatte sich in den 2010er Jahren zunehmend an Russland angenähert, Öl- und Gaseinkäufe ausgeweitet und die strategische Balance gegenüber der NATO herausgefordert. Die Anschaffung der S-400 war der sichtbarste Ausdruck dieser Abkehr. Dass Trump die Türkei damals aus dem F-35-Programm entfernte, war ein Signal transatlantischer Disziplin. Heute jedoch scheint Washington bereit, diese Tür wieder zu öffnen – allerdings nicht ohne Bedingungen. Die S-400 muss verschwinden, und die Türkei muss in die sicherheitspolitische Linie des Westens zurückfinden.
In israelischen Sicherheitskreisen wird die Lage nüchtern betrachtet, aber nicht beschönigt. Die Sorge betrifft nicht nur das Flugzeug selbst, sondern die politischen Rahmenbedingungen. ErdoÄŸan verfolgt seit Jahren eine Politik, die Europa und Israel gegenüber konfrontativ auftritt und regionalen Bewegungen wie der Muslimbruderschaft offene Sympathie entgegenbringt. Ein Staat mit dieser strategischen Ausrichtung – ausgestattet mit einem der modernsten Kampfflugzeuge der Welt – zwingt Jerusalem, seine eigene Luft- und Raketenabwehr langfristig neu zu kalibrieren.
Gleichzeitig versichert ein ranghoher Regierungsvertreter im Weißen Haus, Washington werde vor einer Entscheidung umfassende Gespräche mit Israel führen. Man halte sich eng an das Gesetz, das den qualitativen israelischen Vorsprung garantieren soll. Der Ton ist beruhigend, doch die Richtung ist klar. Wenn die Türkei bis Sommer 2026 ihre S-400 tatsächlich aufgibt, steht das F-35-Kapitel wieder offen. Und mit ihm eine der heikelsten Fragen der regionalen Machtbalance.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob Ankara diesen Weg tatsächlich geht, oder ob wirtschaftliche und politische Zwänge die Vollendung des Plans verhindern. Fest steht: Sobald die Tür zur F-35 einen Spalt weit geöffnet wird, verändert sich die strategische Geometrie des Nahen Ostens – und Israel muss sich auf ein Umfeld vorbereiten, in dem sein technologischer Vorsprung nicht mehr selbstverständlich ist.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: By The White House - https://www.flickr.com/photos/202101414@N05/54615269402/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=168602621
Samstag, 06 Dezember 2025