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Ankara warnt Washington – und verschweigt die zentrale Realität in Gaza

Ankara warnt Washington – und verschweigt die zentrale Realität in Gaza


Die türkische Regierung nennt Trumps Gaza-Plan unverzichtbar – und ignoriert zugleich die eigene Rolle als Schutzmacht islamistischer Akteure. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wächst.

Ankara warnt Washington – und verschweigt die zentrale Realität in Gaza

Die jüngste Warnung des türkischen Außenministers Hakan Fidan, ein Scheitern der US-gestützten Gaza-Initiative wäre ein „riesiger Fehler“ für Washington und die Welt, zeigt exemplarisch die widersprüchliche Rolle, die Ankara seit Jahren einnimmt. Ausgerechnet ein Staat, der Hamas-Funktionären Zuflucht, logistisches Umfeld und politische Bühne bietet, präsentiert sich nun als Garant von Stabilität. Für Israel ist diese Konstruktion schwer nachvollziehbar – und für viele westliche Beobachter zunehmend fragwürdig.

Fidan betont im Interview, entscheidend für den Fortschritt des Plans sei eine funktionsfähige palästinensische Zivilverwaltung, flankiert von einer Polizeikraft, die „nicht Hamas“ sei. Gleichzeitig behauptet er, die Organisation sei bereit, die Kontrolle über den Gazastreifen abzugeben. Israel hat jahrelang erlebt, wie wenig belastbar ähnliche Zusicherungen in der Vergangenheit waren. Hamas hat ihre Macht nie freiwillig abgegeben; sie hat sie durch Repression, Einschüchterung und Gewalt gefestigt.

Dass die Türkei zu den lautesten Kritikern israelischer Militärmaßnahmen gehört und dennoch den Waffenstillstand mitunter maßgeblich vermittelt, gehört zu dieser politischen Doppelbewegung: moralische Distanz nach außen, strategische Eigeninteressen nach innen.

Ein Vermittler, der eigene Konflikte verwaltet
Ankara erklärt, bereit zu sein, sich an einer internationalen Stabilisierungstruppe zu beteiligen. Jerusalem lehnt diese Option klar ab. Israels Sorge ist nachvollziehbar: Eine Kraft, die aus einem Land kommt, das Hamas über Jahre hinweg politisch und organisatorisch beherbergt hat, wäre kein neutraler Akteur. Ein solcher Einsatz könnte vielmehr neue Spannungsfelder schaffen – insbesondere dann, wenn Ankara dessen Mandat im Sinne eigener regionaler Ambitionen interpretiert.

Hinzu kommt die Lage in Syrien. Fidan kritisiert dort die kurdische SDF, wirft ihr Vertragsbruch vor und kündigt Konsequenzen an. Ankara fordert einen einheitlichen militärischen Oberbefehl und droht erneut mit Interventionen. Dass die Türkei gleichzeitig als Garant eines Gaza-Mechanismus auftreten möchte, während sie auf syrischem Boden mit militärischem Druck arbeitet, zeigt die begrenzte Kompatibilität ihrer Rollen. Für die Stabilität der Region ist dieser Widerspruch ein ernstes Hindernis – nicht zuletzt, weil die neue syrische Führung unter Ahmed al-Sharaa sich mühsam bemüht, überhaupt ein staatliches Fundament wiederherzustellen.

US-Plan unter Druck – und Ankara unter Prüfung
Präsident Donald Trump treibt den Gaza-Friedensprozess sichtbar persönlich voran. Ankara nennt diesen Weg alternativlos. Doch entscheidend ist nicht die Rhetorik Fidans, sondern die Frage, ob die Türkei bereit ist, die politischen Rahmenbedingungen zu verändern, die Hamas seit Jahren in einer komfortablen Position halten. Worte allein schaffen keine neue Sicherheitsarchitektur.

Dass Fidan gleichzeitig eine baldige Aufhebung der US-Sanktionen wegen des S-400-Deals in Aussicht stellt und den Ukraine-Krieg kommentiert, zeigt, wie breit Ankara seine Interessen auslegt. Das ist legitim – doch es erklärt, warum Israel die türkische Rolle mit Vorsicht betrachtet. Die Türkei ist kein Hostile State, aber ein Akteur, der immer sein eigenes Drehbuch schreibt, selbst wenn er behauptet, das eines anderen zu unterstützen.

Für den Gaza-Plan bedeutet das: Nur ein realistischer Blick auf die regionalen Machtverhältnisse wird entscheiden, ob die zweite Phase wirklich erreicht wird. Und Realismus beginnt damit, die Doppelrolle Ankaras als selbst ernannte Vermittlerin und gleichzeitig langjährige Schutzmacht islamistischer Netzwerke nicht zu ignorieren.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: Türkei, Gaza, Trump, Hamas, Israel, Diplomatie


Samstag, 06 Dezember 2025

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