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Gaza ohne Hamas? Washington sucht Ordnung – doch niemand will Verantwortung übernehmen

Gaza ohne Hamas? Washington sucht Ordnung – doch niemand will Verantwortung übernehmen


In Doha beraten Militärs über eine internationale Stabilisierungstruppe für Gaza. Doch hinter diplomatischen Floskeln verbirgt sich ein zähes Ringen um Macht, Verantwortung und politische Vorbedingungen. Israels Position ist klar, die internationale Bereitschaft dagegen brüchig.

Gaza ohne Hamas? Washington sucht Ordnung – doch niemand will Verantwortung übernehmen

Monate nach dem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas bleibt eine der zentralen Fragen unbeantwortet: Wer sorgt künftig für Sicherheit und öffentliche Ordnung im Gazastreifen, wenn die Terrororganisation geschwächt, aber nicht vollständig entmachtet ist? In Doha hat das US-Zentralkommando CENTCOM nun erneut versucht, Bewegung in dieses politische Vakuum zu bringen. Ziel der Gespräche war es, eine Internationale Stabilisierungstruppe für Gaza auf den Weg zu bringen. Das Ergebnis: viele Gespräche, kaum Zusagen.

Die geplante Truppe gilt als einer der Schlüsselbausteine für eine dauerhafte Nachkriegsordnung. Sie soll den Waffenstillstand überwachen, für innere Sicherheit sorgen und perspektivisch die Rolle der Hamas bei der Kontrolle des Alltags ersetzen. Doch genau hier liegt das Problem. Während Israel darauf drängt, die Hamas vollständig aus jeder Machtposition zu verdrängen, knüpfen viele potenzielle Truppensteller ihre Beteiligung an Bedingungen, die Jerusalem kategorisch ablehnt.

In Washington wird seit Monaten eine Liste möglicher Teilnehmerstaaten genannt: Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indonesien, Pakistan, Aserbaidschan. Doch bislang hat keiner dieser Staaten eine verbindliche Zusage gemacht. Der Hauptgrund ist politisch. Viele Regierungen erklären, sie seien nur dann bereit, Soldaten zu entsenden, wenn auch die Palästinensische Autonomiebehörde eingebunden wird. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehnt genau das ab. Aus israelischer Sicht hat die PA weder die Legitimität noch die Fähigkeit, Gaza zu stabilisieren, geschweige denn Terror nachhaltig zu bekämpfen.

Vor diesem Hintergrund könnte Italien nun eine neue Dynamik auslösen. Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen signalisiert Rom Bereitschaft, sich an der Stabilisierungstruppe zu beteiligen, ohne die Einbindung der Palästinensischen Autonomiebehörde zur Vorbedingung zu machen. Sollte sich diese Linie bestätigen, könnte sie den bisherigen Blockadeeffekt aufbrechen. Andere Staaten könnten folgen, nicht aus Überzeugung, sondern weil sie nicht länger abseitsstehen wollen, wenn erste Fakten geschaffen werden.

Doch selbst dann bleiben die Dimensionen ernüchternd. Ursprünglich war von 10.000 bis 20.000 Soldaten die Rede. Inzwischen rechnen selbst optimistische Beobachter eher mit einer Truppe von rund 5.000 Kräften. Zudem droht ein weiteres Problem: das Fehlen arabischer Beteiligung. Ohne regionale Akteure könnte der Einsatz in Gaza schnell als fremdbestimmt wahrgenommen werden, was seine Akzeptanz bei der Bevölkerung massiv untergraben würde.

Hinzu kommt, dass einige Staaten lediglich eine sehr begrenzte Rolle anbieten wollen. Sie denken an Einsätze in vergleichsweise ruhigen Zonen, mit restriktiven Einsatzregeln und klarer Priorität auf den Schutz der eigenen Soldaten. Ob eine solche Fragmentlösung ausreicht, um die Sicherheitsstrukturen der Hamas tatsächlich zu ersetzen, ist mehr als fraglich. In Washington ist man sich uneins, ob solche Minimalangebote besser sind als gar keine Truppe.

Auffällig ist auch, wer nicht am Tisch saß. Die Türkei wurde auf israelischen Druck von den Gesprächen ausgeschlossen. Ankara hatte zwar angeboten, Friedenstruppen zu entsenden, gilt in Jerusalem jedoch als offen feindlich gegenüber Israel und als politischer Schutzraum für Hamas-nahe Akteure. Eine türkische Präsenz in Gaza ist für Israel daher nicht verhandelbar.

Parallel zu den militärisch-politischen Debatten läuft die zivile Koordination weiter. Das von den USA und Israel getragene zivile-militärische Koordinationszentrum CMCC hat in den vergangenen Wochen messbare Fortschritte bei der humanitären Versorgung erzielt. Zehntausende Lastwagen mit Hilfsgütern gelangten nach Gaza, Bäckereien konnten die Produktion steigern, Millionen Mahlzeiten werden täglich ausgegeben. Auch die gewaltigen Trümmermengen von mehr als 60 Millionen Tonnen werden inzwischen systematisch kartiert, um den Wiederaufbau vorzubereiten.

Doch auch hier gibt es Kritik. Internationale Partner werfen dem CMCC mangelnde Flexibilität vor und beklagen die konsequente Ausgrenzung der Palästinensischen Autonomiebehörde. Viele Organisationen haben ihre Mitarbeit reduziert oder ganz eingestellt. Faktisch bleibt das Zentrum damit ein vor allem amerikanisch-israelisches Projekt.

Währenddessen kontrolliert die Hamas weiterhin etwa die Hälfte des Gazastreifens, dort, wo die gesamte Bevölkerung lebt. Seit Wochen ist klar: Ohne eine glaubwürdige Sicherheitsstruktur wird es keinen nachhaltigen Wiederaufbau geben. Doch genau diese Struktur will bislang kaum jemand wirklich tragen.

Aus israelischer Sicht ist die Lage eindeutig. Gaza darf nie wieder ein unkontrollierter Terrorraum werden. Jede internationale Lösung, die der Hamas indirekt Macht erhält oder alte Fehler wiederholt, ist inakzeptabel. Die Gespräche in Doha zeigen jedoch, wie schwer es ist, diese Haltung international durchzusetzen. Die Welt sucht Stabilität, aber scheut den Preis, den sie kostet.


Autor: Redaktion
Bild Quelle: IDF


Mittwoch, 17 Dezember 2025

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