Internationale Abrüstungspläne für Gaza stoßen auf harte Realität Hamas bleibt bewaffnet und kontrolliert den AlltagInternationale Abrüstungspläne für Gaza stoßen auf harte Realität Hamas bleibt bewaffnet und kontrolliert den Alltag
Während westliche Regierungen über politische Lösungen für Gaza sprechen, zeigen Lageeinschätzungen aus Israel ein deutlich anderes Bild. Die Hamas ist geschwächt, aber nicht besiegt. Sie hält an Waffen fest, konsolidiert ihre Macht und bereitet sich strategisch auf die Zeit nach der Waffenruhe vor.
Mehr als 800 Tage nach dem 7. Oktober ist der Gazastreifen Schauplatz eines gefährlichen Widerspruchs. In Washington, europäischen Hauptstädten und regionalen Vermittlerstaaten wird über Stabilisierung, Wiederaufbau und politische Übergangsmodelle diskutiert. Gleichzeitig zeigt die Realität vor Ort, dass die Hamas trotz massiver militärischer Schläge weiterhin als bewaffneter Machtfaktor existiert.
Der von US Präsident Donald Trump vorangetriebene politische Rahmen sieht vor, die Hamas zu entwaffnen, ihre militärische Infrastruktur zu zerschlagen und eine alternative Verwaltung im Gazastreifen zu etablieren. Unterstützt werden soll dieser Prozess durch ein internationales oder regionales Stabilisierungskontingent. In Israel wird dieses Konzept mit wachsender Skepsis betrachtet.
Nach Einschätzung israelischer Sicherheitskreise existiert derzeit kein Akteur, der praktisch in der Lage wäre, die Entwaffnung der Hamas durchzusetzen. Weder lokale Kräfte noch internationale Truppen verfügen über die politische Legitimation, die militärischen Fähigkeiten oder die Bereitschaft, sich einer direkten Konfrontation mit zehntausenden bewaffneten Kämpfern zu stellen. Schätzungen gehen weiterhin von rund 20.000 Hamas Angehörigen aus, die Zugriff auf leichte und schwere Waffen haben.
Zwar hat die israelische Armee große Teile der militärischen Infrastruktur zerstört, doch zentrale Elemente der unterirdischen Tunnelnetze sind erhalten geblieben. Diese dienen nicht nur als Rückzugsräume, sondern auch als Lagerstätten für Waffen und als Kommandoinfrastruktur. Parallel nutzt die Hamas Trümmer und Blindgänger, um improvisierte Waffen herzustellen. Der militärische Kern der Organisation ist beschädigt, aber funktionsfähig.
Entscheidend ist jedoch nicht allein die militärische Dimension. In der Abwesenheit einer funktionierenden zivilen Alternative füllt die Hamas erneut das Machtvakuum. Sie kontrolliert die Verteilung humanitärer Hilfe, reguliert Märkte und Preise und setzt ihre Ordnung mit Gewalt durch. Wer sich öffentlich gegen sie stellt oder ihre Autorität infrage stellt, wird eingeschüchtert, misshandelt oder ausgeschaltet. Diese faktische Kontrolle verleiht der Organisation Stabilität und Handlungsspielraum.
Die bestehende Waffenruhe hat diesen Prozess begünstigt. Während Israel militärisch gebunden ist und internationale Erwartungen an Zurückhaltung bestehen, nutzt die Hamas die Zeit zur Reorganisation. Die Verpflichtung Israels zur Rückführung der Geiseln schränkt zusätzliche militärische Optionen weiter ein. Aus israelischer Sicht entsteht so eine Situation, in der Zeit zum strategischen Vorteil der Hamas wird.
Besonders kritisch wird in Jerusalem die Rolle externer Akteure bewertet. Katar und die Türkei treten als Vermittler auf und drängen auf ein Modell, das zwischen offensiven und defensiven Waffen unterscheidet. In diesem Szenario würde die Hamas bereit sein, Raketen, Drohnen oder bestimmte Sprengmittel abzugeben, während automatische Waffen, Panzerabwehrsysteme und große Teile des persönlichen Arsenals erhalten blieben. Für israelische Sicherheitsexperten käme dies einer faktischen Anerkennung der Hamas als bewaffneter Akteur gleich.
Ein solches Modell würde nicht zur Entwaffnung führen, sondern zur Institutionalisierung der Hamas Macht. Die Organisation könnte sich politisch neu legitimieren, ihre militärische Präsenz sichern und gleichzeitig internationale Anerkennung für vermeintliche Zugeständnisse einfordern. Die Gefahr liegt darin, dass eine formale Abrüstung auf dem Papier mit einer realen Bewaffnung vor Ort koexistiert.
Auch die Idee eines internationalen Stabilisierungskontingents stößt auf grundlegende Zweifel. Ohne robustes Mandat, ohne Einsatzregeln zur Anwendung militärischer Gewalt und ohne klare Verantwortlichkeiten wäre ein solcher Einsatz operativ wirkungslos. Kein Staat hat bislang signalisiert, seine Soldaten in einen direkten Konflikt mit bewaffneten Islamisten zu schicken. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Kontingent im Ernstfall eingreift, wird in Israel als gering eingeschätzt.
Vor diesem Hintergrund wird zunehmend vor einem gefährlichen Szenario gewarnt. Eine Phase scheinbarer Ruhe, getragen von diplomatischen Erklärungen und internationalen Abkommen, während die Hamas im Hintergrund ihre Fähigkeiten wieder aufbaut. Am Ende stünde eine Organisation, die politisch eingebunden, militärisch bewaffnet und strategisch vorbereitet ist. Aus israelischer Sicht wäre dies kein Erfolg, sondern eine strategische Niederlage.
Die israelische Debatte ist entsprechend nüchtern. Ein erneuter umfassender Militäreinsatz im Gazastreifen ist politisch belastet und international umstritten. Gleichzeitig gilt ein Fortbestehen der Hamas als bewaffnete Macht als inakzeptables Sicherheitsrisiko. Die Frage ist nicht, ob die Organisation geschwächt wurde, sondern ob sie entscheidend entmachtet werden kann.
Solange es keine glaubwürdige zivile Verwaltung gibt, die in der Lage ist, Sicherheit durchzusetzen, und solange externe Akteure nicht bereit sind, die Entwaffnung tatsächlich zu erzwingen, bleibt die Hamas der dominante Faktor im Gazastreifen. Internationale Konzepte, die diese Realität ausblenden oder relativieren, werden in Israel zunehmend als Teil des Problems gesehen.
Aus israelischer Perspektive ist die Lage klar. Ein politischer Prozess ohne echte Entwaffnung, ohne funktionierende Alternativstrukturen und ohne Durchsetzungsmechanismen wird scheitern. Nicht spektakulär, sondern schleichend. Und er wird den Weg bereiten für die nächste militärische Auseinandersetzung.
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Samstag, 20 Dezember 2025