Jerusalem als Bühne einer neuen Mittelmeerachse gegen AnkaraJerusalem als Bühne einer neuen Mittelmeerachse gegen Ankara
In Jerusalem treffen sich Israel, Griechenland und Zypern zu einer strategischen Dreierkonferenz, die weit über diplomatische Routine hinausgeht. Im Hintergrund steht ein gemeinsamer Nenner: die wachsende Machtprojektion der Türkei. Doch die Interessen der drei Staaten unterscheiden sich deutlich. Es geht um Einfluss in Syrien, um Seegrenzen, um Gas, um Sicherheit und um die Frage, wie weit Ankara im östlichen Mittelmeer noch gehen kann.
Wenn sich Israels Premierminister Benjamin Netanyahu, der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis und Zyperns Präsident Nikos Christodoulides in Jerusalem zusammensetzen, ist die Agenda klar. Die trilaterale Kooperation soll vertieft, politisch aufgeladen und strategisch sichtbar gemacht werden. Über allem schwebt ein Name, der auf keiner offiziellen Tagesordnung steht, aber jede Diskussion prägt: Recep Tayyip Erdogan.
Die Türkei ist nicht eingeladen, aber der eigentliche Adressat.
Israel zwischen Syrien, Gaza und verlorener Partnerschaft
Aus israelischer Sicht markiert das Treffen einen weiteren Schritt weg von der einst engen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Ankara. Bis vor rund fünfzehn Jahren galten Israel und die Türkei als strategische Partner. Das Ende kam schrittweise, kulminierend im Mavi-Marmara-Zwischenfall. Seitdem betrachtet Jerusalem die türkische Regionalpolitik mit wachsendem Misstrauen.
Besonders schwer wiegt die türkische Nähe zur Hamas und zum politischen Islam. Für Israel ist dies keine rhetorische Frage, sondern eine sicherheitspolitische. Nach dem Machtumbruch in Syrien ist zudem eine neue Konkurrenz entstanden. Ankara versucht, seinen Einfluss nördlich und zunehmend auch südlich von Damaskus auszubauen. Israel wiederum will seine operative Freiheit in Syrien sichern und jede dauerhafte türkische Präsenz begrenzen, die das regionale Gleichgewicht verschiebt.
Hinzu kommt der Blick auf Gaza. Türkische Versuche, über internationale Mechanismen oder zivile Strukturen politischen Fuß in der Nachkriegsordnung zu fassen, werden in Jerusalem als potenzielles Risiko gesehen. Griechenland und Zypern dienen Israel dabei nicht nur als politische Partner, sondern auch als Brücke in die Europäische Union.
Griechenland und der jahrzehntelange Konflikt auf See
Für Griechenland ist die Frontlinie eine andere, aber nicht weniger existenziell. Die Spannungen mit der Türkei reichen Jahrzehnte zurück und konzentrieren sich aktuell auf den Ägäischen Raum und die Frage der ausschließlichen Wirtschaftszonen. Ankara stellt griechische Ansprüche auf Seegebiete rund um Inseln offen infrage und hat mehrfach signalisiert, dass es eine Ausweitung dieser Zonen als Kriegsgrund betrachten könnte.
In Athen wächst die Sorge vor einem militärischen Zwischenfall. Griechische Sicherheitskreise sprechen offen über das Szenario einer türkischen Landung auf einer Insel. Gleichzeitig spielt das Thema Energie eine zentrale Rolle. Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer haben die maritime Auseinandersetzung zusätzlich verschärft. Griechenland sucht daher Partner, die militärisch handlungsfähig sind und politisches Gewicht haben. Israel erfüllt beide Kriterien.
Zugleich verfolgt Athen eine neue außenpolitische Linie. Griechenland will im östlichen Mittelmeer und darüber hinaus aktiver auftreten. Die Bereitschaft, sich an internationalen Missionen zu beteiligen, auch in Gaza, ist Teil dieses Anspruchs.
Zypern zwischen existenzieller Bedrohung und Sicherheitsgarantien
Für Zypern ist die Türkei keine abstrakte Herausforderung, sondern eine historische Realität. Seit 1974 ist der Norden der Insel von türkischen Truppen besetzt. Ankara erkennt die international anerkannte Republik Zypern bis heute nicht an und unterstützt stattdessen die türkisch kontrollierte Nordhälfte.
Nikosia sieht in der Annäherung an Israel eine doppelte Chance. Einerseits geht es um konkrete sicherheitspolitische Zusammenarbeit, etwa durch Rüstungsprojekte und Ausbildung. Andererseits hofft Zypern auf stärkere Rückendeckung aus Washington. Die Partnerschaft mit Israel gilt als Türöffner. Gleichzeitig ist die Ausbeutung eigener Gasvorkommen ohne Schutz kaum denkbar, solange Ankara Ansprüche anmeldet.
Die türkische Perspektive: Isolation und Gegenstrategie
In Ankara wird die trilaterale Annäherung aufmerksam verfolgt. Die Türkei sieht sich im östlichen Mittelmeer zunehmend isoliert und setzt auf eine Gegenstrategie. Präsident Erdogan treibt das Konzept der sogenannten Blauen Heimat voran, das eine weitreichende maritime Einflusszone vorsieht. Ziel ist es, die Türkei als dominierende Seemacht zu etablieren und wirtschaftlich von Energiequellen zu profitieren.
Zentral bleibt für Ankara jedoch Syrien. Die türkische Führung betrachtet jede Form kurdischer Autonomie im Norden als strategische Bedrohung. Israels Aktivitäten in Syrien werden entsprechend kritisch gesehen. Parallel sucht die Türkei die Nähe zu den Vereinigten Staaten. Die Wiederaufnahme in westliche Rüstungsprogramme und das Verhältnis zu Präsident Trump spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Ein Bündnis mit Signalwirkung
Die Jerusalemer Konferenz ist kein formelles Militärbündnis, aber sie ist ein politisches Signal. Israel, Griechenland und Zypern demonstrieren, dass sie bereit sind, ihre Interessen zu bündeln und Ankara Grenzen aufzuzeigen. Gleichzeitig wissen alle Beteiligten, dass eine offene Konfrontation Risiken birgt.
Die Herausforderung besteht darin, Abschreckung zu erzeugen, ohne Eskalation zu provozieren. Ob dieser Balanceakt gelingt, wird nicht nur in Jerusalem entschieden, sondern auch in Ankara, Damaskus und Washington.
Autor: Redaktion
Bild Quelle: Foto von Robert Bye auf Unsplash
Sonntag, 21 Dezember 2025