Feine Unterschiede

Feine Unterschiede


Amy Coney Barrett, seit über zwanzig Jahren hauptamtliche Bundesrichterin in den USA, ist von Donald Trump als Nachfolgerin der am 18. September 2020 verstorbenen Ruth Bader Ginsburg nominiert worden. Sollte die Wahl erfolgreich ausgehen, fiele der Juristin das überaus einflussreiche Richteramt am obersten Gerichtshof zu; und zwar auf volle Lebenszeit.

Feine Unterschiede

 Ich persönlich halte diesen ´Brauch´ für bedenklich und interpretiere ihn als Konstruktionsfehler der amerikanischen Verfassung, aber das sieht man in den Staaten aus vielerlei Gründen schon wieder ganz anders.
Barrett ist noch relativ jung. Im Unterschied zu Trump lehnt sie die Todesstrafe ab. Sieben Kinder zählt ihr Nachwuchs. Zwei wurden adoptiert und stammen aus Haiti. Eines der leiblichen Kinder hat das Down-Syndrom. Die Juristin ist überzeugte Gegnerin der Abtreibung. Eine deutliche Mehrheit der US-Amerikaner auch. In den Staaten zählt diese Haltung nach wie vor zum Mainstream. Darüber hinaus lehnt die Anwärterin aufs höchste richterliche Amt eine kirchliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ab. Auch diese Einstellung wird von vielen ihrer Landsleute geteilt. Spätesten damit hat sich die sympathische Dame hierzulande schwer verdächtig gemacht.
Sie gilt denn auch, was Wunder, als konservativ und religiös. Solcherart justiert, kann sie den bundesdeutschen Tauglichkeitstest nicht mehr bestehen. Konservativ und religiös – das geht mal gar nicht. Denn das sind ohne Zweifel negativ besetzte, übel beleumundete Begriffe, die müffeln gar fürchterlich, da muss man sofort das Zimmer lüften, hier versagt jedes Deo. Konservativ und religiös: das schwitzt nur so nach abgestandenen, staub-stickigen Allgemeinplätzen. Wer so drauf ist, darf als rückständig und borniert, illiberal und genderfeindlich gelten, hier steht die ganze gute Gesinnung auf dem Prüfstand, wie denn jemand, den der Herr Trump ´aussucht´, automatisch ein Rechtspopulist sein muss: vorgestrig und Demokratie feindlich.
So selbstverständlich den obersten Richtern und Henkern unserer Eliteverbände derlei bequeme Vorverurteilung oder Diskreditierung auch fällt, so seltsam mutet doch der Umstand als solcher an. Denn: Richtig eingeordnet, kann es sich bei diesen Begrifflichkeiten, spiegeln sie echte oder lautere Überzeugungen, gar nicht um Negativa handeln. Sie gehören zum Kernbestand abendländischen Selbstverständnisses und dürfen durch Säkularisierung und Rationalismus, Fortschritt und Freizügigkeit weder ersetzt noch übertrumpft werden, denn einzig in der beständigen, nie endenden Auseinandersetzung bewahrender und verändernder Kräfte kommt jene Synthese auf höherer Stufe zustande, die schon in der Dialektik der Antike angelegt war und im Konstrukt des letzten großen Systematikers philosophischer Profession, des genialen Hegel, gültigen Ausdruck fand, alle Irrwege mit eingeschlossen. Salopp formuliert müssen wir auch weiterhin mit beidem leben, indem wir gleichzeitig lernen, die begleitenden Divergenzen auszuhalten, denn abschaffen können wir weder den Fundus der Tradition, der uns trägt, noch den Genius der Innovation, der uns immerzu anspornt und nie ruhen lässt. Wichtig bleibt indes, wie gleich gezeigt werden wird, dass es ein gemeinsamer Quell bleibt, aus dem wir schöpfen: kein schlecht und recht importiertes ´Weihwasser´.
Bezeichnend genug, dass die tonangebenden Meinungsmacher der Republik Menschen, die echten Überzeugungen anhängen und an ihnen festhalten, sofort an den öffentlichen Pranger stellen – handelt es sich nur um Angehörige der eigenen Ethnie. Im krassen Widerspruch hierzu werden die meistenteils verfassungswidrigen, nicht selten feindlich oder unversöhnlich positionierten Haltungen eingewanderter Muslime treuhündisch geschirmt und im öffentlichen Raum entsprechend gehegt und gepflegt, und zwar dergestalt, dass man sie, in Abgrenzung zu den tagtäglich alarmierenden ´Ausnahmen´ passend, verharmlost oder verniedlicht. Am Ende gilt als verträglich, ja als lückenlos vereinbar mit dem Grundgesetz, was nicht länger verhandelbar sein darf und im täglichen Vollzug sowieso jeder Großfamilie heilig ist. Wenn von Eigenarten muslimischer Lebensweisen die lästige Rede ist, dann sind die immer irgendwie mit unserem Grundgesetz kompatibel, da ist dann nie von der Scharia, immer aber vom gemeinsamen guten Willen die Rede, der das ganze schon irgendwie biegen wird. Was für eine Lüge, was für ein Verrat! In Wirklichkeit divergieren hier sämtliche der ´importierten´ Überzeugungen auf kurz oder lang zu den angestammten Werten einerseits, vor allem aber zur blähbrünstig propagierten multikulturellen Beliebigkeit, die man uns ständig verordnet, und die ja auch längst das alltägliche Leben banalisiert und heruntergebracht hat.
Wer jetzt so selbstverständlich gegen Amy Coney Barrett wettert, muss sich die Frage stellen, warum er denselben Mut nicht aufbringt, gegen die schwarzen Schafe einer Community zu blöken, die offenbar kein Problem damit haben, ihren eigenen Konservatismus, der tiefreligiös bleibt, stur und unnachgiebig zu behaupten. Lieber schießt man sich auf die Spielverderber von der AFD ein. Und nimmt es da mit der eigenen Verfassungstreue nicht mehr so ernst. Kürzlich wurde doch tatsächlich ein AFD-Politiker in geheimer und freier Wahl an die Spitze des Stadtrats von Gera gewählt, und schon hagelt es scharfe Kritik. Ja, um Himmels willen – Kritik woran? Liebe Leute, ob es euch nun passt oder nicht: Der Mann ist in einem ordentlichen demokratischen Verfahren gewählt worden – basta. Was gibt es, jenseits eigener politischer Überzeugungen, daran zu kritisieren? Ihr habt umgekehrt kein Problem damit und könnt euch vor Schadenfreude nicht einkriegen, dass die Wahl eines AFD-Abgeordneten zum Vizepräsidenten des deutschen Bundestages ständig scheitert, wiewohl sie unsere Verfassung ausdrücklich vorsieht. Aber hier triumphiert ja vor allem das schrecklich gute Gewissen, das von wegen ein Akt des Widerstandes ist: Wehret der Anfänge. Jeder möge selbst entscheiden, für wie billig er das hält.
So ähnlich hört es sich jetzt auch wieder in Sachen Trump und Barrett an. Der eine geht gar nicht, die andere nicht minder weil konservativ und gläubig. So einfach ist und bleibt es. Ein echtes Armutszeugnis. Als in Ungarn vor zwei Jahren die regierende Fidesz Partei im Bündnis mit der christlich demokratischen Volkspartei Ungarns noch einmal eine Regierungsmehrheit für sich behaupten konnte, ebenfalls nach freien und geheimen Wahlen, kam aus Deutschland sofort das passende Echo: “Wer stoppt Orban?“ Freilich hätte es auch heißen können: Warum wählen die doofen Ungarn nicht richtig, nicht so also, wie man sich das hierzulande nach 15 Jahren Dauer-Merkel wünscht. Ähnlich werden doch all jene vorgeführt, die in den letzten Jahren mit eigener Stimme dafür sorgten, dass die AFD in sämtliche Landtage einzog. Ein echtes Kreuz, diese elenden Volksabstimmungen.
Umso sehnlicher heißen jene, die von einer europäischen Wertegemeinschaft schwadronieren, immer neue Ankömmlinge aus dem Orient willkommen, Kinder und Frauen zumeist, deren Großfamilien bald nachrücken werden. Die konservativ-religiösen Überzeugungen dieser Menschen sollen uns allen ernsthaft als Bereicherung gelten. Hat man keine eigenen mehr, beruft man sich eben auf importierte kulturelle Vielfalt, auch wenn diese in besagtem Falle eher monoton und autistisch ausfällt. Nun, das werden spätere Geschlechter ausbaden müssen, so sich diese ´Letzten´ dann noch als europäisch empfinden und entsprechend behaupten können. Womöglich wird das dann auch keiner mehr von ihnen erwarten. Korsen und Katalanen, Dalmatiner oder Basken werden von berufener Seite gerne dafür gescholten, das sie an ihren Sitten und Gebräuchen festhalten, stur und unnachgiebig. Das macht sie in den Augen derer, denen jede kulturelle Eigenart autochthoner Ethnien verdächtig bleibt, zu Nationalisten. Aber es waren in der Vergangenheit ebenjene Volksgruppen, die wider den osmanischen Expansionismus fochten oder auf der iberischen Halbinsel dem Faschisten Franco bis zum letzten Atemzug tapfer Paroli boten. Vulgär gesprochen, hatten und haben diese Menschen noch immer einen ziemlich kräftigen Arsch in der Hose. Um mich an dieser Stelle abschließend bei den Leuten, die nichts kapieren wollen oder können, so richtig unbeliebt zu machen: Mir persönlich ist und bleibt der zauberhafte Gesang dalmatinischer Männerchöre (Klapa), deren innige Weisen mein Herz im Innersten berühren, allezeit lieber als der Ruf des Muezzins oder die banale Dünnsuppe irgendeiner Ethno-Grütze, die sich die verbliebenen Versatzstücke vermeintlicher ´Welt-Musik´ massenkompatibel zurechtmurkst.


Autor: Shanto Trdic
Bild Quelle: Wikimedia Gemeinfrei


Sonntag, 11 Oktober 2020

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